Tag der Landwirtschaft 2020 der AbL in Halle

2. Februar 2020 | Natur & Gesundheit | Keine Kommentare

Der Tag der Landwirtschaft der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. fand unter Beteiligung von vielen Landes- und Kommunalpolitikern am 1. Februar 2020 in der Waldorfschule in Halle/Beesen statt. Die Veranstaltung war nicht nur prominent, sondern auch außergewöhnlich gut besucht. Die hohe Anzahl der Teilnehmer, die Qualität der wissenschaftlichen Vorträge und die lebhaften Diskussionen machten die Organisatoren außerordentlich zufrieden, wie HalleSpektrum noch vor Ort mitgeteilt wurde. Kurz: Der Tag der Landwirtschaft in Halle war ein voller Erfolg.

Der Staatssekretär betete sein Grußwort herunter

Die bäuerliche Landwirtschaft hatte an diesem Samstag die volle Aufmerksamkeit der Landespolitik: Zwar fehlte die Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Energie, Claudia Dalbert, schickte aber ihren Staatssekretär für Landwirtschaft Ralf-Peter Weber, der freundliche Grußworte sprach, aber leider für die mittagliche Diskussionsrunde keine Zeit mehr fand. Die landwirtschaftlichen Sprecher der Fraktionen Bündnis90/Die Grünen, der CDU und der LINKEN, Dorothea Frederking, Bernhard Daltrup und Kerstin Eisenreich, nahmen an der Veranstaltung und der Diskussion teil. Hendrik Lange MdL besuchte den Tag der Landwirtschaft ebenso wie drei grüne Stadträtinnen aus Halle, sowie mehrere Stadträte aus verschiedenen Städten Sachsen-Anhalts.

Natürlich war dieser Tag der Landwirtschaft kein fröhliches Austauschen über Ernteerfolge und Vieherträge. Hier wurde auch nicht der größte Kürbis und die beste Milchkuh erkoren. An diesem Tag kamen Probleme und Möglichkeiten der Landwirtschaft in veränderten Zeiten zur Sprache. Der Klimawandel ist nur ein Problem, vor dem die bäuerliche Landwirtschaft steht, aber auch dieser blieb nicht unerwähnt.

Umbauprozesse notwendig.

Ein Problem ist die Düngemittelverordnung, auf die Staatssekretär Weber vom MULE in seinem Grußwort zu sprechen kam: „Die Politik hat hier 30 Jahre geschlafen“, meinte er resigniert, „Die EU hat der Bundesregierung hier die Pistole auf die Brust gesetzt.“ Die Nitratbelastung der Böden ist hoch. Da wird einiges auf die Landwirtschaft zukommen.

Georg Janßen, Bundesgeschäftsführer der AbL

Kämpferisch gab sich der Bundesgeschäftsführer der AbL, Herr Janßen: Er meinte, dass die Meinungen der unterschiedlichen Bauernverbände gar nicht so weit auseinander lägen. Es geht nur gemeinsam. Wie es eine Kohlekommission gibt, sollte es auch eine Landwirtschaftkommision geben. Denn die Kosten des notwendigen Umbauprozesses dürfen nicht bei den Landwirtenabgeladen werden. Was die billigen Lebensmittel (hier z.B. Milch) betrifft, sollte endlich Druck auf die Lebensmittelindustrie ausgeübt werden. Da helfen Almosen an die Landwirte wenig. Der Umbau müßte auch die EU-Förderung betreffen. Es könne nicht sein, das 20% der Betriebe 80% der Direktzahlungen erhielten.

In den wissenschaftlichen Vorträgen der Veranstaltung, die wir hier leider nicht ausführlich schildern können, wurden folgende Themen referiert:

Der Tag der Landwirtschaft war gut besucht

Prof. Dr. Glaser von der Universität Halle stellte den Humusaufbau und die Rolle von Ackerböden als bislang unterschätztes Potential zur Diskussion. Humus ist wichtig für Bodenfruchtbarkeit und Ökosystemfunktionen. Konventionelle Landwirtschaft verursacht einen massiven Humusschwund, der in unseren Breiten in 65 Jahren zu 50% Abbau geführt hat. „Manche Böden hier würde ich von der Humusseite her als Wüsten bezeichnen“, so Glaser. Humusaufbau könnte ein wichtiger Faktor bei der Bindung von CO2 und deswegen bei der Bewältigung des Klimawandels spielen. Der Weg dahin ist nicht ganz einfach, machten die wissenschaftlichen Ausführungen klar,

