Lasst uns die See!

29. Juni 2017 | Kultur, Nachrichten, Rezensionen | 3 Kommentare

Der zerborstene Mast ganz oben im Hof des nt deutet es schon an: Gescheiterte sind es, gleichsam herunter gekommene Piraten, die da die Planken des Schiffs betreten: sieben schräge Typen, phantastisch-schön kostümiert von Cordula Erlenkötter. Sie alle haben mal bessere Tage gesehen. Nun aber sitzt der Wurm in ihnen: Ich bin einfach immer trauriger geworden und das ging überhaupt nicht wieder weg, sagt eine. Und auch die anderen sind so lebensmüde, dass sie sich in einer Berufsunfähigkeitsversicherung wiederfinden, wo sie hoffen, dass man sich ihrer Probleme annimmt, und vielleicht bekommen sie sogar ein ganz neues Leben?

Zuvor aber müssen sie eine Nummer ziehen und warten, bis sie per Lautsprecher aufgerufen werden. Das dauert – zum Glück! Denn so haben Harald Höbinger, Till Schmidt, Sybille Kreß, Nils Thorben Bartling, Andreas Range, Danne Suckel und Nicoline Schubert genug Zeit zum Singen, begleitet und angeheizt von der Bord-Band unter Alexander Suckel. Singen heißt hier auch: über das Leben philosophieren. Und wie ließe  sich besser philosophieren als in den großen Metaphern Seefahrt, Schiff, Matrosen, Meer und Landgang? Dass davon – jenseits von La Paloma – auch die Dichter und Sänger bis heute Gebrauch machen, führt dieser Abend auf das schönste vor. Die Auswahl reicht von Rimbaud bis Achim Reichel, von  Grönemeyer bis Kitty Hoff, von Charles Trenet bis zu Die Fantastischen Vier; stilistisch also vom Walzer bis zum Rap. Schade, dass die meisten Autoren und Titel im Programmheft einfach verschwiegen werden – ist das überhaupt erlaubt?

„Piraten“ im Hoftheater: Sybille Kreß und Andreas Range

Mit dem Piraten! – Liederabend hat Alexander Suckel (der die Regie gleich mit übernommen hat) an den Erfolg des Rio-Reiser-Programms „Wann, wenn nicht jetzt?“ angeknüpft, auch wenn der Abend dieses Mal nicht ganz so homogen ist. Das Premieren-Publikum war mit- und hingerissen, nicht zuletzt vom musikalischen Feuer der Darsteller, die ja eben nicht nur sängerisch mit der Band mithalten können, sondern wie Karl-Fred Müller, Nicoline Schubert und Andreas Range auch instrumental. Dessen Parodie auf einen irischen Folk-Song bringt gegen Schluss den Hof zum Kochen. Und da es mit dem neuen Leben natürlich nicht klappt, dafür aber der lange vermisste Sextant im Rumtopf aufgetaucht ist, wird dann doch wieder die große schwarze Totenkopf-Flagge aufgezogen und alle steigen an Bord. – Alo-Ahe!

nt Halle: Piraten! Ein Liederabend  von Alexander Suckel. Nächste Vorstellung: 5. Juli, 20.30 Uhr

Eva Scherf

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