Wie Beethoven von der Popmusik entdeckt wurde

8. Februar 2020 | Kultur | Keine Kommentare

Beethovens 250. Geburtstag steht dieses Jahr an (16. Oder 17.Dezember). Beethoven war in seiner Zeit ein gewiefter Tastenlöwe, kümmerte sich kaum um Konventionen, pflegte sein Image als Frauenheld, wobei seine Affären aber nicht lange hielten (verheiratet war er nie). Er wusste seine Kompositionen gewinnbringend zu vermarkten. Einnahmen hatte er auch als Musiklehrer, wobei er allerdings hohe Ansprüche an seine Schüler stellte. Seine Schülerinnen mussten kein Talent haben, heißt es … 70x zog er in 30 Jahren um, oft vermutlich auch, weil er mit seinem nächtlichen Komponieren Streit mit seinen lärmgeplagten Nachbarn verursachte. So unkonventionell und spektakulär wie sein Leben, waren auch seine kompositorischen Einfälle. Im Gefolge der Französischen Revolution veränderte sich auch seine soziale Situation, sein Komponierverhalten. Alles, was die alte Gesellschaft hinterlassen hatte, wurde auf seine Tauglichkeit für die Zukunft geprüft, ergänzt und verändert.
Ähnlich verhielt es sich mit einer neuen Musikrichtung der 1950er- und frühen 1960er-Jahre und das damit verbundene Lebensgefühl einer Jugend-Protestkultur: dem Rock´n Roll. Jazz-, Blues-, Country-, Gospel-Musik verschmolzen zu einer neuen Musikrichtung. Chuck Berry führte in die Rock´n Roll Richtung seinen agressiven Gitarrensound ein. In seinem Song „Roll over Beethoven“ (1956) versucht er den Rock ’n’ Roll in humorvoller Arroganz mit der Musik Beethovens und Tschaikowskis gleichzusetzen und ist überzeugt, dass beide überrascht und begeistert sein würden. Der Songtext kündigt den musikalischen Generationenwechsel an, denn Beethoven und Tschaikowski sind überholt, Rock ’n’ Roll ist die Musik der Gegenwart. Diese Message griffen überzeugt die Beatles auf. (s. u. Musikbeispiele 1 & 2)
Andere Bands versuchten klassische Megahits mit dem neuen Lebensgefühl zu verbinden, neu zu interpretieren und in die Gegenwart zu holen. Da reichten u. U. schon die ersten 4 Töne aus, wie in Beethovens Fünfter. Die symphonische Rock-Formation aus Holland „Ekseption“, die hauptsächlich mit Neuinterpretationen klassischer Werke bekannt wurde, landete mit ihrem Arrangement von Beethovens Fünfter einen Hit. Sie mixten clever die orchestrale Version dieser Symphonie mit ihrer Interpretation des Ohrwurm-Themas. Die Gruppe bestand von 1967 bis 1975. (Musikbeispiel 3)
Ähnlich experimentierfreudig war die 1967 gegründete Rockband „The Nice“. Die Gruppe mit Musikern wie Keith Emerson vereinte in ihrem Musikstil Jazz und Rock mit der klassischen Musik. Zu ihren Interpretationen gehören beispielsweise Werke von Leonard Bernstein, Johann Sebastian Bach und Jean Sibelius. (Musikbeispiel 4)
Zu nennen wäre da noch die Band „Vanilla Fudge“. Deren LP „The Beat Goes On“ von 1968 enthält Adaptionen von Beethoven (Für Elise, Mondschein-Sonate). (Musikbeispiel 5). Die Pop-Bands hätten sich vielleicht noch mehr für Beethoven engagiert, wenn sie gewusst hätten, dass er z.B. in seiner Fünften Bezüge zur Musik der Französischen Revolution eingebaut hatte. Die Begeisterung der Pop- und Rockbands für Klassik hielt nicht lange an und verlief dann still im Sande.
Dann entdeckten aber Unterhaltungsorchester die poppigen Se(a)iten von Ludwig. Walter Murphy, James Last, Waldo de los Rios und Raymond Lefevre bedienten mit weichgespülten Beethoven-Stücken den nach Unterhaltungsmusik lechzenden Publikumsgeschmack. Beethoven to go. (Musikbeispiele 6, 7, 8, 9). Gefällig und nicht weltbewegend.
Um klassisch gebildet mitreden zu können, sei abschließend Vinheteiro am Piano zur Schließung von Bildungslücken empfohlen mit „10 Beethoven Songs that you have heard but don´t know the name“. (Musikbeispiel 10)

 

Es folgen links zu den Musikvideos:
(1) Chuck Berry: Roll over Beethoven (1956): https://www.youtube.com/watch?v=kKlzUKLOm_U
(2) The Beatles: Roll over Beethoven (1964) remastered: https://www.youtube.com/watch?v=Hz5jXwOXgKQ
(3) Ekseption: The 5th (1969): https://www.bing.com/search?q=ekseption+the+5th&form=EDNTHT&mkt=de-de&httpsmsn=1&msnews=1&plvar=0&refig=cb002b9f69374ea5d8750e4d945b9653&sp=1&qs=HS&pq=ekseption+&sk=PRES1&sc=8-10&cvid=cb002b9f69374ea5d8750e4d945b9653&cc=DE&setlang=de-DE
(4) The Nice: Bach: Brandenburger Concerto (1969): https://www.youtube.com/watch?v=2GFL2ZF2olI
(5) Vanilla Fudge Fur Elise/Moonlight Sonata (1968): https://www.bing.com/videos/search?q=vanilla+fudge+Beethoven&view=detail&mid=9BE020D64151C179B76D9BE020D64151C179B76D&FORM=VIRE
(6) Walter Murphy: A Fifth of Beethoven (1976): https://www.bing.com/search?q=walter+murphy+a+fifth+of+beethoven&form=EDNTHT&mkt=de-de&httpsmsn=1&msnews=1&plvar=0&refig=97576cf5d35c4542b178536c2df57fb3&sp=2&qs=AS&pq=walter+murphy&sk=AS1&sc=2-13&cvid=97576cf5d35c4542b178536c2df57fb3&cc=DE&setlang=de-DE
(7) James Last: Beethoven – BEETHOVEN – Adagio cantabile – Sonate nº 8 op. 13 (PATHETIQUE) https://www.bing.com/videos/search?q=james+last+pathetique&view=detail&mid=FD55D4061B1B3D3CCC0FFD55D4061B1B3D3CCC0F&FORM=VIRE
(8) Waldo de los Rios: https://www.bing.com/videos/search?q=waldo+de+los+rios+beethoven&view=detail&mid=19C1B65F8A286ADA330519C1B65F8A286ADA3305&FORM=VIRE
(9) Raymond Lefevre: Beethoven Adagio de la Sonate Pathétique (1972) https://www.youtube.com/watch?v=5diOvU6liQo
(10) Vinheteiro „10 Beethoven Songs that you have heard but don´t know the name: https://www.youtube.com/watch?time_continue=141&v=dHcm9sS94iE&feature=emb_title

(H.J. Ferenz)

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