Am gestrigen Tag haben wir alle verloren

22. November 2018 | Politik | 3 Kommentare

Es gibt im Moment eine Menge Stimmen zur gescheiterten Räumung der Hafenstraße 7, (HaSi). Von unserer Seite hat dies bereits unsere Paula Poppinga kommentiert. Sie meinte, es wäre „Viel Absperrung für nichts“ gewesen. Eben erreichte uns eine Stellungnahme von den Jungen Liberalen, die wir hier gerne wiedergeben möchten. Der Kreisvorsitzende der JuLis Kai Krause erklärt seine Sicht auf den ereignisreichen Tag gestern in Halle:

Polizeiabsperrungen an der Saline

Am gestrigen Tag haben wir alle verloren. Die HWG, die Polizei, die Stadtgesellschaft und gar die HaSi-Aktivist*innen rund um den Capuze e.V.

Die HWG hat verloren, weil sie über Warnungen bzgl. von Formfehlern hinweggegangen ist und einen möglichst frühzeitigen Räumungstermin angestrebt hat, ohne letztlich alle Zweifel auszuräumen. Geradezu blamiert steht man nun da, als hätte eine Mannschaft von Amateuren diesen Tag vorbereitet. (Redaktion: Die HWG ist da ganz anderer Meinung.)

Die Polizei, weil sie mit einem Aufgebot präsent war, ohne jeden Zweifel daran zu lassen, wer die Kontrolle über die Situation hat. Ein Aufgebot, das man sich in Chemnitz oder anderenorts gewünscht hätte. Am Ende war der Einsatz in seiner Größe überdimensioniert und zugleich eine Überschätzung der Mobilisierungskraft der Aktivisten.

Man könnte meinen, die HaSi-Aktivist*innen feierten einen Sieg – Mitnichten und auch nur auf begrenzte Zeit! Eine breite Solidarisierung in der Stadt blieb aus, Unterstützung aus anderen Städten ebenfalls. Die Mahnwache an der Mansfelder Straße glich eher einem letzten Aufgebot. Seit heute ist klar – Die HaSi-Aktivist*innen haben nicht den erwartet breiten Rückhalt in der hallischen Bevölkerung. Damit wird man auf lange Sicht keinen Erfolg verzeichnen. Zudem sind unter anderem finanz- und vereinsrechtliche Konsequenzen für den Capuze e.V. zu erwarten.

Die Stadt hat verloren: Dass der Verkehr in der Innenstadt lahmgelegt wurde ist da nur das kleinste Problem. Die Debatte um die HaSi hat einen tiefen Graben in der Stadt hinterlassen. Die sprachliche Verrohung ist kaum noch auszuhalten. Die Frage der HaSi wurde zur Gesinnungsfrage gemacht, selbst die lokale Presse hat sich für eine Seite entschieden. Eine differenzierte Debatte war kaum noch möglich. Zudem hat das Thema HaSi alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Vielzahl anderer sozialer und kultureller Vereine, die das städtische Leben gestalten, ist untergegangen in der Fokussierung auf die HaSi – dem vermeintlich „soziokulturellen Zentrum“, das die Stadt dringend braucht.

Die hallische Linke hat verloren: Sie ist gespalten in der Frage um die HaSi. Zuletzt konnte selbst OB-Kandidat Hendrik Lange kein politisches Bündnis in den eigenen Reihen zustande bringen. Die Frage um die HaSi könnte ihn den Einzug in die Stichwahl kosten und das linke Bündnis weiter auseinander treiben.

Der Rechtsstaat verloren: Vor allem an Vertrauen in der Bevölkerung! Das Rechtsempfinden vieler Bürger ist gestört: Bei normalen Schuldner werden Vollstreckungen meist ohne Bedenken durchgeführt. Eine Gruppe von Besetzern, denen das Haus nicht einmal gehört, kann von Hundertschaften der Polizei jedoch nicht dazu gebracht werden, das Haus zu räumen. Für einen juristischen Laien ist dies gänzlich unverständlich.

Nicht nur die HaSis in ihren Baumhäusern sind Geschichte. Nach Meinung der JuLis haben wir gestern alle verloren.

Die bürgerliche Mitte der Stadt hat verloren: es wird zunehmend schwerer Menschen Sachverhalte zu erklären, ohne in Populismus abzuschweifen. Gerade dies treibt die bürgerliche Mitte auch in die Arme der rechten Rattenfänger.

Und wie nun weiter mit dem Scherbenhaufen. Wir müssen einen Neuanfang wagen. Die Hafenstraße 7 als Objekt hat keine Zukunft.

In Halle darf es nicht wieder aus gut gemeinter Nachgiebigkeit zur Duldung einer Hausbesetzung kommen. Aber, es muss endlich mehr gesellschaftliche Begegnungs- und Freiräume geben, in denen wir gemeinsam kulturelles, soziales und gesellschaftliches Engagement leben können. Wir müssen bestehende Vereine stärken und neuen Initiativen eine ernstgemeinte Chance bieten, solange sie sich auf rechtsstaatlicher Basis bewegen – zumal es in Halle noch eine Vielzahl gestaltbarerer Räume gibt. Darüber muss es in der Stadt und ihrem Stadtrat einen neuen geben, sonst kommen wir nicht voran. Wir müssen die Dinge wieder emphatischer und offener ansprechen und vor allem mit Respekt gegenüber einander – Vielleicht finden wir dann wieder Ziele, hinter denen sich die gesamte Stadtgesellschaft vereinen kann.

Die HaSi-Aktivist*innen dürfen ihren vermeintlichen Sieg erst einmal feiern, dann ein paar Nächte darüber schlafen und dann still und leise und erhobenen Hauptes das Grundstück verlassen. Die HaSi hat keine Perspektive, besitzt keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr in der Breite. Das Projekt muss aufgegeben werden – aber nicht das Engagement. Vielleicht an einem neuen Ort und von Beginn auf rechtsstaatlichem Weg oder in einem der vielen anderen tollen Projekte, die es in der Stadt gibt.

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