Allgemeinverfügung des Landes Sachsen-Anhalt im Wortlaut

23. März 2020 | Politik | Keine Kommentare

Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)
Ausgangsbeschränkung anlässlich der COVID-19 Pandemie
Bekanntmachung des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 22. März 2020
Das Landesverwaltungsamt erlässt auf der Grundlage des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG in
Verbindung mit §§ 4 Absatz 1, 19 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 1
Gesundheitsdienstgesetz Sachsen-Anhalt (GDG LSA) folgende Allgemeinverfügung
1.
Jeder wird angehalten, die physischen und sozialen Kontakte zu anderen Menschen
außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum
zu reduzieren. Wo immer möglich ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von1,5 Metern einzuhalten. Das Verlassen der eigenen Wohnung ist nur bei Vorliegen
triftiger Gründe erlaubt. Triftige Gründe sind insbesondere:
1.1 die Ausübung beruflicher Tätigkeiten,
1.2 notwendige Lieferverkehre und Umzüge,
1.3 die Inanspruchnahme medizinischer, zahnmedizinischer und
veterinärmedizinischer Versorgungsleistungen (z. B. Arztbesuch, medizinische
Behandlungen; Blut- und Blutplasmaspenden) sowie Besuche bei Angehörigen
helfender Berufe, soweit dies medizinisch dringend erforderlich ist (z. B.
Psycho- und Physiotherapeuten),
1.4
Versorgungsgänge für die Gegenstände des täglichen Bedarfs (z. B. Nutzung
von Geschäften im Sinne der Nr. 4.2 und Reparaturdienstleistungen). Nicht zur
Deckung des täglichen Bedarfs gehört die Inanspruchnahme sonstiger
Dienstleistungen wie etwa der Besuch von Frisören und Barbieren,
Massagepraxen, Kosmetik-, Nagel-, Piercing- und Tattoostudios und ähnliche
Betriebe,
1.5
der Besuch bei Ehe- und Lebenspartnern und eigenen Kindern, Alten, Kranken
oder Menschen mit Einschränkungen (außerhalb von Einrichtungen) und die
Wahrnehmung des Sorgerechts im jeweiligen privaten Bereich,
1.6
die Begleitung von unterstützungsbedürftigen Personen und Minderjährigen
insbesondere die Wahrnehmung des Ehrenamtes im sozialen Bereich,
1.7 die Begleitung Sterbender sowie Eheschließungen und Beerdigungen im engsten
Familienkreis,
1.8
Sport und Bewegung an der frischen Luft, allerdings ausschließlich alleine, mit
einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder mit Angehörigen des
eigenen Hausstandes und ohne jede sonstige Gruppenbildung,
1.9
das Aufsuchen von Gerichtsverhandlungen sowie die Wahrnehmung dringender Rechtsangelegenheiten und
1.10
Handlungen zur Versorgung und notwendigen Bewegung von Tieren.
2.
Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im
Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstandes
gestattet.
3.
Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 7.
August 2014 (GVBl. LSA S. 386, 443), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes
vom 8. Dezember 2016 (GVBl. LSA S. 360), sind für den Publikumsverkehr zu
schließen.
3.1
Ausgenommen sind die Belieferung, die Mitnahme und der Außer-Haus-
Verkauf. Hierbei ist sicherzustellen, dass
– ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen Personen eingehalten
wird und
– im öffentlichen Bereich einschließlich Einkaufszentren kein Verzehr in einem
Umkreis von weniger als 50 Metern zum Abgabeort stattfindet.
3.2
Bei gastronomischen Angeboten in Beherbergungsbetrieben ist auch die
Lieferung im Zimmerservice zulässig.
4.
Untersagt wird die Öffnung von Ladengeschäften jeder Art.
4.1
Von der Schließungsverfügung nach Nr. 4 ausgenommen sind der
Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken und Sparkassen, Apotheken,
Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Filialen der Deutschen
Post AG und Paketstellen von Logistikunternehmen, Tierbedarf, Fahrradläden,
Bau- und Gartenmärkte, Großhandel, Tankstellen und Kfz-Teileverkaufsstellen,
Buchhandel, Zeitungs- und Zeitschriftenhandel, Wochenmärkte, der Betrieb von
Lebensmittelhandel im Reisegewerbe, Reinigungen, Waschsalons, der Online-
Handel und Abhol- und Lieferdienste.
4.2
Bei Ladengeschäften, die ein Mischsortiment führen, ist eine Öffnung zulässig,
soweit das nach Nr. 4.1 zugelassene Sortiment einen nicht nur unerheblichen
Anteil am Gesamtsortiment umfasst.
4.3
