Please show me the way to the Oper Halle

15. Januar 2017 | Kultur, Veranstaltungen | Keine Kommentare

Die Oper Halle lädt am Samstag, d. 21. Januar um 19.30 Uhr zur Premiere von „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ ein (Musikalische Leitung: Christopher Sprenger, Inszenierung: Michael v. zur Mühlen).

»In den alten Büchern steht, was weise ist:/ Sich aus dem Streit der Welt halten und die kurze Zeit/ Ohne Furcht verbringen« schreibt Brecht 1934 in dem Gedicht »An die Nachgeborenen«. Er selbst vermochte angesichts der »finsteren Zeiten« nicht, sich dem Leben hinzugeben. Für seine Protagonisten in Mahagonny ließ er es zur scheinbar leichtesten Übung werden. Mahagonny ist die Oper der Mitleidslosigkeit und Selbstbesessenheit, aber auch der Gier nach Lebenslust.

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Michael v. zur Mühlen (Foto: Konrad Kästner)

Oper in drei Akten von Kurt Weill (1930), Text von Bertolt Brecht

Der Antiheld Jim Mahoney verkündet das entsprechend einzig relevante Gesetz der im Nirgendwo verschanzten Stadt Mahagonny: »Vor allem aber achtet scharf, dass man hier alles dürfen darf!« Saufen bis zum Umfallen, Fressen bis zum Tod und Sex bis man wund ist. Weills Musik ist dabei mitreißend und verführerisch: Abstoßend und geil zugleich wie die Gassenhauerzeile »Und wenn einer tritt, dann bin ich es«. Ja, es macht Spaß in Mahagonny, solange man noch mitspielen darf. Doch die Lust verkehrt sich in gnadenlose Urteilshärte und Kaltblütigkeit, sobald man nicht mehr für sie bezahlen kann: »Don‘t ask why (…) I tell you we must die« (Alabama Song).

An Mahagonnys Bildern und Figuren offenbart sich in der heutigen Gegenwart eine verblüffende Präzision in der Beschreibung der Wirklichkeit. Was sich einst als schillernd, grell und überdreht, als hysterische und unwahrscheinliche Parodie der Verhältnisse ausgab, lässt sich heute mit dem abgestumpften Blick der Sensationslust konsumieren. Mahagonny ist im Minutentakt in gefälschten und echten Newsfeeds despotischer Politik zu entdecken, in den absurden Denunziationen des »gefährlichen« Fremden, in den wöchentlichen aggressiven Demonstrationen für den Erhalt des kleinsten Glücks von Arbeit und Spareinlagen.

Wir können gespannt sein, ob die Inszenierung von Michael v. zur Mühlen dem Stück gerecht wird oder der Wirklichkeit, die das Stück abzubilden in aller Überdrehtheit abzubilden versuchte. Und die Wirklichkeit zu überbieten will man verständlicherweise gar nicht versuchen: Ein anderer Umgang mit Mahagonny wird notwendig. Um das kritische Potenzial der Oper zu retten, steigen deren Protagonisten deshalb aus der ständigen Selbstüberbietung ihrer Geschichte aus und geben der existenziellen Ohnmacht Raum, die sich hinter dem aktionistischen Muskelspiel der Figuren verbirgt. Einsamkeit und Impotenz werden nicht länger übertüncht. An hedonistischen Lebensentwürfen, die sich den politischen Verhältnissen entziehen zu können glauben, wird deren notweniges Scheitern offen gelegt – »I tell you we must die.« Mahagonny wird zur Trauerfeier für eine Wirklichkeit, zu der es (noch) keinen ermutigenden Gegenentwurf gibt.

„Etwas fehlt..“

Sich der Form der bürgerlichen Oper anzunähern, diese auszuhöhlen, anders weiter zu schreiben und zu spielen ist bei Weill das Grundprinzip Mahagonnys, das Michael v. zur Mühlens Regie antreibt. Die Suche nach den Bedingungen politischer Kunst ist nicht abgeschlossen und weiterhin notwendig. »Etwas fehlt« konstatiert Jim Mahoney immer wieder ratlos und fordernd. In der Inszenierung an der Oper Halle soll Mahoneys Forderung auch als Kritik an der üblichen Darstellungsweise Mahagonnys ernst genommen werden. Was fehlt der Oper und was ist an ihr eventuell zu viel? Was ist zum brechtschen Klischee verkommen? Welches verborgene Potential birgt sie jenseits ihrer oft erzählten Geschichte?

Und was fehlt der Oper?

Michael v. zur Mühlen inszenierte bisher sowohl im Musiktheater wie im Schauspiel u.a. an der Oper Leipzig (einen kontrovers diskutierten Der fliegende Holländer von Richard Wagner), der Staatsoper Berlin (Brechts Lehrstück), dem DT Göttingen (Brechts Das Leben des Galilei), dem Nationaltheater Weimar (Brechts Die Heilige Johanna der Schlachthöfe) und dem Staatstheater Darmstadt. Seit der Spielzeit 16/17 ist er Mitglied der Opernleitung in Halle. Mit der Inszenierung von Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny setzt er seine intensive Auseinandersetzung mit Bertolt Brecht fort.

Christopher Sprenger (Foto: Thilo Beu)

Christopher Sprenger (Foto: Thilo Beu)

Christopher Sprenger ist seit der Spielzeit 2016_17 erster Kapellmeister der Staatskapelle Halle. Sprenger wirkte vor seinem Engagement in Halle als Kapellmeister am Oldenburgischen Staatstheater und der Oper Bonn. In über 500 Vorstellungen leitete er dort viele der großen Bühnenklassiker sowie zahlreiche Konzerte. Gastierend dirigierte er in Regensburg, Koblenz und Wiesbaden sowie u. a. beim SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, den Niederrheinischen Sinfonikern und der Klassischen Philharmonie Bonn.

Mit: Svitlana Slyvia (Leokadja Begbick), Philipp Werner (Fatty, der »Prokurist«), Ki-Hyun Park (Dreieinigkeitsmoses), Ines Lex (Jenny Hill), Ralph Ertel (Jim Mahoney), Robert Sellier (Jack O‘ Brien und Tobby Higgins), Vladislav Solodyagin (Joe, genannt »Alaskawolfjoe«)

Musikalische Leitung: Christopher Sprenger // Regie: Michael v. zur Mühlen // Bühne und Kostüme: Christoph Ernst // Video: Vincent Stefan // Choreinstudierung: Peter Schedding

Staatskapelle Halle, Chor und Extrachor der Oper Halle

Premiere am 21.01.2017 um 19:30 Uhr in der Oper Halle

Weitere Vorstellungen am: 27. / 29. Jan., 1. Febr., 24. März , 9. / 15. Apr ., 19. Mai 2017

Karten für die Premiere (zum Preis von 20,- bis 40,- Euro /erm. 10,- bis 20,- Euro) und auch für alle weiteren Vorstellungen (16,- bis 34,- Euro/ erm. 8,- bis 17,- Euro) sind an der Theater- und Konzertkasse erhältlich.

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