Barockensemble scenitas feiert Erfolg bei Händelfestspielen in Halle

3. Juni 2018 | Kultur, Rezensionen | Keine Kommentare

The Blissful Twins: Solisten mit Regisseurin

Um Aufführungen von Werken der Barockzeit authentisch wirken zu lassen, werden gern aufwendige Bühnenbilder, pompöse Kostüme und historische Instrumente bemüht. Die traditionsreichen Händelfestspiele haben schon viele mehr oder weniger gelungene Inszenierungen gesehen, die Freunden des barocken Musiktheaters Händels Welt nahebringen wollten. Schöne Inspiration dafür bieten ja die Sammlungen im Händelhaus. Wenig Beachtung schenkte man der seinerzeit eingesetzten stilisierten Körpersprache und Gestik. Schon immer benutzten Menschen Gestik zur Kommunikation untereinander, wussten durch Tanz und Bewegungen Geschichten zu erzählen und Emotionen zu vermitteln. Regisseurin und Choreografin Sigrid T`Hooft entdeckte bei ihrer Arbeit für Musik- und Tanztheater die Bedeutung der Körpersprache gerade auch für barocke Bühnenwerke. Sie begeisterte 2 junge hochtalentierte Sopranistinnen, Julia Kirchner und Anne Schneider, für diese Kunst. Mit jungen Musikern, die sich der historisch-informierten Aufführung barocker Werke widmen, wurde das Barockensemble scenitas gegründet. Sie studierten ein szenisches Konzert ein zu Texten von John Milton (1632 ), die von Georg Friedrich Händel vertont wurden (1634 ). Dieses Pasticcio “The blissful Twins“ ist geprägt vom damaligen bürgerlichen Leben in der Barockzeit. Schneider und Kirchner stellten die Zwillingstöchter dar. Die Rolle des John Milton übernahm Andrey Akhmetov. Alle drei Solisten beeindruckten durch ihre kraft- und kunstvollen, locker und wunderbar modulierenden Stimmen. Mikrofone brauchte man nicht. Aufwendige Bühnenbeleuchtung auch nicht. Die Kostümierung, historisierend, aber nicht übertrieben. Das Parkett der restaurierten Aula der Martin-Luther-Universität als Bühne mit Kontakt zu den Zuschauern, ein kleines Heterotopia, fast ausverkauft. Geschickt wurde der als Bühne genutzte Parkettraum spielerisch ausgefüllt. Alle drei Solisten setzten Körpersprache und Handbewegungen umfänglich, aber keineswegs stereotyp oder gar marionettenhaft ein. Bewegung und Gesang verschmolzen zu einem eindrucksvollen Gesamtkunstwerk. 75 Minuten dauerte die Darbietung, 75 Minuten Faszination für Auge und Ohr.
Stürmischer Beifall belohnte die Künstler für die gelungene Barockdarbietung. Viele dürfte die qualitätsvolle Premiere am Sonntagnachmittag überrascht haben. Oft sind es ja die kleineren Veranstaltungen bei großen Festivals, die bereichernd, innovativ wirken. Scenitas mit seinen Solisten ist eine Bereicherung der Barockmusiktheaterszene.
(H.J. Ferenz)

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