Schon gewusst? Über Killerkeime aus Thüringen & Wuhan

15. Februar 2020 | Natur & Gesundheit | Keine Kommentare

Mehlmotte (Länge ca. 12mm)

Thüringen und Wuhan machen derzeit negative Schlagzeilen. Das war früher anders. 1911 fand der deutsche Mikrobiologe Ernst Berliner in abgestorbenen Raupen der Mehlmotte ein Bakterium. Er taufte es als Bacillus thuringiensis (B.t.), da er die Mehlmotten aus Thüringen erhalten hatte. Berliner wies das Bakterium B.t. als Todesursache nach und beschrieb damit erstmalig dessen insektizide Wirkung. Bemerkenswert ist, dass dieses Bakterium nur bei Insekten tödlich wirkt. Das weckte Hoffnungen, über ein spezifisches, biologisches Mittel zur Bekämpfung von Schadinsekten zu verfügen.
Bakterien vermehren sich gewöhnlich durch Teilung, so auch Bacillus thuringiensis. Bei ungünstigen Lebensbedingungen bilden sie jedoch bemerkenswert resistente Sporen aus, die lange Zeiträume überdauern und vermutlich sogar nach einer Reise durch den Weltraum wieder zum Leben erweckt werden könnten. Bei der Sporenbildung werden bestimmte Proteine in kristalliner Form angelagert. Solche Sporen werden von den Insekten mit der Nahrung aufgenommen. Im Darm des Wirtinsekts werden diese Proteinkristalle aufgelöst und die Proteine aktiviert. Es entstehen funktionsfähige giftige Proteine, die in den Stoffwechsel des Zielorganismus eingreifen. Sie binden an die Darmwand und verursachen dort die Entstehung von Poren. Die Darmwand wird so regelrecht perforiert. Das führt zu einem sofortigen Fraßstop, einer Art Durchfall und dann zum Austrocknen der Larven. Durch die Poren gelangen Darmbakterien in den offenen Blutkreislauf und verursachen dort eine „Blutvergiftung“, die zum Absterben des Insekts führt.

Bacillus thuringiensis mit Geißeln (ca. 10.000fach vergrößert)

Man hat verschiedene Bakterienstämme von B.t. gefunden, insgesamt weltweit etwa 50.000. Gut 3.000 Insektenarten aus mehr als 15 Ordnungen gelten als empfindlich gegenüber B.t.-Proteinen. Die insektizide Wirkung von B.t. ist auf bestimmte Gruppen von Wirten beschränkt; die Unterart Bacillus thuringiensis var. wuhanensis, ein Stamm, den man im chinesischen Wuhan gefunden hatte, wirkt z.B. nur auf Schmetterlingsraupen. Während die meisten Bacillus-thuringiensis-Stämme hauptsächlich landwirtschaftlich wichtige Schmetterlingsraupen abtöten, kann der vor wenigen Jahren isolierte Stamm Bacillus thuringiensis var. israelensis (BTI) zur Bekämpfung von Mückenlarven, die auch Überträger gefährlicher Tropenkrankheiten sein können, eingesetzt werden.
Die Schädlingsbekämpfung mit Bacillus thuringiensis ist durch die spezifische Wirkung auf bestimmte Insektenlarven sehr umweltfreundlich und das ökologische Gleichgewicht wird kaum gestört. Es ist im ökologischen Landbau ein zertifiziertes Mittel. Mithilfe der Gentechnik kann man inzwischen sogar Pflanzen herstellen, die B.t.-Giftproteine synthetisieren. In Deutschland werden B.t.-Präparate heute im Kartoffel-, Obst- und Gemüsebau, im Weinbau, im Zierpflanzenanbau, in der Forstwirtschaft sowie im öffentlichen Grün verwendet. Darüber hinaus werden B.t.-Präparate zur umweltfreundlichen Bekämpfung von Stech-, Kriebel- und Trauermücken-Larven sowie zur Bekämpfung von Raupen der Großen Wachsmotte in der Imkerei eingesetzt. (Titelbild: Larve des Tabakschwärmers, Länge ca. 10cm, Kopf rechts)

(H.J. Ferenz)

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