Auftaktveranstaltung zum 72. Deutschen Juristentag in Leipzig

13. April 2018 | Politik | Keine Kommentare

Zur Vorbereitung des alle zwei Jahre stattfindenden Deutschen Juristentages ist es mittlerweile gut geübte Tradition etwa eine halbes Jahr vor Beginn einen Auftaktveranstaltung am jeweiligen Tagungsort durchzuführen. Da der 72. Deutsche Juristentag dieses Jahr ab dem 26. September zum mittlerweile dritten Mal nach 1880 und 2000 in Leipzig stattfinden wird, war es am heutigen Abend Zeit für diese.

So kamen in pünktlich zum Deutschen Juristentag fertigen Paulinum (wie die Prodekanin der juristischen Fakultät der Universität Leipzig nicht müde wurde, mehrmals zu betonen) an die 200 Vertreter der verschiedensten juristischen Berufe zusammen und hörten sich neben der Begrüßung durch den Staatsminister für Justiz des Freistaates Sachen, Sebastian Gemkow, und der Vorstellung des Fach- und Rahmenprogramms des diesjährigen Juristentages durch den Vorsitzenden des DJT (Deutscher Juristentag e.V.), Prof. Dr. Habersack, den Festvortrag der Richterin am Bundesverfassungsgericht Dr. Sybille Kessal-Wulf an.

Leipzig als Perle des ostdeutschen Rechtsstaates

In seiner Begrüßung spann Minister Gemkow einen weiten Bogen aus der Geschichte der Juristentage und deren Einfluss auf die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland über die friedliche Revolution im Jahre 1989 hin zur aktuellen Lage der Stadt Leipzig als Perle des Rechtsstaats in Ostdeutschland. Er betonte dabei auch mehrmals, wie sehr sich die Staatsregierung Sachsens darüber freue, dass gerade Leipzig nunmehr erneut als Gastgeberstadt für einen Juristentag ausgewählt worden sei und lud alle Teilnehmer dazu ein in seiner Heimatstadt an den Fachdiskussionen des Deutschen Juristentages und natürlich an den Empfängen der sächsischen Staatsregierung am Eröffnungs- und Schlusstag der diesjährigen Konferenz teilzunehmen.

Spannendes Fachprogramm beim 72. DJT

Anschließend stellte Prof. Habersack das diesjährige Fachprogramm des Deutschen Juristages vor.
Unter Leitung von Prof. Dr. Beate Gsell, Richterin am OLG München wird sich die Abteilung „Verfahrensrecht“ dieses Jahr mit der Frage: „Sammelklagen, Gruppenklagen, Verbandsklagen – Bedarf es neuer Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes im Zivilprozess?“ beschäftigen. Dabei soll insbesondere diskutiert und erörtert werden, ob die aktuellen Klagemöglichkeiten des Zivilprozessrechts ausreichen oder ob sich deren Erweiterung zur bessern Verankerung des kollektiven Rechtsschutzes anbietet.
Die von Prof. Dr. Nina Dethloff geleitete Abteilung „Familienrecht“ erörtert dieses Jahr die Frage: „Gemeinsam getragene Elternverantwortung nach Trennung und Scheidung – Reformbedarf im Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrecht?“ Hier soll diskutiert werden, ob die aktuellen Regelungen zum Unterhalts- und Sorgerecht noch dem Stand der Zeit entsprechen, oder ob vor dem Hintergrund gewandelter gesellschaftlicher Verhältnisse dieses einer Überarbeitung bedarf.
Prof. D.r Henning Radke, Richter am Bundesgerichtshof, leitet die Abteilung „Strafrecht“, welche dieses Jahr die Frage: „Sentencing Guidelines vs. freies tatrichterliches Ermessen – Brauchen wir ein neues Strafzumessungsrecht?“ diskutiert. Vielfach wird beklagt, dass die freie Ermessensentscheidung der Strafrichter zu erheblichen Unterschieden in der Strafzumessung führen würde. Die Abteilung soll deswegen diskutieren, ob ein Systemwechsel hin zu einer engeren Bindung der Strafrichter vollzogen werden soll.
Nach den Erfahrungen der letzten Jahre wurden die Abteilungen „Arbeits- und Sozialrecht“ sowie und „Öffentliches Recht“ zu einer Abteilung unter Leitung von Prof. Dr. Martin Franzen und Prof. Dr. Hubert Meyer zusammengefasst. Diskutiert werden soll die Frage: „Migration und ihre Folgen – Wie kann das Recht Zuwanderung und Integration in Gesellschaft, Arbeitsmarkt und Sozialordnung steuern?“ Hier geht es insbesondere darum inwieweit doie rechtlichen Rahmenbedingungen für die Integration von Zuwanderern verbessert werden können.
Die Abteilung „Wirtschaftsrecht“ unter Leitung von Prof. Dr. Jochen Vetter steht dieses Jahr unter der Frage: „Empfiehlt sich eine Reform des Beschlussmängelrechts im Gesellschaftsrecht?“ Hier soll diskutiert werden, ob die Regelungen zur Aufhebung von Beschlüssen der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft einer Anpassung bedürfen und inwieweit solche Regelungen auch auf andere Gesellschaftsformen übertragbar sind.
Schließlich beschäftigt sich die Abteilung „Zivil-, Wirtschafts-, und Steuerrecht“ unter Leitung von Prof. Dr. Peter Rawert mit der Frage: „Empfiehlt es sich, die rechtlichen Rahemnbedingungen für die Gründung und Tätigkeit von Non-Profit-Organisationen übergreifend zu regeln?“ Hier soll erörtert werden, ob und wie der bestehende Rechtszustand – insbesondere das Zusammenwirken von Steuer- und Zivilrecht – im Sinne eines übergreifenden Regelungsansatzes verbessert werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht als europarechtsfreundlicher Verfassungshüter

