Stellungnahme der Oper Halle
3. Mai 2017 | Kultur | 6 KommentareHalleSpektrum hatte bereits mit Florian Lutz telefoniert und seine Sorgen vernommen. Im MDR gab jetzt eine Stellungnahme der Oper Halle zur finanziellen Situation und zu den Zuschauerzahlen des Hauses in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres, die wir nun auch übernehmen dürfen. Und das möchten wir gerne tun und diese in voller Länge dokumentieren:
Die lebhaften Diskussionen der letzten Tage in der Öffentlichkeit über die finanzielle Situation der Oper Halle und damit verbunden über unser künstlerisches Programm zeugen von der Bedeutung, die das Opernhaus in der Wahrnehmung vieler Menschen einnimmt. Wir begrüßen die kontrovers geführte Auseinandersetzung. Sie ist notwendiger Teil einer lebendigen Verständigung darüber, wofür Oper in einer modernen Stadtgesellschaft stehen soll. Als Künstler sind wir dringend auf diese angewiesen, da wir nicht im luftleeren Raum arbeiten, sondern konkret und vor Ort für und mit den Menschen der Stadt Musiktheater machen.
Der verantwortungsvolle und gewissenhafte Umgang mit Zuschauerzahlen und Erlösen aus Kartenverkäufen sowie die regelmäßige Überwachung unseres Budgets gehören neben der künstlerischen Arbeit zu unseren täglichen Aufgaben und sollen selbstverständlich auch in der Öffentlichkeit thematisiert werden. Allerdings wünschen wir uns eine differenzierte Debatte. Eine Diskussion anhand von kolportierten, teilweise auf Schätzungen basierenden und nicht konkret hinterlegten Zahlen, wie es momentan der Fall ist, halten wir weder für glücklich noch produktiv. Wir haben an der Oper Halle eine programmatische und künstlerische Neuausrichtung vollzogen, bei der wir viel Altbewährtes fortsetzen aber auch entschieden neue Wege gehen. Ästhetische und inhaltliche Kontroversen gehören zu einem solchen Prozess dazu wie auch eine Umorientierung von Zuschauergruppen. Zeitweilige Schwankungen der Zuschauerzahlen sind dabei zwar keinesfalls erwünscht wohl aber nicht außergewöhnlich. Wandel braucht Zeit und beinhaltet Beschäftigung mit den Dingen um auch Bekanntes im Neuen zu entdecken.
Konkret sind zur Zuschauerentwicklung und Einnahmesituation der letzten vier Monate folgende fünf Dinge festzustellen:
Erstens lässt sich anhand vermehrt nachgefragter ermäßigter Karten beobachten, dass zunehmend junge Menschen die Oper Halle besuchen. Das wirkt sich zwar negativ auf die Einnahmen aus, weil Schüler und Studenten unsere Vorstellungen zu einem vergünstigten Eintrittspreis besuchen können. Kulturpolitisch halten wir diese Entwicklung für sehr wichtig und unterstützenswert, da hier Musiktheater auch für junge und neue Zuschauer attraktiv wird. Nachwachsende Generationen für die Oper zu interessieren und zu begeistern erachten wir als einen ganz wichtigen Teil unserer Arbeit, der langfristig das Weiterbestehen und die gesellschaftliche Rechtfertigung unserer Institution garantiert.
Zweitens fanden in dem öffentlich zitierten Vergleichszeitraum Januar – April 2016 mehrere lukrative Gastspiel der Oper statt, während wir im Frühjahr 2017 nur auf ein einziges Gastspiel von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ bei den Kurt – Weill – Festspielen in Dessau gefahren sind. Mehr als ein Drittel der behaupteten Einnahmedifferenz gegenüber dem Vorjahr resultiert aus diesem Sachverhalt und hat insofern mit dem künstlerischen und finanziellen Erfolg unserer Opernproduktionen an der Theaterkasse in Halle nichts zu tun. Akquise und Verhandlung von Gastspielen fallen in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung. Das Ausbleiben weiterer Gastspiele resultiert nicht aus einem Versäumnis, sondern hängt mit dem personellen Wechsel und der Neubesetzung des Amtes mit Stefan Rosinski im Sommer letzten Jahres zusammen – einem Zeitpunkt zu dem bereits die gesamte laufende Spielzeit geplant war. Selbstverständlich arbeiten wir gemeinsam mit unserem neuen Geschäftsführer daran, für die kommenden Spielzeiten wieder mehr Gastspiele für die Oper Halle einzuwerben.
