Schon gewusst? Pilze – Genuss manchmal mit Reue

20. September 2020 | Natur & Gesundheit | 2 Kommentare

Herbstzeit ist Pilzzeit. Aber bei dem trockenen Verlauf des Jahres dürfte in vielen Regionen die Pilzausbeute für Pilzsammler in diesem Jahr mickrig sein. Wer Pilze sammeln will, sollte sich mit diesen Fruchtkörpern auskennen. Pilze spielen eine wichtige Rolle im Naturhaushalt. Sie bauen totes organisches Material ab und machen die Bestandteile für Pflanzen wieder verfügbar. Die sehr effektive Abfallbeseitigung ist für den Naturhaushalt in unseren Wäldern sehr wichtig. Pilze wollen nicht gefressen werden. Als Fraßschutz gegen pilzfressende Insekten (z.B. Springschwänzen) haben einige potente Abwehrgifte entwickelt. In Mitteleuropa gibt es über 5000 Pilzarten; ca. 200 sind für den Menschen ungenießbar oder gar giftig. Einige Pilzsorten können beim Verzehr sogar tödliche Wirkung haben. Wenn Sie sich unsicher sind, ob ein Pilz essbar ist, lassen Sie ihn lieber stehen. Bei etlichen genießbaren Pilzen besteht Verwechslungsgefahr mit ungenießbaren Doppelgängern.

Hat man sich mit ungenießbaren Pilzen vergiftet, reagiert der Körper meist ziemlich rasch. Die ersten typischen Anzeichen einer Pilzvergiftung sind unter anderem heftiges Erbrechen, krampfhafte Blähungen, Durchfall und Fieber. Deshalb sollte man umgehend einen Arzt aufsuchen, sofern man nach dem Verzehr von Pilzen eines oder mehrere dieser Anzeichen bemerkt.

Einige Pilzgifte wirken allerdings hinterhältig erst Stunden oder Tage nach dem Verzehr. Bei anderen treten Vergiftungssymptome innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden auf. Besonders gefährlich sind Pilzvergiftungen, die sich erst nach längerer Zeit bemerkbar machen, weil die Gifte dann bereits vom Körper aufgenommen und in ihm verteilt sind. Hierzu zählen Knollenblätterpilze, die Amatoxine enthalten. Amatoxine sind Polypeptide, die durch Kochen oder Trocknen nicht zerstört werden. Sie hemmen im Organismus Zellen mit schnellem Stoffwechsel. Betroffen sind besonders die Leberzellen, weshalb sich eine Amanitinvergiftung im Wesentlichen als Lebererkrankung äußert. Die Toxizität der Amanitine ist sehr hoch. Die tödliche Dosis für einen erwachsenen Menschen beträgt um 6 mg. Schon ein einziger Pilz kann lebensgefährlich sein, da er bis zu 10 mg Amanitin enthält. Brechdurchfall tritt nach einem halben Tag auf. Vorübergehend scheint sich dann Besserung einzustellen. Dann kommt es aber zum Versagen der Leberfunktionen und nach ca. 5 Tagen ist man tot.

Ein anderer Pilz (z.B. Orangefuchsiger Rauhkopf) schädigt mit mehreren Tagen Verzögerung die Nierenfunktionen. Sein Gift, Orellanin, ist hitzelabil. Hüten sollte man sich auch vor der Speiselorchel. Sie enthält Gyromitrin, das im Körper in das giftige Monomethylhydrazin umgewandelt wird. Es verursacht Magen- und Darmbeschwerden, Leber- und Nierenschädigungen und kann zum Tod durch Leberatrophie führen. Beim Kochen wird es zersetzt, so dass genügend erhitzte Speiselorcheln weitgehend ungefährlich sind. In kleinen Mengen unterhalb der Giftigkeitsgrenze ist Gyromitrin durch Abspaltung von Methylhydrazin allerdings krebserregend. Durch mehrfaches Abkochen kann man das wasserlösliche Gift entfernen. Aber das kann ein Russisches Roulette sein. Weniger fatal wirken einige Trichterlinge und Risspilze. Sie enthalten ziemlich viel Muscarin, das Übelkeit, Atemnot und Sehstörungen verursacht. Entdeckt wurde das Gift Muscarin in Fliegenpilzen, die davon aber nur Spuren enthalten. Muscarin bindet in unserem Nervensystem ziemlich fest an Acetylcholin-Rezeptoren und löst damit eine Dauererregung aus. Als Gegengift kann hier das Gift der Tollkirsche Atropin eingesetzt werden.

Fliegen- und Pantherpilze sind weniger giftig als gemeinhin angenommen. Sie enthalten Ibotensäure, die rauschähnliche Zustände bewirkt. Mancherorts wurden sie deshalb absichtlich verzehrt. Nach ausgiebigem Abkochen und Wegschütten des Kochwassers wird der Fliegenpilz gelegentlich gegessen. Geringe Zugaben von Fliegenpilz zu einem Pilzgericht sollen deutlich den Geschmack steigern.

Einige Pilze enthalten Wirkstoffe, die ähnlich wie LSD wirken, z.B. verschiedene Kahlkopf-Arten. In diesen „Rauschpilzen“ sind Psilocybin und Psilocin für die psychischen Symptome verantwortlich. Die Suche nach psychoaktiven Pilzen ist so alt wie die Menschheit. Ihr heutiger modischer Gebrauch überdeckt ihre ursprünglich religiöse Bedeutung und das überlieferte. Wissen. Den bei uns als giftig geltenden Fliegenpilz setzten sibirische Schamanen bis heute für ihre berüchtigten Zeremonien ein. Er hat eine lange Rauschgeschichte, so alt wie die Menschheit selbst. Frühe Zeichnungen vom biblischen Baum der Erkenntnis zeigen verblüffende Ähnlichkeit mit einem Pilz. Das Wissen um die vielfältigen Eigenarten der Zauberpilze war in unseren Breitengraden Jahrhunderte lang verschüttet und tabuisiert. Meist waren es weise Frauen, die sie zu Heilzwecken oder bei magischen Fruchtbarkeitsritualen einsetzten. Heute sind sie auch ein Thema für die moderne Wissenschaft.

(H.J. Ferenz)

 

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