#Weltgeschichte in anderthalb Stunden

21. September 2019 | Kultur, Rezensionen | Keine Kommentare

Einst gab es ein Ding, das hieß Theatrum mundi. Das war ein mechanisches Theater, bei dem auf mehreren Laufbändern hintereinander flache Figuren mit ausgetüftelter Mechanik große geschichtliche Ereignisse darstellten – als Attraktion auf Jahrmärkten oder im Zusammenhang mit klassischem Marionettentheater.

Ein solches Ding steht nun in der Spielstätte des Puppentheaters im Puschkinhaus und Regisseur Reinald Grebe hat es zu neuem Leben erweckt. Grebe spielt selbst, zusammen mit Tilla Kratochwil und Lars Frank. Der Abend ist ein großes Vergnügen. Vor allem wegen der Bühne und den unzähligen Figuren, Utensilien und Landschaften, die sie auf den kleinen Laufbändern bevölkern. Entworfen und gebaut hat sie Bühnenbildner Hamster Damm (wenn das mal kein Künstlername ist). Erzählt wird auf amüsante und kurzweilige Art nicht weniger als die Geschichte der Welt. Natürlich beginnt es mit Gottes Schöpfung, ausgeführt von Lars Frank, der diese Welt mit lustvoll gestalteten Flachfiguren bevölkert. „Und siehe, es war sehr gut.“ Erzählt und bebildert werden in knapper kurzweiliger Form Geschichten wie die von Prometheus, der Schlacht von Marathon, der Untergang von Pompeji, Die Reise des Kolumbus und die Geschichte vom Ei des Kolumbus, die französische Revolution und die humanen Vorzüge der Guillotine erscheinen, Der Brand von Moskau, eine 28-Grad-Hitzewelle im alten Halle. Der Erste Weltkrieg wird erzählt mit Hilfe vieler Eierwaggons und einem Panzer, der mechanisch die Eier aus den Waggons wirft. Der Sinn wird unterstützt von einem kurzen Video mit Originalaufnahmen. Das ist eindrucksvoll mit knappsten Mitteln. Dann zieht das 20. Jahrhundert als Panoptikum vorbei mit Figuren und Symbolen dieser Zeit. Ziemlich abrupt bricht das Ganze ab. Die drei Spieler setzen fort mit mit Geschichten aus ihrem eigenen Leben, die ja auch die Zeit spiegeln. Phantastisch wie Tilla Kratochwill, die nichts wegwerfen kann, den Rührbesen ihrer Großmutter präsentiert. Sie macht das so in aller Ruhe, daß es einfach schön ist.

Es ist ja bekannt, daß Reinald Grebe gut singen kann. Das zeigt er auch an diesem Abend. Sehr bewegend ist zum Beispiel sein „Ein feste Burg ist unser Gott“ mit einem eigenen Text.

Der Abend endet in einem furiosen Selfie, das auf die Leinwand übertragen wird. Da ist die Inszenierung in der absoluten Gegenwart angekommen, im hier und jetzt. #geil

Ich bin mir nicht sicher, was mehr fasziniert. Diese unglaubliche mechanische Phantasie, also die Technik. Oder die Art und Weise, wie das kleine Ensemble diese Technik präsentiert. Man kann beides wohl nicht voneinander trennen.

Die nächsten Vorstellungen sind am 05. Oktober 2019 und am 06. Oktober 2019 jeweils 20.00 im Puschkinhaus.

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