Aquamanile aus dem Jerichower Land

21. Oktober 2021 | Kultur | Ein Kommentar

Aquamanile sind kunstvoll gestaltete Handwaschgeräte, eine Art Gießkanne, die man für rituelle Handwaschungen in Kirchen und später vornehm bei Tisch zum Händewaschen benutzte. Die Gefäße kamen in Mode zur Zeit der Kreuzzüge als es zu einem kulturellen Austausch mit dem Morgenland kam. Sie wurden zunächst im religiösen Kontext verwendet, fanden aber bald Eingang in die höfische und bürgerliche Tafelkultur. Das Ritual der Händewaschung diente insbesondere im Frühmittelalter der kultischen Reinheit der christlichen Priester. Es geht auf Bräuche des frühen Judentums zurück, wurde vom Islam übernommen und kam mit heimkehrenden Kreuzrittern nach Europa. Die Hygiene war ein Nebeneffekt der Handwaschung. Sakrale Gießgefäße hatten häufig die Form eines Löwen. Zum Halberstädter Domschatz gehört z.B. ein Aquamanile in Gestalt eines Löwen. Es ist in die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts zu datieren. Ein Löwen-Aquamanile hatte in Halle das Kunstmuseum Moritzburg 1914 erworben. Das bronzene Prunkgefäß unbekannter Herkunft stammt ebenfalls wahrscheinlich aus dem 13. Jhdt.. 

Das Reinigen der Hände etablierte sich alsbald außerhalb des sakralen Raumes als Tischsitte der gehobenen Stände. Denn man speiste gewöhnlich mit den Fingern. Gabeln gab es erst ab dem 16.Jhdt.. Edelknaben reichten den Tafelnden – Ladies first und einer Rangordnung folgend – vor dem Essen und dann auch nach dem Essen Wasser und Handtuch zur Handreinigung. Man demonstrierte damit in adeligen Kreisen einen luxuriösen gehobenen Lebensstil. Beliebt waren Gießgefäße in Form eines Pferdes mit und ohne Ritter. Das Aquamanile von Großdemsin war in einem Wachsausgussverfahren hergestellt worden. Es stellt ein archaisch wirkendes Pferd dar (Länge 20cm, Höhe 23cm). Der Rumpf ist langgestreckt, Brust und Hinterteil gerundet, Hals und Kopf hoch aufgerichtet. Mandelförmige Augen, spitz nach vorn gerichtete Ohren und die angedeutete Mähne an Kopf und Hals zieren das Pferd. Auf der Stirn findet sich das Scharnier mit beweglichem Klappdeckel für die Einfüllöffnung. Der Ausguss liegt am Maul. Ein einfacher gebogener Rundstab dient als Handgriff. Insgesamt wirkt die Ausführung recht einfach. Die Entstehung wird im 12.-13.Jhdt. In Ungarn vermutet. Im Museum Schloss Neuenburg befindet sich ein oxidierend gebranntes Aquamanile, das man 1964 in der Unstrut bei Freyburg gefunden hatte. Aus der figürlichen Darstellung eines Reiters kann man schließen, dass das Objekt ebenfalls im 13. Jhdt. entstand. 

Alsbald nahm man es mit der Handreinigung bei Tisch nicht mehr so genau. Die Handwaschung beschränkte sich zumeist auf die Fingerspitzen nach dem Essen. Im Barock war sie sogar verpönt. Puder und Pasten traute man mehr edle Hygienewirkung zu. Im 17. und 18.Jhdt. kamen in Adels- und Großbürgerkreisen Fingerschalen auf. Jeder Gast erhielt eine solche Schale, die mit Zitronenwasser oder Rosenwasser gefüllt war. Unerfahrene neureiche Gäste sollen das schon mal für einen Aperitif gehalten haben.  Die aktuelle Verbreitung von Finger Food könnte den Fingerschalen eine Renaissance bescheren. 

Prof. Meller dankt dem ehrlichen Finder

Die Corona-Pandemie erinnert uns daran, dass Handhygiene nach wie vor wichtig ist. Überall stehen jetzt Spender für Desinfektionslösungen bereit. Kunstvoll sind sie nicht. Aber vielleicht fallen kreativen Köpfen schicke, ansprechende und zugleich praktische  Entwürfe für „Desinfectomanile“ (oder vielleicht „Alcomanile“) ein. Das Aquamanile von Großdemsin ist ein ausgesprochen seltener Fund und kann ab 5.November in den neuen Räumen der Dauerausstellung des Landesmuseum bewundert werden.

Dem ehrlichen Finder des Gefäßes sprach Museumsdirektor Prof. Meller mit einem kleinen Geschenk seinen ausdrücklichen Dank aus.

(H. J. Ferenz)

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