Update. Die schaffende Galatea. Frauen sehen Frauen.

13. Juli 2019 | Kultur | Keine Kommentare
In der KUNSTHALLE “Talstrasse“ rückt ab Samstag, 13. Juli, die Frauenbewegung in den gesellschaftlichen Blick. Die Eröffnung war bereits am Vorabend, Freitag, 12. Juli 2019. HalleSpektrum durfte sich mit in die gutgefüllte Kunsthalle hineindrängeln.

Kunsthalle Talstrasse

Die Verleihung des Kunstpreises der Saalesparkasse ging selbstverständlich an einen Mann, die letzten (Sonder-)Ausstellungen des Kunstmuseum Moritzburg drehten sich um berühmte Malermänner: Nach Klimt kamen Marc, Macke, Nolde und Co. Es scheint so, als würde der Kunstverein Talstraße mit der Ausstellung „Die schaffende Galatea. Frauen sehen Frauen“ einen Gegentrend schaffen zu wollen. Denn in dieser Sonderausstellung sind bis zum 13. Oktober nur Kunstwerke ausschließlich weiblicher Autorenschaft ausgestellt. Etwas was noch nicht einmal Berlin gelungen ist, wie Dr. Anne Havemann, Repräsentantin des traditionellen Vereins Berliner Künstlerinnen 1867 e.V., gestern neidvoll Halle zugestehen mußte.

Ausschließlich Kunstwerke weiblicher Autorenschaft

Der Weg zur vollen Gleichstellung von Mann und Frau, der in Deutschland vor weit mehr als 100 Jahren begann, ist längst noch nicht zu Ende gegangen ist. Ein Meilenstein war in diesem Zusammenhang die Einführung des Frauenwahlrechts in der Weimarer Republik im Jahr 1919. Zudem war es auch seit diesem Jahr Frauen erstmals gestattet, an Kunstschulen zu studieren. Dieses Jubiläum ist der Kunsthalle “Talstrasse“ Anlass, dem Thema „Frau“ im kunsthistorischen Kontext des 20. Jahrhunderts eine Ausstellung zu widmen.

Ministerin Anne-Marie Keding

In der Kunst ist die Gleichberechtigung von Mann und Frau noch lange nicht angekommen. Das betonten in Ihren Begrüßungsreden Matthias Rataiczyk, der Vorsitzende des Kunstvereins „Talstraße“ e. V. und alle seine Nachrednerinnen in fast gleichlautenden Worten. Ministerin Anne-Marie Keding, Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt (CDU), konnte diese Behauptung eindrucksvoll mit Fakten untermauern. Wenn in großen deutschen Kunsthallen ca. nur 10 % der Personalausstellungen Künstlerinnen gewidmet sind, dann kann man ohne Übertreibung behaupten: Die Kunst ist (immer noch) männlich. Dies zu ändern, ist der Verein der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V. angetreten, der bis heute besteht. Dr. Anne Havemann stellte den Verein in ihren Worten zur Sonderausstellung vor. U.a. die berühmtesten Künstlerinnen, die der Kunstverein ausstellt, nämlich Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker, waren im Verein Mitglied.

Blicke in die Ausstellung:
Die Ausstellung schlägt einen Bogen von der Klassischen Moderne bis hin zu Positionen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wobei mehr als 80 Werke von der Malerei und Grafik bis zur Plastik u.a. von Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz und Gabriele Münter ebenso zu sehen sind wie von Gabriele Stötzer und Cornelia Schleime. 25 Museen und Sammlungen aus Deutschland und Österreich, darunter u.a. das Lenbachhaus München, die Kunstsammlung Chemnitz / Museum Gunzenhauser, das Kolbe-Museum Berlin, das Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) sowie das Stadtmuseum Berlin unterstützen das Projekt mit ihren Leihgaben.

