Fantasiereise mit emotionalen Höhen & Tiefen

18. Januar 2022 | Kultur, Rezensionen | Keine Kommentare

Das 4.Sinfoniekonzert der Staatskapelle Halle konnte am Montag dem 17. Januar als 2G+-Veranstaltung in der Georg-Friedrich-Händel Halle stattfinden. Für diejenigen, die kein tagesaktuelles Test-Zertifikat hatten, stand ein mobiler Testpunkt zur Verfügung. Gut 60 Konzertbesucher mussten sich adhoc testen lassen, da die 2GPlus-Corona-Regelung wohl nur lückenhaft kommuniziert worden war. Das verzögerte den Konzertbeginn, bot aber auch Gelegenheit zur kurzen emotionalen Einkehr vor Beginn des Konzertes.

Unter dem Motto „Reise durch die Fantasie“ kamen Werke von Modest Mussorgsky, Robert Schumann und Ottorino Respighi zur Aufführung. Die Leitung der Staatskapelle hatte Gastdirigent Karsten Januschke. Als erstes stand die symphonische Dichtung „Johannisnacht auf dem Kahlen Berge“ von Modest Mussorgsky. Er komponierte sie 1867. Mussorgsky erntete heftige Kritik aus dem Kreise seiner Kollegen und mottete daraufhin die Komposition ein. Rimskij-Korsakow stellte erst nach dessen Tod eine Bearbeitung unter dem Titel „Eine Nacht auf dem Kahlen Berge“ 1886 in Petersburg mit großem Erfolg vor. Die programmatische Musik folgt teilweise einer Inszenierung, die rückblickend den Verlauf der Corona-Pandemie widerspiegeln könnte: 

1. Unterirdischer Lärm von Geisterstimmen

2. Erscheinung von Geistern der Finsternis, danach von Satan selbst

3. Huldigung von Satan und Feier der Höllenmesse

4. Hexensabbat

5. Beim Höhepunkt des Hexensabbats läutet von fern her das Glöckchen einer Dorfkirche, bei deren Klang sich die Geister der Finsternis zerstreuen

6. Tagesanbruch

Dem Orchester gelang es, das satanische Treiben auf dem Kahlen Berge fesselnd zu vermitteln. Schaurige Klänge, wilde Tänze, schrille Flötentöne, der wilde Ritt des Satans, Morgenstimmung bei Anbruch des Tages. Alles präzise gelenkt und dynamisch mit zackigem körperlichen Einsatz sicher geführt vom Dirigenten. Man brauchte gar nicht die Augen zu schließen, um sich in dieser schwarzen Messe zur Geisterstunde wiederzufinden. Für diese fulminante Aufführung und das tolle Engagement der Musiker gab es anhaltenden begeisterten Applaus.

Die „Reise durch die Fantasie“  setzten die Staatskapelle und Cellist Maximilian Hornung mit Robert Schumanns Violoncellokonzert a-Moll op. 129 fort. Das Werk entstand als Schumann in Höchstform 1850 an den Rhein zog. Es steckt voller Emotionen und wechselnder Charakterzüge. Damit kam Schumann bei seinen Gönnern aber nicht besonders gut an. Zu schwierig, zu anspruchsvoll. Es verschwand in der Versenkung und wurde erst nach Schumanns Tod 1860 aufgeführt. Heute ist das Werk der Ritterschlag für jeden Cellisten. Das anspruchsvolle Cellokonzert spiegelt mit seiner Emotionalität Schumanns Charakter wider: mal melancholisch, mal dramatisch, mal verspielt. Die Staatskapelle leitete sanft ein, überließ dann aber dem emotional aufspielenden Cello das Feld, ließ sich aber nicht als nur schmückendes Beiwerk abdrängen. Der Dirigent Karsten Janoschke steuerte das Orchester sensibel durch die emotionalen Cello-Wogen. Die meisterliche Leistung des Cellisten Maximilian Hornung belohnte das begeisterte Hallenser Publikum mit anhaltendem, begeisterten Beifall. 

Nach der Pause entführte die Staatskapelle die Konzertbesucher in den „Zauberladen“, „La boutique fantasque“ von Ottorino Respighi (1879-1936). Respighi verwendete für das 1919 uraufgeführte Auftragswerk, das als Ballettmusik gedacht war, Spätwerke von Rossini und bediente sich dabei ausgiebig der Möglichkeiten, die ein großes Orchester bieten kann. Imaginäre Puppen führen verschiedene Tänze auf: eine Tarantella, Mazurka, Can-Can und mehr. Einfühlsam und sportlich beschwingt führte Dirigent Karsten Januschke das große Orchester durch den tanzenden Puppenladen, steckte die Musiker mit seiner Begeisterung an. Die flotte Performance, um die ihn sicher viele der 65Plus-Besucher beneideten, entlockte dem Publikum einen wahren Beifallssturm. Zu Recht. Die „Reise durch die Fantasie“ war wunderbar, machte die Rückkehr in den winterlichen Pandemie-Alltag erträglichen.

 

(H. J. Ferenz)

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