Herwig Scholz, Agraringenieur aus NRW, propagierte in Hinsicht auf den Insektenschwund mehr Weidegang. Dazu gehört auch der Erhalt bäuerlicher Familienbetriebe. Die ständigen Bekenntnisse der Politik dazu sind seit 40 Jahren eine Farce. „Unsere Gesellschaft hat es in nur 49 Jahren geschafft, dass 93% der milchviehhaltenden Betriebe meist verzweifelt aufgegeben haben. Sie versucht nun die übrig gebliebenen 7% dafür verantwortlich zu machen, dass die davon abhängigen vielfältigen Strukturen mit all ihren ökologischen Konsequenzen verloren gegangen sind.“

Agroforstsysteme als Chance bäuerliche Landwirtschaft stellte der Diplom-Forstwirt Philipp Gerhardt vor. Ganz neu ist das nicht. Bereits im 19. Jahrhundert war dies als Baumfeldwirtschaft bekannt. 21 – 37% der Treibhausgase kommen aus der Landnutzung. Die Lösung der Aufforstung bietet nur beschränkte Möglichkeiten. Zudem können wir uns bei der Aufforstung kaum mehr auf heimische Baumarten verlassen. Deswegen propagiert Gerhard die Möglichkeit des „Aufbäumen statt Aufforsten“. Lichte Waldweide-Systeme, sowie Agroforstbewirtschaftung im Keyline Design, auch dies bereits seit 1959 bekannt. Diese bietet erhöhte CO2-Speicher-, sowie erhöhte Wasserrückhaltemöglichkeiten in Dürreperionden.

Daltrup (CDU): Der Zugriff des Kapitalmarktes auf das Land muß geändert werden!

von links nach rechts: Eisenreich, Nick, Wöllert, Frederking, Daltrup

In der Diskussionsrunde mit den Landespolitikern Frederkind (Grüne), Eisenreich (LINKE), Daltrup (CDU), sowie Wöllert (Bundesvorstand AbL) und der Autorin und Landwirtin Ophelia Nick bestand die Möglichkeit, weitere Probleme untereinander und mit den Tagungsbesuchern zu diskutieren. Notwendig für Sachsen-Anhalt, um die bäuerlicher Landwirtschaft zu erhalten, ist ein notwendiges Agrarstrukturgesetz. Schon heute sind 1/3 der Betriebe in der Hand ortsfremder Investoren. Herr Daltrup drückte es so aus: „Heute bekommt das Land, wer den besten Zugang zum Kapitalmarkt hat. Das muß geändert werden!“ Für Frau Eisenreich (LINKE) kann dies nur durch eine Bodenpreisbremse ereicht werden. Die Förderung der Landwirtschaft muß an die Landwirtinnen und Landwirte, nicht an die Kapitalgesellschaften gehen. Dazu gehört es auch nach Meinung von jemanden aus dem Publikum, den Genossenschaften besser auf die Finger zu schauen. Einig waren sich alle: Es braucht faire Marktpreise, mehr Regionalität, weniger Lebensmittelverschwendung. Herr Daltrup brauchte ein Loblied der unternehmerischen Landwirtschaft ein, war sich aber mit den anderen Landespolitikern einig, dass die EU-Förderhöhe von Sachsen-Anhalt gleich bleiben muß.

Die Veranstaltung wurde beschlossen mit der Vorstellung der Arbeitsschwerpunkte der AbL durch Reiko Wöllert und der Buchvorstellung von Ophelia Nicks Buch „Neue Bauern braucht das Land“.

Klar wurde: Agroforst und Humusaufbau bieten großes Potential, gerade was den Umbau der Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels betrifft. Die vielen Politiker, die am Tag der Landwirtschaft teilnahmen, machten klar, dass dies auch langsam bei den Verantwortlichen durchsickert und wir nicht völlig verzweifelt sein müssen.

Hintergrund:

Nach eigener Selbstdarstellung versteht sich die AbL als „eine bäuerliche Interessenvertretung, die für eine nachhaltige Landwirtschaft im Sinne einer sozial- und umweltverträglichen Landwirtschaft, sowie für entsprechende Rahmenbedingungen eintritt.“ Landwirtinnen und Landwirte sind in der AbL, weil sie sich von den herkömmlichen Bauernverbänden nicht mehr vertreten gefühlt haben. Die AbL Mitteldeutschland engagiert sich vor allem in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.“

To. Kreutzfeldt, Fotos: ToK

Print Friendly, PDF & Email

Kommentar schreiben