Alles über´s Ei (2)

28. März 2018 | Natur & Gesundheit | Keine Kommentare

Spiegelei, sunny side up

In Deutschland werden ca. 13 Milliarden Eier pro Jahr erzeugt. Der ProKopf-Verbrauch liegt bei ca. 218. Die große Nachfrage nach Eiern führte zu nicht akzeptabler Massentierhaltung Tierschützer und verantwortungsbewusste Verbraucher setzten sich für eine artgerechte Tierhaltung ein. Die ist inzwischen gesetzlich verankert. Bodenhaltung mit bis zu 7 Legehennen pro m² erlaubt den Tieren eine halbwegs artgerechte, stressarme Lebensweise. Bei Käfighaltung mit bis zu 20 Tieren pro m² dürften die Hennen ziemlich unglücklich sein.
Eier sind eine wertvolle Nährstoffquelle. Als Keimzelle für neues Leben sind sie besonders reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen, enthalten Proteine und Fette. 100g Hühnerei enthalten durchschnittlich u.a. 73,8g Wasser, 12,9g Proteine, 11,7g Fette, 604mg Cholesterin, 144 mg Natrium, 58mg Kalzium, 2,1mg Eisen, 221mg Phosphor, 13mg Magnesium, 190mg Vitamin A.
Proteine sind für den menschlichen Körper dann besonders wertvoll, wenn sie aus möglichst vielen Bausteinen, den Aminosäuren, bestehen, die der Mensch für sich verwerten kann. Die „biologische Wertigkeit“ von Hühnereiweiß liegt bei 100%. Das heißt, dass der menschliche Körper die Eiweiße aus dem Ei fast vollständig für sich zum Aufbau von körpereigenen Eiweißen nutzen kann (Wertigkeiten zum Vergleich: Kuhmilch 86%, Rindfleisch 76%, Kartoffeln 67%, Weizen 65%).
Das Hühnerei weist ein fast ideales Fettsäuremuster auf: 1,7 Gramm gesättigte Fettsäuren, 2,2 Gramm einfach ungesättigte Fettsäuren und 0,8 Gramm mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Im Eigelb sind große Mengen an Cholesterin enthalten. Vor Jahren wurde behauptet, dass Eier ungesund seien, weil dadurch hohe Cholesterinwerte im Blut verursacht würden, die zu Herzerkrankungen führen. Das ist aber inzwischen widerlegt. Beim gesunden Menschen ist die Bereitstellung von Cholesterin aus der Nahrung und durch Eigensynthese gut ausbalanciert. Cholesterin wird ja für viele Funktionen benötigt. Die wirklichen Auslöser von zu hohen Cholesterinwerten sind die gesättigten Fettsäuren von tierischen Fetten, der übermäßige Genuss von Süßigkeiten und zu wenig frisches Obst und rohes Gemüse im täglichen Speiseplan. Bewegungsmangel trägt auch zu einer Erhöhung der Cholesterinwerte bei.

Wir haben für Cholesterin ein cleveres Transportsystem im Blut. Da Fette und Cholesterin nicht wasserlöslich sind, müssen sie für den Transport im Blut durch die Adern „verpackt“ werden. Dabei helfen Trägerproteine, sogenannte Lipoproteine. Man findet Lipoproteine hoher Dichte (enthalten wenig Lipid) HDL und solche geringer Dichte, LDL (enthalten viel Lipid). Die meisten lebensbedrohlichen Herz-Kreislauferkrankungen beginnen mit einer Verengung und Verstopfung der Adern (Arteriosklerose) durch Ablagerung von Cholesterin. Ein hoher LDL-Wert und ein niedriger HDL-Wert gelten unter anderem als Risikofaktoren, sind also Hinweise darauf, dass ein Mensch ein erhöhtes Risiko für eine Arteriosklerose hat. Eier enthalten im Dotter Lecithin. Das bindet das Dotter-Cholesterin und verhindert so die übermäßige Abgabe von Cholesterin in das Blut.
Beim Umgang mit Eiern sollten einige wichtige Hygienegrundsätze beachtet werden, um die Gefahr einer Salmonelleninfektion zu verringern: Lagerung im Kühlschrank, Durchgaren (Salmonellen sterben oberhalb 70°C ab), Speisen mit rohem Eigelb oder Eiweiß (z.B. Sauce Hollandaise Mayonnaise, Mousse au Chocolat, Tiramisu) am besten sofort verzehren.

