Regionale Lebensmittel: Können sich Großstädte selbst versorgen?
14. Februar 2017 | Natur & Gesundheit | 4 KommentareLebensmittel aus regionalem Anbau haben in weiten Teilen der Bevölkerung einen hohen Stellenwert. Aber lassen sich Großstädte überwiegend regional versorgen? Prinzipiell ja, sagen Ernährungs- und Agrarwissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), die am Beispiel Berlins Angebot und Nachfrage von Lebensmitteln verglichen haben. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Ernährungsumschau“.
Für ihre Studie verwendeten die Wissenschaftler Daten aus der letzten Nationalen Verzehrsstudie, die detaillierte Angaben zum Essverhalten der Berliner Bevölkerung enthält, sowie Daten aus der nationalen und internationalen Agrarstatistik. Auf Grundlage dieser Daten berechnete Susanna Hönle, Absolventin der Ernährungswissenschaften der MLU, die Flächenbilanz verschiedener Lebensmittel. „Diese Bilanz vermittelt einen Überblick darüber, in welchen Produkten wie viel inländischer, europäischer und außer-europäischer Boden steckt.“ Demnach sind zum Beispiel tierische Produkte besonders ressourcen-intensiv, aber weniger von ausländischen Flächen abhängig als Obst, Gemüse und Genussmittel, wie Kakao und Kaffee.
Der Selbstversorgungsanteil der Berliner Bevölkerung liegt bei 72 Prozent. Ein Fünftel der benötigten Flächen zur Bereitstellung von Lebensmittel befindet sich dagegen außerhalb von Europa – der Rest liegt im europäischen Ausland. Insgesamt werden für die Lebensmittel-Importe nach Deutschland mehr Flächen in Anspruch genommen, als durch deutsche Exporte ausgeglichen werden. „Angesichts knapper werdender Ressourcen stellt das unsere aktuellen Konsummuster in Frage“, so Hönle weiter.
Diese negative Flächenbilanz ließe sich durch einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln – sowohl bei den Verbrauchern, als auch in der Gastronomie, dem Einzelhandel und dem restlichen Ernährungssektor – aufbessern. „Von den fast 2.400 Quadratmetern, die jede Person in Berlin durchschnittlich über den Globus verteilt für ihre Versorgung beansprucht, wird nur der Output von weniger als zwei Dritteln tatsächlich verzehrt“, sagt Ko-Autor Dr. Toni Meier vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der MLU. Allein durch weniger Abfall ergebe sich hier ein enormes Einsparpotential.
In ihrer Studie analysierten die Forscher weiter, ob das an Berlin angrenzende Brandenburg ausreichend landwirtschaftliche Flächen zur Verfügung hätte, mit denen eine weitgehende regionale Selbstversorgung möglich wäre. Das Ergebnis: Bisher bauen viele Landwirte wenige Kulturen, wie Mais, Raps und Weizen, an. Diese werden hauptsächlich als Futtermittel oder zur Energiegewinnung verwendet. Andere Kulturarten, vor allem Obst, Nüsse, Gemüse und Hülsenfrüchte, werden dagegen zu selten angebaut. Grundsätzlich wären aber ausreichend Flächen vorhanden, wenn die regionalen Versorgungsnetze dezentraler aufgestellt und die Wege kürzer wären, die Lebensmittel vom Produzenten zum Konsumenten zurücklegen müssen. Komplett auf Kiwis, Schokolade und Kaffee müssten die Verbraucher deshalb nicht verzichten, betonen die Forscher. Es reiche, die Ernährung stärker an das Angebot an regionalen und saisonalen Produkten anzupassen.
Publikation:
Hönle SE, Meier T, Christen O (2017) Land use and regional supply capacities of urban food patterns: Berlin as an example. Ernährungs-Umschau 64(1): 11-19, doi: 10.4455/eu.2017.003
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@hei-wu
ich glaube da geht dir einiges durcheinander.
Effiziente Landwirtschaft benötigt hohen Kapitaleinsatz. Das geht nicht mit einem kleinen 10ha Hof.
Was effiziente landwirtschaft heisst, steht wiederum auf einem anderen Blatt.
Es muss eben nicht bedeuten, dass Großkonzerne wie Monsanto mit ihren patentierten Saatgut und passenden Chemikalieneinsatz gezielt abhängigkeiten durchsetzen. Den ökologischen Fußabdruck der betriebenen Landwirtschaft regeln schon ein paar mehr gesellschaftliche (staatliche) Rahmenbedingungen. Und da wäre eine Agrarpolitik nötig, die sich nicht nur als Besitzstandswahrer für die ewiggestrige, chemieverseuchte Agrarlobby aufspielt.
Ebensowenig wie das Ammenmärchen vom kleinen idyllischen und romantischen bauernhof stimmt, das den Gegenpol zum pösen Großbetrieb bildet.
Streng dich an und denk einfach auch mal ein wenig dialektisch. Und denke dabei daran, dass das DDR-Konzept der LPGen schon lange dem bundesdeutschem Genossenschaftsrecht zum Fraß vorgeworfen worden ist.
Ebenso wie die staatliche Privatisierungsideologie ein zentraler Grund für die Vernichtung der ostdeutsche (und gerade auch in Halle ) Industrie ist, ist diese auch in der Landwirtschaft nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss. Aber das wäre mal ein Grund in deiner eigenen Partei für ein wenig fortschrittliches Denken zu sorgen, anstelle die eigene Konzeptionslosigkeit der DDR in die Schuhe schieben zu wollen.
@Redhall: Intensive Landwirtschaft bedeutet: großer Kapitaleinsatz, große Flächen. Keine Chance für Dich, eine vernünftige und nachhaltige Wirtschaftsweise einzufordern. Es ist Fortsetzung einer kollektivierten, brutalen Landwirtschaft, die gegenüber Deinem Modell sich nur davon unterscheidet, dass deren „Gewinne“ erklärtermaßen nicht der Gesellschaft dienen, sondern ihr nur die Verluste entschädigungsfrei aufgedrücken . Ich hoffe, du weißt, dass Kapitalgesellschaften die Schwarzerdeböden unseres Landes aufkaufen, und dafür horrende Summen zahlen. Die Kolchosenromantik ist Geschichte, und“ Fritz der Traktorist“ lebt heute von Hartz4.
Die großen Betriebe, meistens in privater und internationaler Hand, schöpfen heute ihre Gewinne aus der sozialistischen Zwangskollektivierung der Großbauern, die sich einst wiederum am bescheidenen, aber auskömmlichen Landbesitz der Kleinbauern bereichert hatten . Und dieses Loblied der Agrarkonzerne willst Du als „Linker“gerade singen. Herzlichen Glückwunsch.
Halle hätte innerhalb seines Stadtgebietes gar keine Flächen für sowas…
Eindeutig ja, aber nur mit intensiver Landwirtschaft!
Aber, die ist ja verpönt! 😉