Alles über´s Ei

25. März 2018 | Kultur | Keine Kommentare

Ex ovo omnia – Jupiter öffnet ein Ei (William Harvey 1651)

Bald ist Ostern. Kaum waren die Schokoladenweihnachtsmänner aus den Ladenregalen verschwunden, schon erinnerten Eier und Schokohasen in der Süßwarenabteilung an das nahende Osterfest, ein Fest, das unmittelbar mit dem Genuss von Eiern verbunden ist. Wieso eigentlich?
„Ex ovo omnia“ – steht auf dem Titelbild des Tieratlasses „De Generatione Animalium“, den William Harvey 1651 publizierte. Das Ei trägt das Wunder des Lebens und ist so Fruchtbarkeits- und Lebenssymbol schlechthin. Neues Leben entsteht nach entbehrungsreichen Wintermonaten im Frühling. In vielen Kulturen wurde und wird somit das Ei als Symbol des Universums, als Urgrund der Welt verehrt und gilt als heilig. Nach einem japanischen Mythos hingen Himmel und Erde ursprünglich zusammen und bildeten die Form eines Eies, in dessen Mitte der Keim für alles Leben lag. Die Ägypter haben das Ei und den Vogel in einem Bild miteinander verbunden: Die Sonne ruht im Ei eines Wasservogels wie in einer Wiege. Die Wiege symbolisiert den weiblichen Schoß. Wasser, Vogel und Ei stehen für das Weibliche, die Sonne für das Männliche. Zusammen sind sie Urquell des Lebens. Bei unseren germanischen Vorfahren spielte das Ei im Rahmen der alten Frühlingsfeste eine herausragende Rolle: Rot gefärbte Eier waren Wotan geweiht, bunt bemalte Eier wurden der Frühlings- und Fruchtbarkeitsgöttin Ostara zu Ehren bei einem Frühlingsfest als Opfergabe dargebracht. Zum Symbol für die Auferstehung wurde das Ei im Christentum. Die Schale symbolisierte das Grab, aus dem das Leben kommt.
Die meisten von uns können sich das Osterfest ohne bemalte Eier gar nicht vorstellen. Angemalt und an Kinder verschenkt wurden Ostereier aber erst vom 17. Jahrhundert an, obwohl das Bemalen von Eiern schon im vorchristlichen Griechenland Sitte war. Doch erst als die Türken Byzanz eroberten, flüchteten viele Bewohner nach Norden und überlieferten so die schöne Tradition des Eier-Bemalens. In einem Grab in Worms aus dem 4.Jahrhundert haben Archäologen die wohl ältesten bemalten Eier gefunden: Zwei mit Streifen und Tupfen verzierte Gänseeier. Mancherorts ist das Bemalen von Eiern zu einer hohen Kunst entwickelt worden, z.B. bei den Sorben. Sogenannte Überraschungseier gab es auch schon früher: 1884 fertigte der Goldschmied Peter Carl Fabergé für die Zarenfamilie in Russland kostbare goldene Eier.

Kunstvoll bemalte Ostereier

Eier gehörten schon früh zu den Gütern, die unter die österliche Abgabepflicht fielen. Alte Urkunden berichten bereits im 9. Jahrhundert, dass Bauern bis zu 100 Eier pro Hof an die weltliche oder geistliche Herrschaft abliefern mussten. Dafür erhielten sie das Jahr über Zoll- und Marktfreiheiten, speziell für Eier. Diese abzuliefernden Zinseier hat der Bauer farbig gekennzeichnet. Die Kirchen und Klöster verwendeten die Eier zur Entlohnung ihrer Mitarbeiter oder gaben sie an Arme und Bedürftige weiter.
Und was hat der Hase mit den Eiern zu tun? Ganz sicher ist man sich über den Ursprung des hoppelnden Eierbringers nicht. In vorchristlicher Zeit galt der Hase, ähnlich wie das Ei, als Symbol für Fruchtbarkeit. Bei der Christianisierung versuchten die Menschen liebgewonnene
Rituale und Symbole der alten Zeit mit neuen zu verbinden. Vielleicht hat der fruchtbare Hase so den Sprung ins Christentum geschafft. Der Osterhase könnte aber auch aus dem Hasenbraten als österliche Zinsgabe entstanden sein. Im Kinderglauben tauchte der Osterhase vor etwa dreihundert Jahren zunächst am Oberrhein, in der Pfalz und im Elsass auf.