Rede vom Dr. Sybille Kessal-Wulf bei der Auftaktveranstaltung zum 72. DJT

In ihrem Festvortrag spann Richterin Dr. Kessal-Wulf einen weiten Bogen über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis Deutschland – Europäische Union – Europarat der letzten Jahre und Jahrzehnte. Darin nahm sie (wie nicht anders zu erwarten) die Position des Bundesverfassungsgerichts im Mehrebenensystem zur Frage der Zusammenarbeit und des Zusammenwirkens der Gerichte EuGH, EGMR und BVerfG ein und stellte anhand dieser das judikative Europa als supranationales Gerichtssystem dar.
Sie betonte nochmal die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Europarechts- und Integrationsfreundlichkeit des Grundgesetzes aber auch zu der Integrationsschranke des Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes und der Ultra-vires-Konrolle überschießender europäischer Rechtssetzungsakte. Dabei stellte sie klar, dass es einerseits Gestaltungsauftrag an alle deutsche Staatsgewalt sei, der Europäischen Integration zum Erfolg zu verhelfen, dass demgegenüber aber eine Abschaffung des deutschen Staates bei gleichzeitiger Geltung des Grundgesetzes nicht mit selbigem Vereinbar sei. Die europäische Einigung sei eine historische Erfolgsgeschichte und wollten die Deutschen wirklich aus der Geschichte lernen, so müssten sie überzeugte Eruopäer werden, ohne dabei jedoch den Markenkern aufzugeben.

In Bezug auf das spranationale Gerichtssystem machte sie deutlich, dass eine Diskussion verschiedener jursitischer Standpunkte zwischen den Gerichten kein Ausdruck eines Problems, sondern vielmehr einer vielfältigen europäischen Rechtskultur sei. Das Zusammenspiel der Gerichte sei dabei als eine Art europäischer Gerichtsverbund zu sehen, in welchem jedem Gericht spezifische Aufgaben und Kompetenzen zukomme, wobei alle Akteure die europäische Zusammenarbeit zu fördern hätten.

Den Abschluss ihres Vortrages stellte vor dem Hintergrund der Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz in Polen, Unganr und weiteren Osteuropäischen Staaten ein Zitat des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts dar: „Wer Verfassungsgerichte abschafft oder in ihrer Arbeit lähmt, der legt die Axt an die freiheitliche Demokratie.“

Zum Abschluss lud der DJT noch alle Anwesenden zu einem Empfang ein, auf welchem die Gelegnheit zur ausgiebigen Diskussion des gerade Gehörten bestand.

PZ

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