Shakespeare & die Bienen

9. April 2022 | Buchtip, Kultur | Keine Kommentare

Shakespeare kannte sich mit Bienen gut aus. Diese Erkenntnis wirft ein interessantes Licht auf seine Dramen. Wollte er Hamlet u.a. eigentlich gesellschaftskritisch sagen lassen: „To bee or not to bee – that is the question?“. Shakespeares Werke enthalten häufig Bezüge zu Bienen und Bienenhaltung. Das war zwischen 1591 und 1611. Damals war das Leben der Honigbienen noch ein großes Mysterium. Die von Shakespeare benutzten Bezüge und Vergleiche weisen aber darauf hin, dass er und seine Zuhörerschaft eine gute Kenntnis über die Imkerei hatten. Diese Beobachtung wurde sogar als ein wichtiger Hinweis auf die reale Existenz von William Shakespeare gewertet. War er gar ein dichtender Imker?

Fasziniert vom Verhalten der Bienen dienen seine Beschreibungen oft als Metapher für menschliches Verhalten und politisches Agieren. Von „the bee, tolling from every flower“ (Henry IV.) bis zu den „stinging bees“ in Titus Andronicus reichen seine Anspielungen auf das hierarchisch geordnete Leben im Honigbienenvolk.

Dass es im Bienenvolk eine Aufgabenverteilung gibt, beschreibt Shakespeare besonders ausführlich in Heinrich V. in der Szene, in der der Erzbischof von Canterbury versucht, Heinrich V. davon zu überzeugen, dass  er in Frankreich einfallen kann, ohne seinen Thron zu gefährden. Er beschreibt die Arbeitsteilung im Bienenvolk:

„Die Honigbienen, Kreaturen,

Die durch die Regel der Natur uns lehren

Zur Ordnung fügen ein bevölkert Reich.

Sie haben einen König und Beamte

Von unterschiednem Rang, wovon die einen,

Wie Obrigkeiten, Zucht zu Hause halten,

Wie Kaufleut‘ andre auswärts Handel treiben,

Noch andre wie Soldaten, mit den Stacheln

Bewehrt, die samtnen Sommerknospen plündern

Und dann den Raub mit lust’gem Marsch nach Haus

Zum Hauptgezelte ihres Kaisers bringen. 

Der, emsig in der Majestät, beachtet,

Wie Maurer singend goldne Dächer baun;

Die stillen Bürger ihren Honigkneten;

Wie sich die armen Tagelöhner drängen

Mit schweren Bürden an dem engen Tor;

Wie, mürrisch summend, der gestrenge Richter

Die gähnende und faule Drohne liefert

In bleicher Henker Hand.“

Mit der festgelegten Hierarchie ihm Bienenvolk befasst sich auch Laline Paull in ihrem Roman „Die Bienen“. Sie schildert einfühlsam das Schicksal der außergewöhnlichen Säuberungsbiene Flora mit der Nummer 717. Flora macht Karriere im Bienenstock, darf sich aber nicht fortpflanzen. Das ist allein der Königin vorbehalten. Mit ihren Duftstoffen diktiert sie die Aufgabenteilung. Als Flora doch eines Tages ein Ei legt, muss Flora um das Leben ihres Kindes kämpfen. Die spannende Geschichte wird ausgesprochen poetisch, sensibel und parabelhaft erzählt. Sie ist als Metapher über eine autoritäre Gesellschaft zu verstehen, in der Selbstverwirklichung nicht geduldet ist. Ein lesenswertes Bienenbuch für Erwachsene, fernab von  den Abenteuern der Biene Maja. To be or not to bee – beängstigend aktuell.  

(H.J. Ferenz)

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