Eine Erfolgsgeschichte der Natur

Ei einer Wanderheuschrecke auf Hühnerei

Das Ei ist ein wahres Wunder der Natur. Aus ihm entwickelt sich ein neues Lebewesen. Es enthält fast alles, was gebraucht wird, um aus einer befruchteten Eizelle nahezu unabhängig von der Umwelt einen neuen vollständigen, zu selbständigem Leben befähigten Organismus entstehen zu lassen. Es ist vielleicht eine Milliarde Jahre her, als die geschlechtliche Fortpflanzung mit Ei- und Spermienzellen entstand. Damit sich aus der befruchteten Eizelle ein neues Tier entwickeln konnte, wurde sie mit einem Vorrat an Nährstoffen ausgestattet. Eizellen können enorme Dimensionen erreichen. Die größte bekannte Eizelle ist der Dotter des Straußeneis. Eizellen sind die größten tierischen Zellen. Sie sind als einzige in der Lage, außerhalb des Körpers zu überleben.
Tiere, die im Wasser leben, geben ihre Eier einfach in das umgebende Medium ab. Wasser und den darin gelösten Sauerstoff nimmt der sich entwickelnde Embryo durch Diffusion auf. Mechanischen Schutz bieten derbe Zellwände oder gallertige Umhüllungen, wie z.B. beim Froschlaich.
Der Übergang zum Landleben machte es erforderlich, die Eizelle samt ihrem Dottervorrat noch besser mechanisch zu schützen und Wasserverluste zu vermeiden, aber dennoch einen Gasaustausch mit der umgebenden Luft zuzulassen. Das Vogelei entspricht diesen Anforderungen bestens und hat sich über viele Jahrmillionen bewährt: Die Eizelle mit ihrem Dotter wird im Eiklar eingebettet, an Stöße abpuffernden Hagelschnüren aufgehängt und das Ganze dann von einer Schale aus Calciumcarbonat umhüllt. In dem Kalkpanzer kann sich gut geschützt der Embryo entwickeln. Die clevere Eiform verhindert ein Zerdrücken und Wegrollen. Der Panzer ist allerdings nicht völlig wasserdicht. Zum atmungsbedingten Gasaustausch hat das Hühnerei nämlich am stumpfen Ende ca. 10.000 winzige Poren, durch die Sauerstoff (ca. 6 Liter) aufgenommen und Kohlendioxid (ca. 4 Liter) abgegeben wird. Dabei wird aber auch unweigerlich Wasserdampf (insgesamt 11 Liter) ausgeschieden. Deshalb muss die Porenanzahl begrenzt sein, denn der Wasservorrat im Ei muss bis zum Schlupf reichen. Meeresschildkröten und Krokodilen reicht als Eischale eine ledrige Eihülle, denn sie deponieren ihre Eier in feuchter Umgebung. Evolutionsbiologen können aus der Dicke fossiler Saurier-Eierschalen auf die damaligen ökologischen Umweltbedingungen schließen.
Fürsorge für die Brut ist im Tierreich sehr unterschiedlich ausgeprägt. Oft beschränkt sie sich auf die Auswahl eines optimalen Ortes für die Eiablage, wie bei Lachsen, die dazu in Flüsse mit sauerstoffreichem Wasser einwandern und nach dem Ablaichen sterben. Oft bewachen Tiere ihre Gelege bis zum Schlupf und schützen sie vor Räubern. Besonders intensiv ist die Fürsorge bei gleichwarmen Vögeln. Die Embryonen benötigen konstante höhere Temperaturen für ihre Entwicklung. Schützende Nester und Brutverhalten sichern den Wärmebedarf. Bemerkenswert sind auch hier die vielen Überlebenstricks in der Natur. Thermometer-Hühner lassen z.B. ihre Eier von der Wärme noch aktiver Vulkane oder der Wärme verrottenden Laubs ausbrüten.

Wie kommt der Dotter ins Ei?
„Jeden Tag ein Ei und Sonntags auch mal zwei“ – Fleißig produzieren Hühner Eier mit gehaltvollem Dotter. Die Eizelle wäre völlig überfordert, wenn sie diese Dotterkomponenten selbst herstellen und anreichern sollte. Bei sehr kleinen Organismen helfen im Ovar Nährzellen bei der Bereitstellung von Dottermaterial. Wesentlich effektiver ist jedoch das „Outsourcing“ in hierauf spezialisierte Organe. Bei niederen Tieren wie Insekten übernimmt der sogenannte Fettkörper, bei höheren Tieren, wie Vögel, die Leber diese Aufgabe. Diese Organe werden über den Blutkreislauf gut mit den nötigen Bausteinen versorgt, die durch Verdauung aufgenommener Nahrung gewonnen werden. Sie haben die notwendigen Synthesekapazitäten, um in kurzer Zeit die benötigten Mengen von Dotterproteinen, Fetten und Kohlenhydraten herzustellen. Das Blut transportiert die Syntheseprodukte zu den Eizellen. Die importieren diese Materialien, indem Einstülpungen der Eizellmembranen sich als Bläschen ins Zellinnere abschnüren und dabei Blutbestandteile mitnehmen. Der Vorgang ist allerdings sehr selektiv. In der Zellmembran befinden sich nämlich Rezeptoren, die nur die Dotterproteine aus dem Blut fischen, festhalten und nach dem Abschnüren der Bläschen im Inneren der Eizelle wieder freigeben. Der Transportvorgang wiederholt sich mit hoher Geschwindigkeit. Er läuft bei allen Tieren, die dotterreiche Eier bilden, in ähnlicher Weise ab. Im Eileiter der Hühner wird die Dotterkugel dann von schützendem Eiklar umhüllt und schließlich mit dem Kalkpanzer versehen. Jetzt kann das Ei gelegt werden.

H.J. Ferenz

Demnächst: Alles über´s Ei (2) – Eier als Lebensmittel und Küchenhelfer

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