Die Tragödie von Demmin im Film

29. Mai 2018 | Kultur | Keine Kommentare

Im Frühjahr 1945 wird Demmin, eine kleine Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, zum Ort einer schrecklichen Tragödie: Während die Rote Armee heranrückt, nehmen sich hunderte Einwohner das Leben. Sie schneiden sich die Pulsadern auf, vergiften oder erschießen sich; Eltern töten erst ihre Kinder und dann sich selbst, ganze Familien gehen mit Steinen beschwert ins Wasser. Bis zum Ende der DDR wird über die konkreten Umstände des beispiellosen Massensuizids geschwiegen, die genauen Opferzahlen der kollektiven Hysterie sind bis heute nicht bekannt. Heute versuchen Neonazis die Leerstelle zu besetzen und für ihre Zwecke zu missbrauchen. An jedem 8. Mai, dem Tag des Endes des Zweiten Weltkriegs, vollzieht sich in Demmin ein gespenstisches Ritual: Neonazis marschieren schweigend durch die Straßen der Gemeinde, in der mehrere Hundertschaften der Polizei Stellung bezogen haben und versuchen, Gegendemonstranten von der Route fernzuhalten. An diesem angespannten Tag verdichten sich hier die Risse innerhalb der deutschen Gesellschaft aufs Äußerste. In seinem Film ÜBER LEBEN IN DEMMIN geht Regisseur Martin Farkas den verborgenen Folgen der Ereignisse nach. Überlebende sprechen zum ersten Mal über die schrecklichen, lange verdrängten Erfahrungen ihrer Kindheit und Jugend. Farkas erkundet, welche Spuren die Traumatisierung und das Schweigen darüber bei den Nachgeborenen hinterlassen haben – und wie tief sie in unsere Gegenwart hineinwirken. Die Stadt wie er sie in diesem genau beobachteten, komplexen und aufrichtigen Film schildert, erscheint tief gespalten. Neben dem Wunsch nach Versöhnung und dem Willen zu einer ehrlichen Aufarbeitung stehen Hass und Feindseligkeit. So eröffnet der Film an diesem exemplarischen Ort einen neuen Blick auf den heutigen, weiterhin schwierigen Umgang der Deutschen mit ihrer Geschichte.

Vorschau zum Film: https://www.youtube.com/watch?v=L1KAjD6G5Mw

MITTWOCH, 30. MAI 2018, 18:30 UHR
Puschkino, Kardinal-Albrecht-Straße 6, 06108 Halle (Saale)
Eintritt: 6,50 € / ermäßigt: 5,50

Über Leben in Demmin
Deutschland 2017, Buch und Regie: Martin Farkas, 90 Minuten

Im Anschluss moderiertes Publikumsgespräch mit Martin Farkas, Regisseur, dem Historiker Dr. Udo Grashoff (University College London, Vorsitzender Zeit-Geschichte(n) e.V.) sowie Ramzi Merhej (Friedenskreis Halle).

Eine gemeinsame Veranstaltung von Puschkino, Zeit-Geschichte(n) e.V. Halle, Friedenskreis Halle e.V.

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