Andrea Ummenberger feiert Premiere mit Polly²

14. Oktober 2019 | Kultur, Veranstaltungen | Keine Kommentare

Andrea Ummenberger setzt sich in ihrem neuen Solostück „Polly hoch 2“ mit dem Schicksal von zwei Schauspielerinnen auseinander, die in ihrer Bühnenrolle als Polly überaus erfolgreich waren. „Barock meets Moderne“ heißt es in Polly². Andrea Ummenberger präsentiert in einem furiosen Solo ihr Können als Schauspielerin, Sängerin und Entertainerin, spürt unterhaltsam und mitreißend dem Können und Schicksal von zwei faszinierenden Vorgängerinnen ihrer Zunft nach. Wer aber waren diese Pollys?
Die erste Polly geht auf die englische Schauspielerin Lavinia Fenton (1708-1760) (eigentlich Lavinia Powlett) zurück. Sie war außergewöhnlich hübsch, attraktiv und lebenslustig. Sie stammte aus ärmlichen Verhältnissen und verdiente sich ihren Unterhalt zunächst als Barmädchen und Prostituierte. Dank ihres Aussehens und ihres Talentes feierte sie in ihren ersten Schauspielrollen sofort Erfolg. Berühmt wurde sie schließlich als Polly Peachum in „The Beggars Opera“ von Johann Christoph Pepusch. Lavinia begann eine Affäre mit dem 23 Jahre älteren, verheirateten Charles Duke of Bolton und zog sich von der Bühne zurück. Drei Kinder gebar sie ihm – doch erst als Charles‘ Frau gestorben war, konnten sie heiraten.
Die zweite Polly-Figur ist Carola Neher – gefeiert auf der Bühne, gestorben im Gulag. Die 1900 geborene Künstlerin schlug früh den Weg zur Schauspielerei ein. Schnell fielen ihr Talent und ihre Stimme auf, die Kritiker als „indianisch“ bezeichnen: Neher habe das „halb wilde, singende Organ eines Naturkindes“. Man schwärmte von ihrem Stil als „moderne, aggressive, irritierende Schauspielerin.“ Modern war auch ihr Erscheinungsbild: Sie trug eine Bubikopffrisur, machte den Führerschein und pflegte ihr Image als „femme fatale“. Bis heute unerreicht ist ihre Rolle als Polly in Brechts „Dreigroschenoper“. Mit Politik hatte die Schauspielerin eigentlich wenig am Hut. In Berührung damit kam sie durch ihre Affären und ihren zweiten Mann, den Kommunisten Anatol Becker. Die vermeintlich rettende Flucht vor den Nationalsozialisten wurde zur Katastrophe. Das Paar ging in die Sowjetunion, Carola Neher wurde denunziert: „Ich halte Carola Neher für eine Abenteuerin. … Neher ist antisowjetisch eingestellt.“ Es bewahrheitete sich, was sie bereits 1927 einmal gesagt hatte: „Wir Schauspielerinnen sind erst auf der Bühne in unserem Element – wir stolpern nur im Leben.“ Nach einem kurzen Prozess wurde sie zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt und starb 1943. Brecht wusste um ihr Schicksal. Aber ihr Schicksal interessierte niemanden wirklich. Gustav von Wangenheim war der Denunziant. Er wurde nach 1945 der erste Nachkriegsintendant des Deutschen Theaters in Ost-Berlin und wurde für seine Arbeit als Regisseur und Drehbuchautor mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Er starb unbehelligt 1975.
Der bekannte Pianist Christoph Reuter, der unter anderem als Begleiter für Eckart von Hirschhausen arbeitet, komponierte die Songs und arrangierte sie. Die Texte stammen von Andreas Hillger. Christoph Baselt begleitet Andrea Ummenberger am Klavier.

Achtung: Neue Termine!! Premiere ist verschoben auf den 7.November um 19.30 Uhr im Händelhaus. Weitere Aufführungstermine werden noch bekannt gegeben.

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