Dunkles aufgehellt

6. September 2017 | Kultur | 2 Kommentare

Es ist wie eine Befreiung: Endlich ist die große Sammlung der Moritzburg zur Kunst von 1900 bis 1945 nicht mehr, auf ein Minimum geschrumpft, in das letzte Drittel des Westflügels zusammengepfercht, an den Rand gedrängt von der Privatsammlung Gerlingers zum Expressionismus. Ab kommendem Wochenende wird das, was das Museum selbst gesammelt hat zur Kunst in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts, umfassender als bisher und in einer Zusammenstellung präsentiert, die Neues wagt: in der Raum- und Lichtgestaltung, in der Gliederung und in der Auswahl der Objekte. Was zunächst ein Verlust schien (der Rückzug Gerlingers aus Halle im vorigen Jahr), stellt sich nun als Gewinn heraus.

Galeriechef Thomas Bauer-Friedrich bei der Vorstellung der neuen Dauerausstellung

Denn jetzt kann endlich das 1. Obergeschoss des Westflügels in seiner Gänze zur Geltung kommen, nicht mehr eingeengt durch zustellende Wände: mit einer offenen, transparenten Präsentation, die neue Sichtachsen schafft und durch die Öffnung bisher zugesetzter Fenster auch eine neue Lichtsituation. Gegliedert wurde die Ausstellung in drei Abschnitte: 1933 bis 1945; die Kunst von 1920 bis 1933, wo u.a. auch wieder Otto Dix, Karl Völker, Richard Horn u.a. zu sehen sind und in die auch die bisher gesondert gezeigten Feininger-Bilder integriert sind; schließlich der Zeitraum 1900 bis 1920 mit dem Schwerpunkt Expressionismus.

Pluralität der Stile

Werner Peiners idyllische Eifellandschaft passte den Nazis gut in ihr Kunstkonzept.

Als Besucher durchschreitet man also gleichsam von vorn nach hinten drei Epochen (die Nazizeit, die Weimarer Republik und das Kaiserreich) im Nebeneinander unterschiedlicher Kunststile. So werden formale Grenzziehungen aufgebrochen, zumal nicht nur die freien, sondern auch die angewandten Künste und das Kunsthandwerk präsentiert sind. Wirklich Neues haben die Ausstellungsmacher um Thomas Bauer-Friedrich für den Zeitraum 1933 bis 1945 gewagt: Hier werden nämlich nicht nur, wie sonst üblich, die sogenannten „entarteten“ Künstler ausgestellt, sondern auch solche, die von den Nazis anerkannt und hofiert wurden. Neben Otto Dix und Karl Hofers „Kassandra“  also beispielsweise auch die altmeisterlich gemalte Eifellandschaft von Werner Peiner mit dem pflügenden Bauern, der nur zu gut in die Blut- und Boden-Ideologie der Nazis passte. Oder Karl Leipold, der mit seinen diffus-verschwommenen, mystischen Landschaften in besonderem Maße der Vorstellung Hitlers von moderner Kunst entsprach. Selbst die Stadt Halle erwarb 1944  immerhin 249 (!) Werke aus dem Nachlass dieses Malers mit dem Ziel, ein eigenes Leipold-Museum zu gründen.

Dass solche dunklen Punkte in der Geschichte der Moritzburg nicht mehr verschwiegen werden, ist das größte Verdienst der neuen Ausstellung. Die eben mehr präsentiert als nur die Objekte selbst, sondern – auch durch die ausführliche Kommentierung solcher Werke –  Kunstgeschichte in ihrer Widersprüchlichkeit. Also jenseits von schlichtem Schwarz-Weiß-Denken, in  das wir bei der Aufarbeitung jeglicher Geschichte nur allzu gern verfallen.

Was für ein Gewinn!

Die neue Dauerausstellung „Hallo Moderne“ ist zu sehen ab Samstag, d. 9. September 2017, 10 Uhr. Begleitet wird sie von einem Audioguide und zahlreichen Veranstaltungen.

Eva Scherf

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