Die zuständigen Landkreise und kreisfreien Städte können auf Antrag
Ausnahmegenehmigungen für andere für die Versorgung der Bevölkerung
unbedingt notwendige Geschäfte erteilen, soweit dies im Einzelfall aus
infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
4.4
Die Öffnung von Einkaufszentren und Kaufhäusern ist nur für die in Nr. 4.1
genannten Ausnahmen sowie deren gastronomische Einrichtungen für die
Belieferung, Mitnahme und Außer-Haus-Verkauf unter den Voraussetzungen
der Nr. 3.1 erlaubt.
5.
Die Sicherheitsbehörden und die Polizei kontrollieren die Einhaltung der
Allgemeinverfügung. Im Falle einer Kontrolle sind die triftigen Gründe durch den
Betroffenen glaubhaft zu machen.
6.
Ein Verstoß gegen diese Allgemeinverfügung kann nach § 73 Absatz 1a Nr. 6 IfSG
als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.7. Weitergehende Anordnungen der örtlichen Gesundheitsbehörden bleiben unberührt.
8.
Diese Allgemeinverfügung ist nach § 28 Absatz 3 i V m § 16 Absatz 8 IfSG sofort
vollziehbar.
9.
Diese Allgemeinverfügung tritt am 23. März 2020, 00:00 Uhr in Kraft und mit Ablauf
des 05. April 2020 außer Kraft. Die Ausgangsbeschränkungen enden am
05. April 2020, 24:00 Uhr.
Begründung:
Die Weltgesundheitsorganisation hat die Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-
CoV-2 und der dadurch hervorgerufenen Erkrankung COVID-19 am 11. März 2020 als
Pandemie eingestuft. Die Ausbreitung dieses Virus stellt eine sehr dynamische und
ernstzunehmende Belastung für das Gesundheitssystem dar. Mit einer weiteren starken
Zunahme von Fallzahlen ist zu rechnen. Entsprechend wird auch die Zahl der
schwerstkranken Personen, die intensivmedizinscher Betreuung bedürfen, ansteigen. Die
Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird derzeit durch das
Robert-Koch-Institut insgesamt als hoch eingeschätzt. Besonders ältere Menschen und
solche mit vorbestehenden Grunderkrankungen sind von schweren Krankheitsverläufen
betroffen und können ohne erforderliche Behandlungsmaßnahmen an der Krankheit sterben.
Da derzeit weder eine Impfung noch eine spezifische Therapie zur Verfügung stehen,
müssen alle Maßnahmen ergriffen werden, um die weitere Ausbreitung des Virus zu
verzögern. Nur durch eine schnell wirksame Verlangsamung des Infektionsgeschehens kann
erreicht werden, dass das Gesundheitssystem funktionsfähig bleibt.
Bisher wurden bereits zahlreiche Maßnahmen der Staatsregierung zur Verzögerung der
Verbreitung eingeleitet. Ergänzend hierzu sind weitere Maßnahmen auf Grundlage des
Infektionsschutzgesetzes erforderlich.
Zweck des Infektionsschutzgesetzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen
vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern.
Gemäß § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG kann die zuständige Behörde Schutzmaßnahmen treffen.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 IfSG kann die zuständige Behörde Personen verpflichten, den
Ort an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu
betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.Durch den vorherrschenden Übertragungsweg von SARS-CoV-2 (Tröpfchen) zum Beispiel
durch Husten, Niesen oder teils mild erkrankte oder auch asymptomatisch infizierte
Personen kann es zu Übertragungen von Mensch zu Mensch kommen. Deshalb ist es
erforderlich, die physischen sozialen Kontakte zwischen den Menschen auf ein Minimum zu
beschränken.
Die Beschränkungen sind erforderlich, um nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse
besonders vulnerable Personengruppen vor einer Ansteckung mit SARS-CoV-2 wegen der
dynamischen Ansteckung zu schützen. Die aufgeführten Beschränkungen tragen dem
Schutz der Bevölkerung Rechnung, da sie eine Ansteckung einer größeren Anzahl von
Menschen zumindest verzögern können. Die dadurch zu erreichende Verzögerung des
Eintritts von weiteren Infektionen ist erforderlich, um das Gesundheitswesen nicht zu
überlasten und die erforderlichen Kapazitäten für die Behandlung der Erkrankten, aber auch
sonstiger Krankheitsfälle bereit zu halten.
Rechtbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage
beim Verwaltungsgericht Halle, Thüringer Straße 16, 06112 Halle (Saale), erhoben werden.
Im Auftrag
gez. Wenzel

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