Gab es ihn, den sowjetischen Menschen?

22. September 2017 | Kultur, Rezensionen | Keine Kommentare

„Bei uns ist alles un Ordnung“ heißt der letzte der insgesamt drei Teile des „Russkie Wetscher“. Nein, kein Tippfehler! Sondern die pure Wahrheit an diesem Theaterabend, der bereits im April Premiere hatte, seit gestern wieder auf dem Programm steht. Denn nichts in der hier vorgeführten Welt ist in der Ordnung der Dinge: Dank eines Zauberbutts kann das russische Bäuerlein sein Dasein auf dem Ofen verschlafen;  Tschernobyl hat das Leben der beiden Bauarbeiter, die sich im Zug treffen, verrückt, da ist es egal, ob man hin oder zurück fährt;  es gab ihn, den sowjetischen Menschen, behauptet in der nächsten Szene ein Mann im Streit mit seiner Frau. Und was gibt es nun? Die Gewalt des Staates im Fall der Pussy-Riot-Aktivistinnen, zerredet vom Theorie-Geschwätz des marxistisch-kapitalistischen Modephilosophen Slavoj Žižek. Und dass sich in der Pause ein junge Frau auf dem Tresen des Foyers lümmelt, ist auch nicht in Ordnung. Die Zuschauer nehmen es gelassen, trägt sie doch eine Maske, gehört also wohl irgendwie zur Inszenierung dazu?

Ines Heinrich-Frank in „Bei uns ist alles un Ordnung“, dem 3. Teil von „Russkie Wetscher“

In der Tat: Es ist Ines Heinrich-Frank, die den 3. Teil  des Abends im Monolog ganz allein bestreitet und das glänzend macht.  Sie führt das Publikum wieder in den Saal, nimmt die Maske ab und konfrontiert es mit drei Videoabbildungen ihrer selbst. Hier wird es vertrackt: Wer ist die Frau, mit der wir gekommen sind? Eine dreifach gespaltene Zuschauerin (die zudem ihre Spuren im Saal hinterlassen hat) auf der Suche nach ihrem Ich? Und in der Distanz, mit der sie über die Videos spricht, sich natürlich auch nicht finden kann? So dass sie am Schluss, wenn sie den Raum verlässt, doch wieder ihre Maske anlegt?

Zurück lässt sie ein deutlich ratloses Publikum: Geht es nicht auch irgendwie um Tod und Leben, Wirklichkeit und Theater, Draußen und Drinnen?  – Wie auch immer: Im Laufe dieses Abends wird die besondere Ästhetik des halleschen Puppentheaters – Verfremdungen, Spiel im Spiel, Aufspaltung der Figur in Puppe und Spieler – in all ihren Varianten vorgeführt. Im Monodrama von Katharina Kummer sogar um eine neue erweitert. Wenn es auch – in diesem Falle – etwas anstrengend ist.

Nächste Vorstellungen: 23. und 24. November

Eva Scherf

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