Fragen Sie Ihren Arzt oder Alchemisten

14. Januar 2017 | Kultur | 2 Kommentare

Alchemisten, das sind doch diese mittelalterlichen Giftmischer, Hexenmeister, Scharlatane und Goldmacher – oder? Wenn man die neue Ausstellung „Alchemie – Die Suche nach dem Weltgeheimnis“ im Landesmuseum für Vorgeschichte besucht, merkt man, dass wir mit unserem heutigen Bild von Alchemie und Alchemisten des 16.Jahrhunderts nicht richtig liegen. Ja, es gab sie, die Suche nach dem Stein der Weisen und die Goldmacher. Der berühmte Chemiker Justus von Liebig schrieb 1865: „Unter den Alchimisten befand sich stets ein Kern echter Naturforscher, die sich in ihren theoretischen Ansichten häufig selbst täuschten, während die fahrenden Goldköche sich und andere betrogen.“ Alchemisten verstanden sich früher auch wesentlich als Produzenten von Arzneimitteln, so wie es Apotheker bis in die jüngste Gegenwart fortführten. Apotheker hatten das Recht, Medikamente herzustellen und diese an Patienten auszuhändigen. Erst in den letzten Jahrzehnten verlagerte sich die Arzneimittelproduktion von der Apotheke in große Industriebetriebe. Heute geben die Apotheker hauptsächlich nur noch Medikamente aus und beraten bei der Anwendung („Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker …“). Traditionelle Medizin spielt bei uns nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Heilkraft wird nicht mehr in Kräutern und Naturstoffen gesucht, sondern inzwischen dominieren synthetische Produkte.

Paracelsus Wundarznei

Aus der „Wundartzney“ des Paracelsus, Druck 1537

Eindrucksvoll beleuchtet die Ausstellung im Landesmuseum die Arbeit der Alchemisten zu Luthers Zeiten. Eingebettet in tradiertes Wissen, aufbauend auf überlieferten Mythen, aber doch offen für die Suche nach neuen Heilungsmethoden bemühte man sich, Krankheiten wie die damals eingeschleppte Syphilis (eine Geschlechtskrankheit), grassierenden Seuchen, aber auch dem Altern beizukommen. Dabei stand der Mensch als Ganzes im Mittelpunkt. Krankheiten verstand man noch als Folge gestörter Balance von Körper und Seele – eine Sichtweise, die auf griechische und römische Naturphilosophen zurückgeht. Experimentelle Erkenntnisse fanden jetzt aber zunehmend Anwendung. Heilmittel sollten das optimale „Säftegleichgewicht“ wieder herstellen. Antimon hielt man dafür besonders für geeignet. Der Alchemist Paracelsus (1493/94 bis 1541) war davon überzeugt, dass der menschliche Körper durch Antimon gereinigt und verjüngt werde. Diese Auffassung entsprang seinem Verständnis von Alchemie. So wie Grauspießglanz zur Goldläuterung, also zur Abtrennung störender Beimengungen und Verunreinigungen bei der Goldgewinnung, verwendet wurde, so sollte das Antimon den Körper reinigen und das hypothetische Säftegleichgewicht wieder herstellen. Paracelsus empfahl Antimon-haltige Zubereitungen erstmals nicht nur für äußerliche Anwendungen, sondern auch zur Einnahme.

Ausstellung Alchemie

Blick in die Austellung

Die Funde aus der Wittenberger Alchemistenwerkstatt zeigen, dass sich seinerzeit hier fast alles um die Nutzbarmachung von Antimon drehte. „An den geborgenen Scherben der Laborgeräte hafteten Chemikalienreste, die wir identifizieren konnten“ erläutert Dr. C. Hinrich Wunderlich, Chemiker am Landesmuseum für Vorgeschichte: „So war es möglich zu erschließen, was, wie und wozu hier geschmolzen, verdampft, sublimiert und chemisch umgesetzt wurde.“ Antimon kommt natürlicherweise als Antimon(III)-sulfid vor; es wird auch Grauspießglanz genannt. Antimon spielt heute eine untergeordnete therapeutische Rolle. Das war nicht immer so. Bei den Ägyptern nutzte man Antimon in entzündungshemmenden Augensalben und als Augenschminke. Auch die alten Griechen setzten es vorwiegend äußerlich ein. Die Römer fanden es hilfreich für die Wundbehandlung. In der frühmittelalterlichen Heilkunde schrieb man Antimon desinfizierende, blutungsstillende und antikanzerogene Eigenschaften zu.

Die überlieferten Kenntnisse über Antimon und seine metallurgischen Eigenschaften glaubte man für Heilungsprozesse nutzen zu können. Die Einnahme von Antimon war aber höchst riskant, denn es ist hochgiftig. Paracelsus prägte daraufhin den Satz „Die Dosis macht das Gift“. („Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die dosis machts, dass ein Gift kein Gift sei. “ Die Antimonverwendung verlor aber rasch an Bedeutung. Erst als um 1900 über seine Wirkung gegen einige tropische Infektionskrankheiten berichtet wurde, erlebte die Therapie mit Antimonpräparaten eine bescheidene Renaissance.

(Die Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle ist bis zum 5.Juni 2017 zu sehen. Wissenswertes kann man in einem kleinen Ausstellungsführer nachlesen, den man im Museumsshop erwerben kann)

Weitere Informationen im Web

HJ Ferenz

 

Print Friendly, PDF & Email
2 Kommentare

Kommentar schreiben