»Klimagewalten – Treibende Kraft der Evolution« Eröffnung der neuen Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle

5. Dezember 2017 | Bildung und Wissenschaft, Kultur | 8 Kommentare

Die Zentralinstallation zeigt den Kampf eines Mammutbullen und eines Jungtiers mit mehreren Höhlenlöwen.

Schmelzende Gletscher, Naturkatastrophen, Hitzerekorde: Der Klimawandel ist allgegenwärtig und wird stark diskutiert – und das nicht erst seit dem Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen. Doch Temperaturschwankungen gibt es auf der Erde schon seit Millionen von Jahren und erdgeschichtlich sind viel wärmere Klimaphasen als heute die Regel. Die neue Sonderausstellung »Klimagewalten – Treibende Kraft der Evolution« im Landesmuseum für Vorgeschichte zeigt ab morgen den Wandel des Klimas im Verlauf der letzten 65 Millionen Jahre und versucht, neue Blickwinkel auf die aktuellen Probleme zu zeigen.

Ein Blick in die Vorgeschichte unserer Region macht deutlich, dass sich das Klima in Mitteldeutschland von jeher immer wieder verändert hat – von subtropischen Verhältnissen bis hin zu arktischen Bedingungen. Doch was sind die Ursachen für diese Schwankungen? Mit welchen Strategien reagierten die Lebewesen auf sie? Ist der stetige Klimawandel vielleicht sogar treibende Kraft der Evolution und damit Grundlage unserer Existenz? Um diese Fragen zu beantworten, zeigt die neue Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte die Entwicklung der Säugetiere in den letzten 65 Millionen Jahren. Während dieses langen Zeitraums war das Kima zumeist deutlich wärmer als heute, wodurch eine ungeheure Artenvielfalt erblühte. In den kühleren Zeitabschnitten verschwand diese Vielfalt wieder und bot einigen Lebewesen die Chance zur besonderen Entfaltung. Diese Entwicklung gilt auch als ein Schlüssel der Primaten-Evolution, von den frühen Lemuren bis zur Entstehung der Menschenarten.

Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff mit einer Riesenhyäne

„Das Thema Klimawandel hat höchste gesellschaftspolitische Relevanz. Das Landesmuseum gibt ihm einen großen historischen Rahmen und belegt ihn mit wissenschaftlichen Fakten“, erklärt Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. Dass das Thema auch international wichtig sei, würden die vielen Leihgaben aus zehn Ländern zeigen. „Es ist schwierig, den Klimawandel wissenschaftlich darzustellen. Aber das Thema ist wichtig, spannend und aktuell. Außerdem bietet Sachsen-Anhalt wichtige Fundstellen der Naturgeschichte. Deswegen haben wir uns für diese umfangreiche Ausstellung entschieden“, so Prof. Dr. Harald Meller, Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte.

Przewalski-Pferd (Wildpferd) und Saiga (Antilopenart)

Die beiden ersten Themenkomplexe der Ausstellung widmen sich den möglichen kosmischen und irdischen Ursachen natürlicher Klimaveränderungen und dem Phänomen der Eis- und Warmzeiten. Kosmische Faktoren sind z. B. Sonnenaktivität und Erdachsenwinkel, irdische Faktoren sind z. B. Plattentektonik und Veränderungen in den Meeresströmungen. Der Mensch kommt als Klimafaktor erst sehr spät ins Spiel. Zwei weitere Themenkomplexe stellen die üppige Tier- und Pflanzenwelt des Känozoikums, oder der Erdneuzeit, die vor 65 Millionen Jahre begann, vor. Mit zahlreichen Exponaten sind etwa die Funde aus dem Geiseltal südlich von Halle vertreten, darunter die berühmten Urpferdchen, Krokodile, Schildkröten und vieles andere mehr.

Original eines Unterkiefers des Homo heidelbergensis

Ein weiterer zentraler Themenbereich widmet sich der Primatenevolution, von denen letztlich nur der Homo sapiens überlebte. Zum ersten Mal »reagierte« mit dem Menschen ein Lebewesen auf klimatische Veränderungen nicht mehr nur mit biologischer Anpassung , sondern mit der aktiven Gestaltung seiner Umwelt. Während der Mensch zu Beginn noch hilflos gegen große Raubtiere wie Riesenhyäne oder Säbelzahnkatze war, wurde er bald vom Gejagten zum Jäger. Außerdem ermöglichten Werkzeuggebrauch, Feuernutzung, Bekleidung, Behausungen und Jagdwaffen zunehmend, auch unter unwirtlichen Bedingungen zu überleben. Beispielhaft steht hierfür das mehr als 600.000 Jahre alte Original eines Unterkiefers des Homo heidelbergensis, des ältesten Urmenschenfundes Deutschlands.

Darüber hinaus beginnt der Mensch, sich auch mit künstlerischen Mitteln mit seiner Lebenswelt auseinanderzusetzen. Ihre Premiere in einer Ausstellung erleben etwa die erst vor kurzem als solche identifizierten Fragmente einer sog. Venusstatuette von Breitenbach (Burgenlandkreis). (HalleSpektrum berichtete) Mit einem Alter von 34.000 Jahren stellen sie den ältesten Beleg einer paläolithischen Elfenbeinfigur außerhalb der Schwäbischen Alb dar. Plastiken und Ritzzeichnungen von Dolní Věstonice (Tschechien) oder La Marche (Frankreich) lassen zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte auch individuelle Züge der dargestellten Personen vermuten.

Zum Abschluss entlässt die Ausstellung die Besucher mit zwei möglichen Szenarien: Was würde es für uns bedeuten, wenn die Erderwärmung anhält; was, wenn die nächste Kaltphase hereinbricht? Welche positiven und negativen Folgen hätten die beiden Szenarien?

Insgesamt werden auf ca. 1000 m² Ausstellungsfläche 800 Exponate und Exponatgruppen gezeigt. Neben zahlreichen Fundstücken aus Beständen des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie stellen 16 Leihgeber aus 10 Ländern sowie 19 innerdeutsche Leihgeber Exponate zur Verfügung. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Die Sonderausstellung ist noch bis zum 21. Mai 2018 im Landesmuseum für Vorgeschichte zu sehen.

 

Ace

Print Friendly, PDF & Email
8 Kommentare

Kommentar schreiben