Barbara Köppes Sicht auf die Frauen der DDR

Angeschlossen an die Ausstellung ist die Kabinettausstellung Frauen-Schönheit-Schicht. Frauen im VEB Kosmetik – Kombinat 1988-1989 mit Fotografien von Barbara Köppe. Barbara Köppes Werk wurde zur Eröffnung von Dr. Ursula Röper vorgestellt. Die Fotografin hatte sich bereits zurückgezogen und sah lange Zeit keine Möglichkeit mehr, ihre Sicht auf Frauen in der DDR auszustellen. Nun sind ihre Fotografien kein Anhängsel, sondern eine gelungene Ergänzung zur Galatea-Sonderausstellung in der Kunsthalle.

Die Jazzmusik von Ulrike Scheller (Sax.) und Eckart Gleim (Git.) paßt so vorzüglich zur Ausstellung, dass wir die beiden Musikerinnen hier extra erwähnen und würdigen wollen. Ausgeklungen ist die Eröffnung nach einem ausgiebigen und langen Rundgang durch die Ausstellung im romantischen Felsengarten bei Essen, Musik und Wein. Dieser Ort kann mit Fug und Recht von sich behaupten, einer der schönsten Plätze in Halle zu sein. Nach einem Blick auf die Frauensicht auf die Kunst konnte hier der Kunstgenuß noch einmal ausgiebig ausdiskutiert oder mit einem Blick aufs Saaletal lange verdaut werden.

„Wir mußten die Kunstgeschichte neu erfinden“

Am Ende soll aber auch der zur Ausstellung gehörende Katalog gewürdigt werden, der neben ausführlichen und nötigen Informationen zu den einzelnen Künstlerinnen auch einführende Artikel u.a. unter den Titeln „…. gibt es einen weiblichen Blick auf Kunst?“ und „Wir mußten die Kunstgeschichte neu erfinden“, sowie abschließende Statements enthält. Daraus: „Lediglich fünf Prozent der Werke von Künstlerinnen waren Bestandteil musealer Sammlungen im Jahr 1985, hingegen wurden auf 85 % der Aktbilder in den Sammlungen Frauenkörper gezeigt. Inzwischen geht man zumindest von zehn Prozent Künstlerinnenanteil in Museen aus.“ (S. 16 im Katalog)

Nicht nur Malerei: „Flehende“ von Katharina Heise

Wie die Verfasserin dieses Einführungstextes, Silke Tobeler,  zu recht meint: „Ein Armutszeugnis“. Deswegen ist diese Ausstellung in der Kunsthalle „Talstraße so wichtig. Und nicht nur wichtig. Die Qualität der Bilder hat mich überrascht. Warum eigentlich? Die Ausstellung ist also auch sehr sehenswert, abwechlungsreich und verspricht einen überaus großen Kunstgenuß. Wir sind dem Kunstverein „Talstraße“ deswegen ausgesprochen dankbar für ein Engagement, dass sich die meisten staatlichen Kunstmuseen anscheinend nicht trauen. Bitte werfen auch Sie einen Blick in die Ausstellung!

Fotos und Text: ToK
Ausstellungsdauer:
13. Juli 2019 bis 13. Oktober 2019
Öffnungszeiten:
Di – Fr 14 bis 19 Uhr, Sa und So 14 bis 18 Uhr
Weitere Informationen zur Arbeit der KUNSTHALLE unter: www.kunstverein-talstrasse.de
Ebenso zu empfehlen in der Kunsthalle:

13. 7. – 13. 10. 2019 | Kabinett in der KUNSTHALLE
Frauen-Schönheit-Schicht. Frauen im VEB Kosmetik – Kombinat 1988-1989
Fotografien von Barbara Köppe

Der romantische Felsengarten

Zu den Öffnungszeiten der Kunsthalle:
Sommer im Felsengarten
Achtung: Der Besuch des Felsengartens mit romantischen Skulpturenpark ist nur im Zusammenhang mit einem Ausstellungsbesuch möglich. Aber dann sollte ein Gang auf keinen Fall ausgelassen werden!

Hintergrund Galatea:

Die vom griechischen Künstler Pygmalion geschaffene weibliche Statue wird durch die Gunst der Göttin Venus zum Leben erweckt und wird zur Frau des vorher frauenhassenden Künstlers, mit dem sie ein Kind hat. Den Namen Galatea erhielt die belebte Statue erst im 18. Jahrhundert.

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