Schön wie eine Rose im Bauerngarten

3. Juni 2019 | Natur & Gesundheit | 4 Kommentare

Rätselpflanze

Namensgeber für unsere aktuelle Rätselpflanze war der griechische Götterarzt Paian. Der griechischen Sage nach heilte er mit Hilfe dieser Pflanze Pluton, den Gott der Unterwelt, nachdem Herakles diesen im Krieg um Pylos verwundet hatte. Die antiken römischen Dichter erzählen eine ähnliche Geschichte: Vergil sagt im 7. Gesang der Äneis, dass die Göttin Artemis den Virbios, der von den Pferden seines Vaters Theseus getötet worden war, mit Hilfe dieser Pflanze wieder zum Leben erweckte. (Es lebe die humanistische Bildung.) Ihr deutscher Name ist weniger sagenhaft, drückt vielmehr aus, wann aus ihren kugeligen Knospen imposante Blüten werden.
Sowohl wegen ihrer mutmaßlichen Heilkräfte als auch ihrer Schönheit ist die Staude fester Bestandteil eines jeden Bauerngarten geworden. Sie schmückt fast jeden Garten und viele Parks und erfreut mit ihren großen Blüten. Aus dem Mittelmeerraum brachten Benediktiner-Mönche die Pflanze nach Mitteleuropa, um sie als Heilpflanze in ihren Klöstern zu kultivieren. Gelegentlich bezeichnete man sie daher auch als Benediktinerrose. Von den Klostergärten aus gelangte sie in die Bauerngärten, wo sie neben ihrer Heilwirkung auch wegen ihrer Anspruchslosigkeit und Langlebigkeit geschätzt wurde.
Im 16. Jahrhundert war die Pflanze mit den üppigen Blüten in den Gärten bereits weit verbreitet; sie galt als „Königsblume“. 1561 erwähnt der Zürcher Arzt und Naturforscher Conrad Gessner erstmals die heute üblichen und beliebten gefüllten Blüten der Pflanze, und berichtet, dass man die ungefüllte Art nur noch selten in den Gärten fände. So ist es bis heute geblieben. Die Stauden können über Jahrzehnte am selben Ort gedeihen, ohne dass sie je ausgegraben und geteilt werden müssen. Windgeschützte Lage, nährstoffreicher durchlässiger Boden und Düngung mit gut verrottetem Mist gefallen ihr.
Bereits Theophrast, Plinius und Dioskurides verweisen auf eine mutmaßliche medizinische Wirkung, wobei beim Sammeln der Pflanzen bestimmte Regeln einzuhalten seien: „…wann sie diese Wurzel haben wöllen graben, so muss es bei Nacht geschehen, etlicher Gefährlichkeiten halben die sie bei Tag hätten müssen darüber bestehen …“. Der Ruf der Heilkräftigkeit hatte sich von der Antike bis ins 19. Jahrhundert erhalten, als sie um das Jahr 1860 doch aus den Arzneibüchern gestrichen wurde. Im Mittelalter galt sie als wirksames Mittel gegen die Gicht, sie sollte bei Kinder- und Frauenkrankheiten helfen. Hildegard von Bingen empfahl die Pflanze als Mittel gegen Epilepsie. Die Volksmedizin verwendete auch den Rauch aus den Samen zur Behandlung von „Besessenen“. Die Volksmedizin kannte noch eine andere Verwendung: Ihre Samen wurden auf Ketten aufgereiht und zahnenden Kleinkindern zum Kauen gegeben. In Bayern nannte man die Samen deshalb auch Apolloniakörner – zu Ehren der Heiligen Apollonia, der Patronin der Zahnleidenden. In der Homöopathie wird die Pflanze bei Hämorrhoiden und Analfissuren verwendet, deren Schmerzen nach dem Stuhlgang besonders lange anhalten. Die Blüten enthalten den Anthocyanin-Farbstoff Peonidin, einen Methylether des Cyanidins. Cyanidin ist in Glykosidform als Cyanin in vielen Pflanzen enthalten, darunter Rotkohl, rote Rose, Hibiskus, Blaubeere, Erdbeere, Himbeere, Pflaume, Rhabarber usw.. Wir erinnern uns an den Chemieunterricht: Die Struktur von Cyanidin ändert sich je nach pH-Wert der Umgebung. Da jede Struktur eine andere Farbe besitzt, kann eine Cyanidin beinhaltende Lösung zur Bestimmung des pH-Wertes über nahezu die gesamte pH-Skala benutzt werden.
In China gilt die Rätselpflanze als Symbol für Vornehmheit und Reichtum. In der klassischen Erotikliteratur Chinas findet sich der Blumenname oft als Anspielung auf die Genitalien.

(H.J. Ferenz)

 

Rätselpflanze letzten Woche:

Douglasie

Angesichts des unruhigen Wochenstarts, der anstehenden Prozentrechnungen, des meist schönen Wetters und der dem Herrn gewidmeten Feierlichkeiten war das Ratevolk sicher zu abgelenkt, um mit Muße nach der Pflanze der Woche zu suchen. Auch Agricolas „Hinweise“ regten keine Diskussion an. Dabei hatte der Autor gedacht, die Verbindung von Holz und Zitrone würde relativ direkt zur (Gewöhnlichen) Douglasie führen. Alles andere wäre noch ein „bisschen Wikipedia“ und Wundern über eine Schwarze Liste des Bundesamt für Naturschutz, die die Douglasie genauso einstuft wie den Riesen-Bärenklau – als invasiver Neophyt. Ursprünglich in Nordamerika beheimatet handelt es sich inzwischen in Europa um eine forstwirtschaftlich bedeutsame Nutzpflanze, die auch vielen Baumarktbesuchern als „Brett“ bekannt sein dürfte. Auf unserem Bild war ein junger weiblicher Zapfen im zeitlich begrenzten aktuellen (spektakulären?) Erscheinungsbild zu sehen. Die schiere Menge der diesjährigen Zapfen am „Lösungsbaum“, von denen es schließlich einer in das Hallespektrum geschafft hat, deutet schon auf ein gewisses Invasionspotential hin. Zum Zeitpunkt der Aufnahme war in dem betreffenden Garten aber kein wuchernder Jungbestand zu beobachten.

(F. Hirche)

Print Friendly, PDF & Email
4 Kommentare

Kommentar schreiben