Drittens wurden im Vorjahreszeitraum knapp 5000 Besucher kostenloser Veranstaltungen wie Einführungen, Kostproben, Kostümverkäufen und ähnlichem als Zuschauer verbucht, während in diesem Jahr ausschließlich verkaufte Tickets erfasst wurden. Der öffentlich diskutierte Zuschauerrückgang ist dahingehend zu relativieren.
Viertens haben wir die Spielzeit noch nicht beendet, es liegen noch zwei Monate mit einer Vielzahl unterschiedlicher und spannender Opernabende vor uns, die im Rahmen der Internationalen Händelfestspiele auch sechs, in der Regel außerordentlich gut besuchte und finanziell einträglich Opern – Veranstaltungen umfassen. Insofern möchten wir darum bitten, unsere erste Bilanz nach einer gesamten Spielzeit abzuwarten – wie es auch allen anderen künstlerischen Teams nach einem Neustart eingeräumt wird.
Fünftens:Als Leitungsteam der Oper haben wir eine große Verantwortung für die KünstlerInnen und MitarbeiterInnen an unserem Haus. Wenn pauschale und ungeprüfte Zahlen von den Medien kolportiert werden, führt dies zu einer heftigen Beeinträchtigung unserer künstlerischen Arbeit, weil die Mitarbeiterinnen unverhältnismäßiger Weise beunruhigt werden. Auch deshalb bitten wir für die Zukunft darum, ausschließlich offizielle Zahlen zu nutzen, die von uns bestätigt wurden.
Im Übrigen gilt die alte Regel: Debatten verlieren ihre Ernsthaftigkeit und Legitimität wenn man sie gegeneinander statt miteinander führt. Wir haben seit Beginn der Spielzeit zahlreiche Formate installiert um mit allen Zuschauern in eine offene Diskussion über die Oper in den Dialog zu treten. Diese Haltung wünschen wir uns auch unserer eigenen Arbeit gegenüber und laden ein, die neusten künstlerischen Entwicklungen im Rahmen einer Podiumsdiskussion im großen Haus der Oper am 14. Mai 2017 mit allen interessierten, enthusiastischen und kritischen Zuschauerinnen und Zuschauern zu diskutieren.
Die künstlerische Leitung der Oper Halle
Florian Lutz
Dr. Veit Güssow
Michael v. zur Mühlen
Kommentar schreiben
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
So komplex ist das alles doch gar nicht.
Wenn man wirklich „mit und für die Menschen der Stadt “ Oper macht, wäre das Haus doch voll.
Die PREMIERE (!!!) von „Bremer Freiheit“ und „Herzog Blaubarts Burg“ war geschätzt zu 1/3 besucht.
Ein trauriger Rekord…
Ich habe schon immer vermutet, dass es der MZ an Differenzierungs- und Urteilsvermögen fehlt. Insbesondere für die Darstellung komplexerer Zusammenhänge scheint die Druckerschwärze zu fehlen.
Es scheint sich ja auch nicht so sehr die Kulturredaktion (wenn es sie noch gibt), sondern die Lokalredaktion um die Oper „zu sorgen“.
Schlimm klingen solche Töne, die einen an den Sprachduktus der Zeit vor 1989 erinnern: „und vielen langjährigen Opernfreunden eine beispiellose Kulturdebatte ausgelöst – als scharfe Kontroverse auch über die Programmgestaltung des neuen Opern-Leitungsteams (siehe die Leserbriefe auch der letzten Woche). Tenor ist, dass insbesondere ältere und angestammte Opernfreunde sich nachhaltig vergrault fühlen. – Quelle: http://mobil.mz-web.de/26836442 ©2017″
Es lebe die „Freiheit“!!!
„Ich les mich weg“, halt. Man muss eben Platz sparen. „Ich druck was weg“.
Schön, dass Hallespektrum die gesamte Stellungnahme von Herrn Lutz abdruckt. Man muss Beschuldigte auch zu Wort kommen lassen. Für mich sind seine Ausführungen schlüssig und sehr erhellend.
Die MZ führt derweil die Kampagne weiter, mit Weglassen und verkürzten Zitaten:
http://www.mz-web.de/halle-saale/podiumsdiskussion-geplant-halles-opern-chef-lutz-plant-eine-debatte-26836442
Mich hat übrigens die Raumbühne und der „Holländer“ sehr beeindruckt. Damit gehöre ich wohl eher zu den jüngeren, nicht angestammten Opernfreunden.