Schon gewusst? Mendelsson Bartholdy und Agfa

14. März 2020 | Kultur | Keine Kommentare

Historische Farb-Probensammlung TU Dresden

Wenn der Name Mendelssohn-Bartholdy fällt, denkt man an wundervolle musikalische Kompositionen von Felix Mendelssohn-Bartholdy und nicht an Anilinfarben. Vielleicht erinnert man sich auch an das Maltalent in ihm. Sein Sohn Paul Mendelssohn-Bartholdy hatte jedoch nichts mit Musik am Hut, sondern wurde ein bedeutsamer Farben-Chemie-Industrieller. Alles begann damit, dass der Komponist und Dirigent Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) 1835 von Düsseldorf nach Leipzig zog. Man hatte ihm wiederholt die dauerhafte Leitung der Gewandhauskonzerte in Leipzig angeboten. Seine Konzerte wurden mit Begeisterung aufgenommen. 1836 verlieh man ihm sogar anerkennend die Ehrendoktorwürde. Sein Glück krönte der Komponist 1837 mit der Hochzeit mit Cecilie Jeanrenaud, „eine schlanke Gestalt, die Gesichtszüge von auffallender Schönheit …“. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor. Als drittes Kind kam Paul 1841 zur Welt. Der heranwachsende Paul absolvierte eine kaufmännische Lehre in Leipzig. Das befriedigte ihn aber überhaupt nicht und er ging nach Heidelberg, um dort Chemie zu studieren. Er wechselte dann nach Berlin, um sich auf dem Gebiet der organischen Chemie weiterzubilden. Dort wurde er Mitarbeiter von August Wilhelm von Hoffmann, einem ehemaligen Schüler von Justus von Liebig. Hoffmann befasste sich mit den Teerrückständen, die bei der Verkokung und der Gasproduktion von Steinkohle anfielen. Mendelssohn-Bartholdy und sein Freund Carl Alexander Martius (einer der Gründerväter der Deutschen Chemischen Gesellschaft) hatten die Idee, aus Teerdestillationsprodukten Anilin herzustellen. Anilinöl verkauften sie gewinnbringend an die lokale Farbenindustrie. Die boomte geradezu, denn der Bedarf an Textilfarbstoffen als Ersatz für Pflanzenfarbstoffe war beträchtlich. Zahlreiche Unternehmen der Chemischen Industrie wurden in dieser Zeit gegründet und widmeten sich der Anilinfarbenfabrikation. Paul Mendelssohn-Bartholdy zog 1870 in den deutsch-Französischen Krieg und kehrte 1871, dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet, zurück nach Berlin. Mit unternehmerischem Schwung und durch Ümit bernahme von Konkurrenten entstand bald die erfolgreiche Aktiengesellschaft für Anilinproduktion, woraus später ab 1898 das Warenzeichen Agfa abgeleitet wurde. Durch den Ankauf der Rechte für die Alizarinsynthese konnten gewinnbringend so genannte „Teerfarbstoffe“  produziert werden. So nannte man Farbstoffe, deren Ausgangsstoff Steinkohleteerprodukte waren, wie etwa Anilin oder Anthracen. Aus letzterem gewann man Alizarin, ein damals begehrter roter Beizenfarbstoff, der zuvor nur aus den  Wurzeln der Krapp-Pflanzegewonnen wurde). 39jährig starb 1880 Paul Mendelssohn-Bartholdy in Berlin.
Es trat der Chemiker Franz Oppenheim, Schwager von Paul Mendelssohn-Bartholdy, in das Agfa-Unternehmen ein und führte es fast 50 Jahre. Oppenheim interessierte sich insbesondere für fotografische Prozesse und führte die Produktion von Filmmaterial ein. Wegen allzu großer Luftverschmutzung verlagerte er die fotochemische Produktion von Berlin in den Bitterfelder Raum, wo die Agfa-Filmfabrik und die Agfa-Farbenfabrik Wolfen entstanden. Nach 1900 kam es zu Fusionsprozessen mit der Badischen Anilin- und Sodafabrik und der Farbenfabrik Bayer zur Industriegemeinschaft (IG) Farben. Paul Mendelssohn Bartholdy der Jüngere wurde – wie sein Vater auch – Direktor der Agfa, ab 1925 dann der I.G. Farben, und leitete unter anderem die Produktion von Fotoplatten im Berliner Agfa-Werk. Er war längere Zeit in der 1909 gegründeten Agfa Filmfabrik Wolfen tätig. Sein ältester Bruder Otto von Mendelssohn Bartholdy war als Hauptaktionär der Agfa Aufsichtsratsmitglied, erst von Agfa, dann der I.G. Farben.
1933 wurde Paul Mendelssohn Bartholdy aus dem Direktorenamt bei der I.G. Farben gedrängt. Die Brüder Paul und Otto gingen noch 1933 zusammen mit ihren Familien ins Exil in die Schweiz. Pauls Bruder Otto wurde als Hauptaktionär erst 1938 gezwungen, das Aufsichtsratsmandat der I.G. Farben niederzulegen. Otto von Mendelssohn Bartholdy ließ sich im Kanton Basel-Stadt nieder, wo er 1956 verstarb.
(H.J. Ferenz)

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