Archive reagieren sauer: Koalitionsfraktionen im Landtag wollen historische Dokumente retten. 150.000,- € zur Konservierung zerfallenden Archivguts geplant

28. September 2017 | Kultur | Keine Kommentare

Auf Antrag der Koalitionsfraktionen berät der Landtag von Sachsen-Anhalt am heutigen Donnerstag über den Schutz schriftlichen Kulturgutes. Gefordert wird ein Gesamtkonzept der Landesregierung, das Bücher, Dokumente und andere schriftliche Hinterlassenschaften vor Schäden schützt und für die Zukunft bewahrt.

Worum geht es?

Was man schwarz auf weiß besitzt, das kann man getrost nach Hause tragen“.

Dies ist ein großer Irrtum. Historische Dokumente wurden noch bis zu Anfang des 20. Jahrhundert mit Tinte auf Papier niedergeschrieben. In den überwiegenden Fällen handelte es sich um so genannte Eisengallustinte, einer Mischung aus pflanzlichen Gerbstoffen und Eisensulfat. Zusammen bilden sie einen scheinbar unverwüstlichen, unauswaschbaren schwarzen  Farbstoff. Oft haben die Hersteller dieser Tinten jedoch nicht aufgepasst, und zuviel Metallsalze zugefügt. Im Laufe der Zeit oxidieren die, und setzen ätzende Schwefelsäure frei. Es kommt in der Folge zum so genannten „Tintenfraß“: die Säure zersetzt das Papier, an Stelle der Schriftzüge bleiben nur noch Löcher im Papier übrig.

Auch jüngere Druckwerke, besonders solche aus dem 19. Jahrhundert, sind eine tickende Zeitbombe: sie enthalten häufgig säurehaltigen Holzschliff, der Säuren freisetzt. Wer einmal in älteren Zeitungen oder Büchern geblättert hat, kennt das: das Papier ist oft so brüchig, dass man es nicht mehr handhaben kann.

Tintenfraß in einer Handschrift ((c) Wikimedia commons)

Es gibt hierzu Rettungsverfahren, stapelweise Bücher lassen sich in Massenentsäuerungsanlagen behandeln, in schlimmen Fällen müssen jedoch Restauratoren Seite für Seite in mühevoller Kleinarbeit von Hand behandeln. Ein Prozeß, der zeit- und kostenintensiv ist.

Die Bundesregierung ist im März 2017 bereits erste Schritte mit dem Programm ‚Originalerhalt 2017‛ in Höhe von 1 Million Euro gegangen. Diese Anschubfinanzierung wird allein nicht ausreichen und muss durch Maßnahmen auf Länderebene flankiert werden.

CDU: „Sicherung des schriftlichen Kulturgutes für die Zukunft ist eine nationale Aufgabe“

Angela Gorr, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Bildung und Kultur der CDU-Landtagsfraktion:

„Die Zahlen sprechen für sich: Es gibt 9.117 öffentliche Bibliotheken und Archive mit einem Bestand von 119 Millionen Einzelstücken, davon allein 90,58 Millionen Bücher. Der Umsatz dieser Bibliotheken und Archive beläuft sich auf rund 55 Millionen Euro. Dies macht die Notwendigkeit einer nationalen Kraftanstrengung deutlich, um das schriftliche Kulturgut durch Digitalisierung für die Zukunft zu sichern“, so Angela Gorr.

„Ziel unseres Antrags ist deshalb, den Bestand an schriftlichem Kulturgut in unseren Bibliotheken und Archiven für die Nachwelt zu erhalten und zu schützen, so dass keine Verluste an Wissen und Erkenntnis entstehen.  Sachsen-Anhalt darf sich dieser nationalen Aufgabe nicht verschließen“, sagt  Andreas Schumann, kulturpolitische Sprecher der Partei.

Zur Einbringung des Antrags erklärt die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle:

„Die Generationen vor uns haben verschiedene Methoden erdacht, um Wissen zu erhalten und weiter zu tragen. Da sind Steintafel, Papyrusrollen, Palmblätter, Bücher, Urkunden, Bücher, Briefe, Akten, Fotografien, Zeitungen und Zeitschriften, Karten, Musikalien und in jüngerer Zeit eben auch CDs und andere Datenspeicher. Aber nichts davon ist für die Ewigkeit gemacht.

Das Speichern von Wissen auf Papier ist seit Jahrhunderten der wichtigste und – gerade im Vergleich zu elektronischen Datenträgern – ein enorm haltbarer Wissensspeicher. Aber Papier ist durch Säurefraß, Schimmel, Feuchtigkeit, Tintenfraß und schlechte Lagerung bedroht. Schriftliches Kulturgut droht verloren zu gehen und damit auch ein Teil unseres kulturellen Gedächtnisses.
Wir haben im Haushalt 2017/18 den Ansatz für den Erwerb und Erhalt von Archivgut von 107.000 Euro auf 150.000 Euro erhöht und binden damit 150.00 Euro Bundesmittel. Was bisher aber fehlt, ist eine Landesstrategie zum Erhalt schriftlichen Kulturguts. Was wir brauchen, ist ein Konzept zur strukturierten Sicherung, Entsäuerung und Restaurierung des schriftlichen Kulturgutes in Archiven und Bibliotheken der Kommunen, des Landes, der Kirchen, Wissenschaftseinrichtungen und der öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Stiftungen. Was zu einem Konzept immer auch dazugehört, ist ein Finanzierungsplan. Das Konzept soll im Frühjahr 2018 vorliegen und dem Innen-, Bildungs- und Wissenschaftsausschuss vorgestellt werden.“

 

 

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