Milliardärin auf der Silberhöhe. Eine Nachlese

1. November 2014 | Kultur | Keine Kommentare

Halles in Teilen der Welt berühmtes Puppentheater gibt den „Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt. Der schweizer Dramatiker hat 1956 eine Tragikomödie über die geldanfällige Moral der (schweizer) Bürgerlichkeit geschrieben. Die Hauptrolle in der Uraufführung spielte die große Therese Giehse.
Alte Dame
Die Milliardärin Claire Zachanassian kehrt in ihre kleine Heimatstadt Güllen zurück und fordert von den Bürgern den Tod ihres einstigen Geliebten, der sie schmählich verraten und ins Elend gestoßen hat. Sie hatte Glück und wurde reich. Jetzt will sie sich Gerechtigkeit leisten und die läßt sie sich etwas kosten.

In Halle wird die Rolle von Ursula Werner gespielt und sie spielt sie unglaublich brillant und faszinierend. Von der Kälte und Herzlosigkeit der Macht und des Geldes über die Zärtlichkeit im Gedenken an ihre große Liebe bis zur unendlichen Müdigkeit am Geschäft der Rache – das ist große Schauspielkunst, wie sie nur noch selten zu erleben ist.

Die Güllener Bürgerschaft um die große alte Dame herum sind Puppen und deren Spieler. Das ist in den Inszenierungen von Christoph Werner, so auch in dieser, immer ein Erlebnis: Puppen und Spieler kommunizieren miteinander, verschmelzen zu einer Einheit, fallen wieder auseinander. So schafft er eine lebendige, kunstvolle Güllener Bürgerschaft, die sich ob des zu erwartenden Geldsegens mit der moralischen Rechtfertigung eines Mordes herumschlagen soll.

Lars Frank spielt das Opfer, jenen Alfred Ill, der die alte Schuld nun büßen soll. Frank hat es schwer, sich gegen Ursula Werners schauspielerische Präsenz zu behaupten. Dabei unterstützt er seine Puppe, bzw. seine Puppe ihn. Und das geht auf. Frank stellt die Hilflosigkeit in den Vordergrund, das Ausgeliefertsein an seine alte Schuld und die tödliche Macht des Geldes.

Angela Baumgart hat Bühne und Kostüme gestaltet. Ein schöner Effekt: die Puppen sehen aus wie ihre Spieler, in Kleidung und Physiognomie.

Die Bühne nun assoziiert einen maroden Plattenbau und das natürlich nicht zufällig. Was bei Dürrenmatt einflußreiche Bürger, sind ins hier und heute übertragen arme Schlucker auf der Silberhöhe. Sie trinken Sternburg und das nicht wenig. Sie sind arm und also gierig. Das versprochene Geld der Milliardärin trifft nicht wirklich auf ein Gewissen. Und so verliert Dürrenmatts schönes Stück an Dramatik. Hier bröckelt keine bürgerliche Fassade mehr, hier ist die Würde längst abhanden gekommen, um die Güllens Bürger bei Dürrenmatt noch ringen – um sie am Ende aufzugeben.

Es ist billig, sich über die Geldgier von Habenichtsen lustig zu machen. Die Gier kommt aus der Mitte der Gesellschaft und heißt dort: Wachstum.

Sehr beeindruckend die Schlußszene. Alfred Ill wird von den Güllener Bürgern in den Tod gejagt: Die Puppe läuft an der Rampe, von vier Spielern geführt, immer schneller wird die Puppe, die Spieler stoßen sie zu Fall, heben sie auf und jagen sie weiter. Die Puppe bricht zusammen: Herzversagen. Die Spieler ziehen sich zurück.
Das kleine aber feine Ensemble besteht neben den Genannten aus: Ines Heinrich-Frank, Katharina Kummer, Nils Dreschke, Sebastian Fortak und Christian Sengewald.

Die nächsten Vorstellungen im November (20.-22.11.) sind bereits ausverkauft. Auf Grund der großen Nachfrage gibt es eine Vorstellung im Puschkinhaus am 6. Dezember 2014 um 20.30 Uhr.

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