Vielseitiges Lebensmittel
Was kann man nicht alles mit Eiern anstellen: Braten (Spiegelei), Stocken (Omelette), Kochen (Frühstücksei), Pochieren, Backen, Verlieren, Einlegen (Soleier), Vergraben .., endlos sind offenbar die Kochideen. Grimod de la Reynieres kennt in seinem Almanach des Gourmands (1803) fast 600 Rezepte.
Wie hätten Sie denn gern ihr Spiegelei? Sunny side up or down? Mit Speckwürfeln? Auch beim Rührei sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt: mit Milch, mit Butter, mit Speck oder Schinken, mit Lachs oder Bückling, mit Kräutern wie Schnittlauch, Estragon, Sauerampfer, Petersilie, Basilikum, mit Pilzen wie Champignons, Steinpilzen, Pfifferlingen, Trüffeln, Schalotten oder mit Bratkartoffeln und mehr zu einem deftigen Bauernfrühstück arrangiert. Anlass zu Szenen einer Ehe kann das Frühstücksei geben (Loriot): 3 oder 4 Minuten? Die meisten mögen es „medium“. Also das Eiweiß fast fest und das Eigelb noch recht flüssig. 38% bevorzugen weiche Eier. Vor allem Männer. Ganz hart mögen es nur etwa 11%, da vor allem junge Menschen.

Ei hart oder weich

Schon mal pochierte Eier probiert? Man lässt ein aufgeschlagenes Ei aus einer Kelle in fast kochendes, leicht essighaltiges Wasser gleiten. Vorsichtig drehen. Nach etwa vier Minuten nimmt man das Ei mit einem Schaumlöffel heraus. Der äußere Teil des Eis gerinnt sofort und hält das Ei zusammen. Lecker auch statt in Essigwasser das Ei in eine vorbereitete Senfsauce geben. Soleier sind wohl etwas aus der Mode geraten. Früher gab es sie neben kalten Buletten in der Eckkneipe. So geht es: Eier hart kochen (10 min), Eier anschlagen, so dass die Schale rundherum Risse bekommt, dann Eier in ein großes Glas schichten, warme Würzsole drüber gießen (60g Salz, 1 TL Zucker, 1 TL Kümmel, 1 TL Pfefferkörner, Pimentkörner, Lorbeerblatt, braune Zwiebelschale, in 1 Liter Wasser aufkochen). Eier mindestens 24 Stunden, besser 2-3 Tage im Kühlschrank in der Sole ziehen lassen. Durch die Risse in der Schale zieht etwas Salz und das Aroma der Gewürze ins Ei. Und die braune Farbe der Zwiebelschale zeichnet sich wie ein Marmormuster auf den Eiern ab. Etwas mehr Geduld braucht man für „Tausendjährige Eier. In China konservierte man die beliebten Enteneier in folgender Weise: Die rohen Eier werden mit einer Mischung aus Asche, schwarzem Tee und Zitrone einbalsamiert. Dann werden sie im Boden vergraben und nach 100 Tagen wieder ausgebuddelt. Das Eiweiß wird dabei allmählich bernsteinfarben bis grau, der Geschmack erinnert an Fisch.

Aus Eiern kann man leckere gehaltvolle Getränke zaubern. Sehr beliebt ist ja Eierlikör; kann man gut selber machen: 6 Eier, 150 g Puderzucker und eine halbe Vanillestange verrühren bis die Masse schaumig und dickcremig ist. Dann schlägt man etwas langsamer weiter; gibt eine Tasse Milch und eine Tasse Sahne dazu. Abschließend 125 ml 90%igen Alkohol und etwas Rumaroma dazugeben. Kühl lagern. Aber alt wir das Getränk gewiss nicht werden. Zur Weihnachtszeit genießt man in Nordamerika Egg-Nog: Mit Zucker schaumig gerührte Eigelbe werden nach Zugabe von etwas Zimt, Muskatnuss und Vanille mit erwärmter Sahne gemischt und ein guter Schuss Rum oder Cognac zugesetzt. Eigelbe mit Zucker und Rotwein verrührt kennt man bei uns als Stärkungstrunk für durch Krankheit geschwächte Mitmenschen.
Zwar meinen wir heute Eier von Hühnern, wenn es um Eigerichte geht. Aber auf dem Speiseplan des Menschen standen und stehen auch Eier von anderen Vögeln und Tieren. Von Zuchttieren finden die Eier von Wachteln, Rebhühnern, Fasanen, Enten, Gänsen und Strauße Verwendung. Gesammelt wurden früher Eier von Kiebitzen, Regenpfeifern, Kampfläufern, Schwänen sowie Lummen. Die Eier dieser Bodenbrüter konnte man leicht erbeuten. In Südseeregionen hat man die Eier von Meeresschildkröten ausgegraben. Deren Genuss verbietet sich inzwischen aus Artenschutzgründen. An Fischeier gelangt man durch das Schlachten fortpflanzungsreifer Fische. Forellen, Stören und Lachsen wird der Rogen entnommen und durch Salzen als Kaviar haltbar gemacht. Und dann gibt es noch sogenannte Industrieeier. Die werden hergestellt, indem der Eierinhalt getrennt, aufbereitet und neu zusammengestellt wird zu Vollei, Eiweiß- und Eigelbpulver oder gar zu Stangenei.

