Erinnerungsorte in Sachsen-Anhalt

27. Januar 2020 | Kultur | 5 Kommentare

Das KZ Auschwitz wurde am 27. Januar 1945 befreit. Deswegen feiern wir seit 1996 den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Es gibt inzwischen eine Art von Ritualen des Gedenkens rund um die Gedenktage. Dazu hat am gestrigen Sonntag die Autorin Juna Großmann ihre Gedanken in einem Radiobeitrag im NDR der Öffentlichkeit näher gebracht, diese können Sie hier noch einmal nachlesen und nachhören: Auschwitz: „Es braucht keine festgelegten Tage

Juna Grossmann bei einer Lesung in den Franckeschen Stiftungen

Sie sagt darin: „In diesem Jahr, in dem wir mehrere 75. Jahrestage begehen und ein dem Anlass entsprechend aufwändigeres Programm erwartet wird, frage ich mich oft, ob in all der Ritualisierung nicht die aus dem Blick geraten, um die es zuvorderst gehen sollte: die Überlebenden. Jene Menschen, die solange sie leben, alle Wertschätzung verdienen.“ Lassen Sie also den jüdischen Menschen und anderen Überlebenden von anderen Opfergruppen genauso viel, wenn nicht noch mehr, Wertschätzung zukommen wie den Opfern. Sie sind ein Teil unserer Gesellschaft und nicht (nur) ein Teil unserer Geschichte. Denken Sie daran, dass Sie mit uns leben, uns dem „Volk der Täter“. Das verdient doppelte Wertschätzung. Hand aufs Herz, würden Sie das können? Frau Großmann erinnert ebenso in ihrem Beitrag an die ca, 250.000 – 300.000 Menschen, die bei den Todesmärschen umkamen. Außerdem findet sie, wenn ich sie richtig verstanden habe, dass Sie kein schlechtes Gewissen haben sollen, wenn Sie heute es nicht schaffen zu gedenken. Die Gedenkorte stehen das ganz Jahr offen, um sich zu informieren und zu gedenken.

Vor diesem Hintergrund stellt Hallespektrum einige Gedenkorte in Sachsen-Anhalt vor:

Gedenkstätte für die Euthanasie-Opfer

Der erste dieser Orte ist die Gedenkstätte für die Euthanasie-Opfer in Bernburg. Hier wurden zwischen 1940 bis 1943 insgesamt 14 000 Menschen ermordet, vor allem psychisch Kranke, körperlich und geistig Behinderte, aber auch andere Menschen, die als nutzlos für die Gesellschaft angesehen wurden: sogenannte Asoziale, Homosexuelle, Sinti und Roma, später auch kranke KZ-Häftlinge, darunter viele Juden und Zwangsarbeiter. Die Logistik für die spätere Tötungsfabrik in Auschwitz wurde hier entwickelt: eine als Duschraum getarnte Gaskammer und ein Krematorium. Die Täter kamen aus der „Mitte der Gesellschaft“: Ärzte, Pfleger*innen, Juristen, Verwaltungsangestellte. Viele von ihnen gehörten später zum Personal der Vernichtungslager, nur eine geringe Anzahl wurde nach dem Ende des NS-Regimes zur Verantwortung gezogen, weder in West-, noch in Ostdeutschland.

Die erste Erwähnung von „Holocaust“

Zu DDR-Zeiten entfernt. Nun wieder aufgestellt: Die Schilder der amerik. Streitkräfte.

Der zweite Gedenkort ist die Feldscheune Isenschnibbe bei Gardelegen. Hier fand am 13. April 1945 ein Massaker statt, bei dem 1016 Menschen, KZ-Häftlinge auf „Todesmärschen“ aus den geräumten Konzentrationslagern der Umgebung, umkamen. Während die Front nur noch wenige Stunden entfernt war, trieben Wehrmachtsoffiziere, SS-Angehörige sowie Bürger aus Gardelegen die Männer in die Scheune und legten Feuer. Nachdem dieses von den Häftlingen mehrfach gelöscht werden konnte, warfen die Mörder 50 Handgranaten in das Gebäude und erschossen jeden, der daraus fliehen wollte. Die US-Armee, die kurz darauf eintraf, fand die verkohlten Leichen, von denen viele nicht identifiziert werden konnten, und sorgte für die Bestattung in Einzelgräbern. Im Bericht über dieses Massaker wurde erstmals der Begriff „Holocaust“ benutzt.

Einzigartiges Ensemble von Gebäuden zur Erinnerung an jüdisches Leben

Synagoge Gröbzig

Als dritter Gedenkort soll die Synagoge in Gröbzig vorgestellt werden. Da die Jüdische Gemeinde in Gröbzig (Anhalt) zu klein geworden war, übergab sie die Synagoge 1934 der Stadt, die dort ein Heimatmuseum einrichtete. Dadurch konnte wohl der Komplex die Reichspogromnacht 1938 überstehen und blieb uns erhalten (die verbliebenen Juden aus Gröbzig dagegen wurden deportiert und ermordet). Zum Komplex gehört das Haus des Kantors, in dem sich das Museum befindet, sowie die ehemalige Schule, in der im Sinne der Aufklärung und des Philanthropinums in Dessau unterrichtet wurde. Das Museum zeugt vom reichen jüdischen Leben vor 1933, das mit den Menschen aus unserer Gesellschaft verschwunden ist: Kultur, Philosophie, Wissenschaft, Literatur und vieles mehr. Nach einigen Irritationen in jüngster Zeit, die uns um das Museum fürchten ließen, ist es nun wieder geöffnet und eine sehr engagierte und freundliche Museumsleiterin freute sich über unseren Besuch. Die Erinnerung hat hier eine Zukunft.

Die Rose „Auferstehung“, den Toten zur Erinnerung. Foto: ToK

Alle drei Orte mahnen uns, unsere vielfältige, offene, solidarische und tolerante Gesellschaft gegen alle Versuche zu verteidigen, uns in dieses finstere Kapitel zurückzuführen. Am Ende bringen wir Ihnen die Rose „Resurrection – Auferstehung“ mit, die an der Feldscheune Isenschnibbe wächst. Sie ist allen Widerstandskämpfern und Opfern des Nationalsozialismus gewidmet. Sie möge, den Toten zur Erinnerung, noch lange blühen.

AK, Fotos ToK, Einleitung ToK

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