Heimat als Utopie nicht nur der Protestwähler

7. März 2018 | Kultur | Keine Kommentare

Elisabethkapelle

Am gestrigen Dienstagabend, 6. März 2018,  fand in der Elisabethkapelle an der Moritzkirche wieder eines der Hallenser Salongespräche statt, das ein Kreis von „Unruheständlern“ im Rahmen der Kath. Akademie organisiert. Die Hallenser Salongespräche wollen die Art der Gesprächskultur der Salongesellschaften des 19. und beg. 20 Jahrhunderts aufgreifen und im freien Meinungsaustausch ein bestimmtes Thema erörtern. Das  Thema gestern war „Heimat als Utopie nicht nur der Protestwähler“. Die Moderation übernahm Frau Tesching, Gemeindereferentin. Ein einführendes Referat hielt Dr. Annette Schneider-Reinhardt, Halle, Geschäftsführerin des Landesheimatbundes Sachsen-Anhalt. Bereits am Gebrauch des Begriffes Heimat in der Vergangenheit bis hin zu den vielfältigen Aufgaben des Landesheimatbundes heute ( Immaterielles Kulturerbe, Kulturlandschaften, Sprache, Geschichte, Alltagskultur, Regionale Baukultur, Regionale Musikkultur, Demografie, Energie, Spinnstube, Demokratie) konnte das Plenum ersehen, wie weit und wie vielfältig der Begriff Heimat sein kann. Die angeregte Diskussion mit eigenen Standortbestimmungen konnte beginnen. Dr. Nachtwei Pfarrer i.R., hatte sich in jeder Gemeinde, in der er tätig war, Zuhause gefühlt, eine Heimat für sich sah er jedoch in seiner Kirche.  Für Hallespektrum an diesem Abend die schönste der vielen Definitionen und Begriffsbestimmungen, die daran erinnert, dass ein kath. Christ, wo er auch immer in der Fremde ist, in einer kath. Kirche seinen gewohnten Gottesdienst und seine Heimat finden kann. Deswegen ist sicher auch für die Muslime in Halle die Moscheegemeinde ein Stück Heimat, ein wenig Vertrautheit in der Fremde. Dr. Schneider-Reinhardt erklärte den Wandel des Begriffes Heimat bei heutigen Jugendlichen, die heute ihr Heimat in ihrem Wohnort sehen, morgen kann aber die Heimat schon Berlin oder München sein. Wichtig wäre hier nicht die Landschaft, sondern das soziale Umfeld aus Familie, Freunden und Aktivitäten. Der Jurist Michael Borgmann, Landessprecher des THW für Sachsen-Anhalt, verzweifelte angesichts der Begrifflichkeit von Heimat. Der Begriff Heimat entzieht sich einer juristischen Bändigung völlig. Unbehagen gab es von Herrn Borgmann auch angesichts des seehoferschen Heimatministerium, das gerade nicht die Aufgaben der Heimatpflege übernehme, wie sie vorher von Dr. Schneider-Reinhardt aufgeführt worden sind. Heimat sollte man vielleicht besser aus der aktuellen Politik heraushalten.

Und Utopie bei der Heimat? Die sahen die Diskutanten nur im Gestalten von Heimat im Rahmen der Heimatpflege. Auch die Gefahr des Mißbrauchs des Heimatbegriffes wurde gesehen. Da man sich aber bereits im Plenum nicht auf einen Heimatbegriff einigen konnte, wie kann man rechts gesinnten Vertretern ihre Definition von Heimat verweigern? Richtig gefährlich wird es aber, so eine Gesprächsteilnehmerin, wenn Heimat nicht einschließt, sondern beginnt auszuschließen. Und gibt es eine deutsche Heimat? Oder sind es vielmehr viele deutsche Heimaten? Auch hier prallten Meinungen am Ende aufeinander. Wie gefährlich sind Digitalisierung und industrielle Landwirtschaft für die ländliche Heimat? Es hätte noch lange geredet werden können.

Auf eine allgemeine Definition von Heimat konnte und wollte man sich an diesem Abend nicht einigen. „Wir sind zum gegenseitigen Austausch hier“, meinte Dr. Nachtwei, „Und ich persönlich freue mich immer, noch etwas dazu zu lernen.“ Frau Tesching schloss den Abend mit versöhnlichen Worten.

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