Vom Tunnel zum Tagtraum

18. Juli 2017 | Kultur, Rezensionen | 2 Kommentare

Viel Kunst gab es letztes Wochenende in Halle: Die Burg hatte zu ihrer Jahresausstellung geladen und die Hallenser strömten, um zu sehen, was die Jungen so machen. Auf der anderen Seite der Saale hingegen, in der Talstraße, wurde die Ausstellung eines halleschen Altmeisters eröffnet: Uwe Pfeifer, und auch da kamen viele. Handelt es sich hier doch um einen Maler, der, in Halle geboren, aufs innigste mit der Stadt verbunden und damit berühmt geworden ist, dass er das oft geschmähte Halle-Neustadt zu einem großartigen Sujet der Gegenwartskunst gemacht hat. Er hat die Platte nämlich so gemalt, dass sie zur Metapher geworden ist nicht nur für die Widersprüche der DDR, sondern der Moderne überhaupt: des Widerspruchs zwischen Traum und Wirklichkeit, Phantasie und Beton, Natur und Zivilisation, Weite und Begrenzung. Das war in den 70er und 80er Jahren, und die DDR konnte nicht umhin, ihm dafür auch gelegentlich einen Preis zu überreichen.

Fortentwicklung der Motive

U. Pfeifer: Tagtraum (2011)

Vielleicht war es deshalb nach 1990 stiller um ihn geworden. Unbeirrt hat er weiter gemalt. Nun, da er 70 geworden ist, wird der Meister auch in seiner Heimatstadt endlich wieder repräsentativ ausgestellt und es zeigt sich die Zeiten übergreifende Kontinuität seines deutungsoffenen, aber nie verrätselten Werkes. In seiner präzisen, scharf umrissenen Gegenständlichkeit und verfeinerten Farbglätte hat er seine Themen und Motive variiert und fortentwickelt. Neben die synthetisch-schönen Frauen von einst sind, vor allem in den „Tagtraum“-Bildern, neue Figuren getreten: der Muskelprotz am Geldautomaten, der Trinker, die Alten (selbst der Phantasie-Indianer sitzt mittlerweile im Rollstuhl!). Neben solchen surrealen Bildern sind in der Talstraße auch jüngere großformatige, fotorealistische Landschaften und Porträts zu sehen.

Hallescher Romantiker

U. Pfeifer: Poetischer Moment (1973)

Das Besondere an dieser Schau ist, dass neben Bildern Uwe Pfeifers auch seine Anreger und Vorbilder mit ausgestellt sind: etwa Werke seiner Lehrer Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke, die klar machen, dass Pfeifer zur Leipziger Schule gehört, auch wenn der Kunstmarkt ihm dieses einträgliche Label nicht aufgeklebt hat, vielleicht, weil er eben in Halle lebt. Oder Karl Völker, der andere, viel zu wenig gewürdigte große Maler aus Halle. Nur Caspar David Friedrich fehlt, aber dass die Romantik wichtiger Bezugsrahmen für Pfeifer ist, erkennt man auch so, von den frühen Neustadt-Bildern bis zu den jüngsten Landschaften: Immer gibt es in ihnen Wartende oder eine Beleuchtung, die über das Gezeigte hinaus auf etwas Anderes, Geheimnisvolles verweisen.

Hingehen und anschauen!

Kunsthalle Talstraße: Uwe Pfeifer. Wahlverwandte und Idole. Noch bis zum 15. Oktober 2017

Und ab 3. 9. bis 12.11. 2017: Uwe Pfeifer. Beton und Träume. Kabinett-Ausstellung in der Moritzburg

Eva Scherf

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