Alles für die halleschen Steinbeisser

1. April 2020 | Natur & Gesundheit | 3 Kommentare

Ein Herz aus Stein ist eigentlich die Härte an sich. Die durch Buch und Film bekannten Steinbeisser sehen darin jedoch eher einen Snack für zwischendurch. Mehr als einen Snack bietet seit Jahrzehnten die Stadt Halle diesen gemütlichen und genießerischen Knabbertieren. Auf städtischem Gelände wurde geradezu ein Bufett aufgebaut. Granit in den vielfältigsten Formen, von Kloß bis Pommes ist alles dabei. Das immense Angebot liegt mitten im Wald in der Nähe vom Schwarzenerlenweg in Kröllwitz.

Die halleschen Steinbeisser können die angefahrenen  Mengen unmöglich allein vertilgen. Da die Örtlichkeit verkehrstechnisch gut erschlossen ist und sich auch eine Tankstelle in der Nähe befindet, können sie sich auch Besuch von auswärts einladen. Alllerdings bedeutet einmal Volltanken bei einem Steinbeissermobil, das die Tankstelle dann leergesogen ist. Der gut abgelagerte Brockengranit ist für diese Spezies geradezu ein Leckerbissen. Ein limitierender Faktor könnte bezüglich der Anreise der lieben Verwandtschaft die Tragfähigkeit der halleschen Saalebrücken sein, da ein Steinbeisser zusammen mit seinem Gefährt im wahrsten Sinne des Wortes tonnenschwer ist.

Halle ist steinreich!

Wer jetzt meint, er könne sich mal so eben von der Anwesenheit der Steinbeisser überzeugen, den muss man leider enttäuschen. Aufgrund ihrer fast perfekten Unauffindbarkeit gibt es so gut wie keine gesicherten Erkenntnisse über ihren Lebenswandel. Man ist auf Indizien angewiesen, z. B. können das Bissspuren an ihren Essensresten sein. Ihr unendlich langsamer Stoffwechsel führt dazu, das sie schlecht bis überhaupt nicht von ihrer Leibspeise zu unterscheiden sind. Wie es Michael Ende geschafft hat, sie aufzuspüren, ist mir ein felsenschweres Rätsel. Anscheinend gelang doch die Nachweisführung. Das kann aber nur in einer Zeit gewesen sein, als der Wind von der Märchenwiese wehte und ein Hallore vor Ort war, der gleichzeitig Sonntagskind ist.

Laut seiner Überlieferung neigen Steinbeisser zu Kannibalismus an ihresgleichen, wenn nicht genügend Nahrung vorhanden ist. Insoweit ist der Abteilung Umwelt der Stadtverwaltung Halle hoch anzurechnen, das sie jahrzehntelang Anregungen und gesetzlichen Anforderungen widerstanden hat, dieses Steinmeer zu beräumen. Natürlich beinhaltet das Anlocken von Steinbeissern auch Risiken. Wenn sich diese überproportional ausbreiten, dann sind viele stein- und liebgewordene Orte wie z. B. der Lehmannfelsen akut gefährdet. Der wäre dann im Fall des Falles nur noch in unserer Erinnerung vorhanden, genauso wie das Reich der kindlichen Kaiserin.

Trotz aller Einwände ist heute nun der wohlverdiente Augenblick gekommen und das Steinmeer im Kröllwitzer Wäldchen wird zum weiltweit ersten Steinbeisserschutzgebiet erklärt. Und passend zur quasi unauffindbaren geschützten Spezies ist es unmöglich gewesen, Ort und Zeit der Untersschutzstellungszeremonie herauszufinden. Aber das ist für Halloren, Hallenser und Hallunken ein recht geringes Übel. Endlich wissen wir nun, warum diese Unmengen behauener Granit im Erholungswald liegen!

Weitere Beweisfotos für den Steinwald von Halle:

Andreas Müller, Fotos: ToK

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