Unentbehrlicher Küchenhelfer
Eier sind nicht nur nahrhaft. Die Eigenschaften der Eibestandteile machen diese gleichzeitig zu wichtigen Helfern in jeder Küche. Eiklar kann man zu einem steifen Eischnee aufschlagen. Setzt man diesem Puderzucker zu, bleibt die luftige Struktur nach dem Trocknen als Baisers erhalten. Eischnee unter Kuchenteig gehoben macht den Teig locker und luftig, weil die im Schnee eingeschlossene Luft sich beim Backen ausdehnt und das gerinnende Eiweiß des Eischnees strukturerhaltend erstarrt. Mit diesem Lockerungsmittel können wir Soufflés, Windbeutel und luftig-lockere Kuchen backen. Eigelb dagegen wirkt wie ein Bindemittel. Es sorgt dafür, dass z.B. Hackfleischklopse beim Garen nicht auseinander fallen. Gibt man üblicherweise ein ganzes Ei zur Fleischmasse, sorgt das Eiklar gleichzeitig dafür, dass die Masse locker wird.
Wie mischt man Öl mit Wasser? Geht eigentlich nicht. Gibt man aber einen Emulgator dazu, trennt sich die Öl-Wasser-Mischung nicht wieder auf. Emulgatoren haben nämlich ein wasserliebendes (hydrophiles) Ende und einen wasserabstoßenden (hydrophoben) Teil. Emulgatormoleküle können also zwischen der Wasser- und Ölphase vermitteln. Lezithin ist ein solcher Emulgator. Der Eidotter enthält reichlich davon. Verrührt man Öl und Wasser zusammen mit frischem Eigelb und Senf (enthält auch Emulgatoren), so bekommt man eine stabile Mayonnaise. Man braucht nur wenig Eigelb hierfür. Ein Eigelb reicht für fast 24 Liter Mayonnaise. Kräftiges Aufschlagen und leichtes Anwärmen des Öls erleichtert die Bildung feinster Öltröpfchen.
Auch zum „Klären“ eignet sich Hühnereiweiß. Eiklar gerinnt in warmen Flüssigkeiten, z.B. in Fleisch- oder Gemüsebrühe. Während es sich verfestigt, schließt es die unerwünschten Feststoffe in der Brühe ein und bildet an der Oberfläche einen Schaum, den man dann nur noch abheben muss. Eier im Nudelteig machen diesen aromatischer und fester. Ob Eier im Nudelteig verwendet werden, hängt neben den geschmacklichen Vorlieben auch von der jeweiligen Nudelsorte ab. Nudelteige mit Ei eignen sich besonders gut zur Herstellung von Bandnudeln wie Tagliatelle, Fettuccine oder Pappardelle.

Und das noch…
Schon im 13.Jhdt. stritt man darüber, ob man ein gekochtes Ei aufschlägt oder aufschneidet. Das Klöpfeln, Sitte bei den Mönchen, weil die kein Messer hatten, wurde in die vornehmen adligen Kreise übernommen. Das Volk dagegen köpfte die Eier ohne Umstände. Im 16.Jhdt. stritt man heftig in bürgerlichen Kreisen über die altmodische höfische großkotzige Eierklopferei und das barbarische Eierköpfen. Das mündete in Wirtshäusern oft in blutigen Messerstechereien, so dass man in Gasthäusern Eier vorzugsweise als Omelett, Rührei und Pfannkuchen servierte.

H.J. Ferenz

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