Nach allogener Stammzelltransplantation: COVID-19-Sterblichkeit deutlich erhöht

4. Mai 2022 | Bildung und Wissenschaft, Natur & Gesundheit | Keine Kommentare

 

Patientinnen und Patienten, die eine allogene Stammzelltransplantation erhalten haben, haben ein hohes Risiko für Infektionskrankheiten mit einem schweren und potenziell tödlichen Verlauf. Das trifft auch auf COVID-19 zu. Denn die vom SARS-CoV-2-Virus verursachte Erkrankung kann zu schweren Lungenentzündungen und Lungenversagen (ARDS) mit potenziell tödlichem Ausgang führen.

Eine Forschungsgruppe unter Federführung der Universitätsmedizin Halle hat in einer Studie die Risikofaktoren, den Krankheitsverlauf und die Folgen einer Erkrankung an COVID-19 bei Patientinnen und Patienten nach allogener Stammzelltransplantation analysiert. Ihre Ergebnisse sind nun im Journal „Transplantation and Cellular Therapy“ publiziert worden.

Bei allogenen Stammzelltransplantationen erhalten Patientinnen und Patienten, die an hämato-onkologischen Erkrankungen, also Erkrankungen des blutbildenden Systems, leiden, Stammzellen von einer fremden Person. Das Immunsystem der Patientinnen und Patienten wird dafür auf ein absolutes Minimum heruntergefahren und der Körper ist nach der Transplantation entsprechend geschwächt und anfällig.

„In unsere retrospektive, multizentrische Studie im Auftrag der Deutschen Kooperativen Transplantationsstudiengruppe wurden Patientinnen und Patienten nach allogener Stammzelltransplantation eingeschlossen, die sich zwischen Februar 2020 und Juli 2021 – das heißt noch vor Verfügbarkeit der Impfstoffe – mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. Die Einteilung des Schweregrades in leichte, mittelschwere und kritische COVID-19-Erkrankungen sowie die Einteilung des Verlaufs der Pandemie in vier Phasen erfolgte nach Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts.“, erläutert apl. Prof. Dr. Lutz Müller, Leiter des klinischen Transplantationsbereichs an der Universitätsklinik und Poliklinik für Innere Medizin IV (KIM IV) der Universitätsmedizin Halle.

„Wir haben herausgefunden, dass Patientinnen und Patienten nach allogener Stammzelltransplantation im Vergleich zu Infizierten in der Normalbevölkerung ein deutlich erhöhtes Sterberisiko nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 aufweisen.“, sagt Dr. Judith Schaffrath, Erstautorin der Studie und Fachärztin an der KIM IV. In die Studie waren bis Juli 2021 130 Patientinnen und Patienten aus 14 deutschen und österreichischen Transplantationszentren mit einem medianen Alter von 59 Jahren bei der Infektion mit SARS-CoV-2 und einem medianen Zeitraum zwischen allogener Stammzelltransplantation und COVID-19 von 787 Tagen eingeschlossen worden. Die häufigsten Grunderkrankungen waren Akute Myeloische Leukämie (AML; 45,4 Prozent) und Lymphome (10,8 Prozent). Die Mehrheit (84,9 Prozent) infizierte sich in den späteren Phasen der Pandemie, das heißt in der 2. und 3. Welle, mit SARS-CoV-2. Rund 21 Prozent entwickelten eine mittelschwere COVID-19-Erkrankung, gut zwölf Prozent waren kritisch erkrankt; ein knappes Fünftel wurde auf einer Intensivstation behandelt.

„Insbesondere bei jenen Patientinnen und Patienten, die so schwer an COVID-19 erkrankt waren, dass sie auf der Intensivstation behandelt werden mussten, ist leider jeder zweite verstorben. Über alle Gruppen betrachtet lag die Sterblichkeit bei 16,2 Prozent.“, macht Schaffrath deutlich. Risikofaktoren seien eine aktive Grunderkrankung, die Infektion mit SARS-CoV-2 innerhalb von 365 Tagen nach allogener Stammzelltransplantation und ein Alter von über 60 Jahren und laufende Immunsuppression gewesen. Risikofaktoren für die Entwicklung einer mittelschweren oder kritischen Erkrankung seien gleichzeitige Immunsuppression und ein Alter von über 40 Jahren gewesen.

„Basierend auf diesen Daten und Erkenntnissen haben wir an der Universitätsmedizin Halle festgelegt, dass diese Patientinnen und Patienten, insbesondere solange die Pandemie-Situation anhält, weiterhin als Hochrisiko-Gruppe eingestuft und speziell betreut werden, um sie vor einer SARS-CoV-2-Infektion zu schützen und empfehlen dies auch entsprechend weiter.“, so apl. Prof. Lutz Müller. Es bedürfe zudem weiterer Studien, um die besten Behandlungs- und Impfoptionen für diese Patientinnen und Patienten zu identifizieren.

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