Alchemie – Neue Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte
22. November 2016 | Kultur | 6 KommentareEin sensationeller Fund aus dem ehemaligen Franziskanerkloster in Wittenberg ist für das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle Anlass zu einer Sonderausstellung mit dem Titel „Alchemie – Die Suche nach dem Weltgeheimnis“. Im Mittelpunkt stehen die Überreste eines alchemischen Laboratoriums des 16. Jahrhunderts. Rund um den Fund geht die Schau nicht nur dem Thema Alchemie, sondern auch den Anfängen der modernen Naturwissenschaften bis zur heutigen Zeit nach.
Während einer Ausgrabung im Franziskanerkloster in Wittenberg fand man eine Abfallgrube mit unzählig vielen Glas- und Tonscherben. Nach Abschluss der Ausgrabung Ende 2013 lieferten die Ausgräber sie ins Landesmuseum für Vorgeschichte nach Halle, wo man sie zunächst für alltäglich hielt. Erst nach genauerer Betrachtung und einigen Analysen fand man heraus, dass Schwermetalle wie Quecksilber, Blei und Antimon an den Scherben hafteten. Eine Restauratorin setzte daraufhin die Scherben zusammen.
Nach und nach wurde klar, dass es sich bei dem Fund um entsorgte Arbeitsgeräte einer Alchemistenwerkstatt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts handelt. Was für die Alchemisten also nur Abfall war, beschert den Wissenschaftlern heute die älteste Entdeckung einer solchen Werkstatt in Mitteleuropa. Denn auch wenn alchemistische Geräte und Experimente in vielen zeitgenössischen Büchern beschrieben werden, sind die entsprechenden Hinterlassenschaften wie die Arbeitsgeräte kaum vorhanden.
Heutzutage gelten Alchemisten oftmals nur als Betrüger, die in dunklen Laboratorien arbeiteten und versuchten, Gold herzustellen. „Alchemisten sind oftmals als Schwarzmagier verschrien. Dass dies nicht der Fall ist, wollen wir mit unserer neuen Sonderausstellung zeigen“, erklärt Jens Brauer, Kurator der Ausstellung. So hat sich die Werkstatt in Wittenberg rein mit der medizinischen Behandlung auf Grundlage der neuen Chemiatrie des Paracelsus beschäftigt.
Doch die „Suche nach dem Weltgeheimnis“ beschränkt sich nicht nur auf die medizinische Anwendung. Auch die Umwandlung von Metallen in Gold war im Fokus der alchemistischen Arbeit. Dies zeigen Exponate in der Ausstellung von zwei weiteren Alchemie-Werkstätten, zum einen aus dem Kloster Huysburg im Harz, zum anderen aus Oberstockstall in Österreich. Letztere Werkstatt war auf die Bearbeitung von Metall spezialisiert. „Die Umwandlung von Metallen in Gold klingt für uns heute absurd. Aber zur damaligen Zeit hatten die Menschen keine Vorstellung von den Elementen in unserem heutigen Sinne“, erzählt Dr. Christian-Heinrich Wunderlich, Leiter der Restaurierungswerkstatt des Landesmuseums für Vorgeschichte.
Um Krankheiten zu heilen, Blei oder Silber in Gold zu verwandeln und sogar die Erbsünde zu tilgen, suchten die Alchemisten den „Stein der Weisen“. Dieser sollte bestimmte Eigenschaften haben: wachsartig und zugleich unschmelzbar, „steinschwer“ und rot. „Den Grund der roten Farbe kann man sich wie bei einem Safranfaden vorstellen. Da dieser Reis goldgelb färbt, dachte man früher, der Stein der Weisen müsste rot sein, um jedes Metall in Gold umzuwandeln“, erklärt Wunderlich.
Und auch wenn sie den Stein der Weisen nicht finden konnten, ist ihre Arbeit bis in unsere Zeit von Bedeutung. „Alchemisten legten mit teilweise bis heute praktizierten Lehrmethoden den Grundstein für die modernen Naturwissenschaften. Die Wissenschaft war nicht in verschiedene Disziplin aufgeteilt so wie wir sie kennen, sondern breit gefächert“, so Brauer. Wunderlich fügt hinzu: „Im Zuge der Entstehung der modernen Chemie im 19. Jahrhundert verklärte man die Alchemie rückwirkend als mystische Esoterik und Betätigungsfeld betrügerischer Goldmacher. In den drei Jahrhunderten zuvor war Alchemie dagegen eine angesehene Wissenschaft und Kunst, die an vielen Fürstenhöfen, aber auch Klöstern mit ernsthaftem Eifer betrieben wurde.“
Das Landesmuseum für Vorgeschichte thematisiert dieses komplexe Thema in einer neuen Sonderausstellung. Dazu zeigt es die Ursprünge der Alchemie im hellenistischen Ägypten, über die arabische Welt bis hin zur Blütezeit im Mittelalter und Frühen Neuzeit. Dazu wird auch Bezug auf die Anfänge der modernen Naturwissenschaft bis zur heutigen Zeit genommen. Denn haben wir nicht immer noch die gleichen Sehnsüchte nach Schönheit, Gesundheit und Reichtum wie damals?
Der Kulturstaatssekretär, Dr. Gunnar Schellenberger, wird die Ausstellung am Donnerstag, 24. November 2016, um 19 Uhr im Landesmuseum für Vorgeschichte eröffnen. Sie wird bis 5. Juni 2017 geöffnet sein.
Nicole Kirbach
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Und trotz dieser Sehnsüchte ist chemisches Wissen und Denken auch heute nur begrenzt in der breiten Bevölkerung angekommen. Man denke an die wilden Müllkippen der 70er Jahre – oder an heute noch verwendete Erklärungen der Homöopathie.
@wolli: eine weibliche Alchemistin war beispielsweise die sächsische Fürstin Anna von Dänemark. Ihr Mann, August von Sachsen, übte sich in der Metallurgie, während sie Heilmittel herstellte. Ihr Rezeptbuch findest du in der Ausstellung.
Danke, dass du dazu nicht noch ein eigenes Thema im Forum eröffnet hast.
Es gibt auch weibliche Alchemisten wie der Roman „Die Alchemistin“ (in der Stadtbibliothek vorhanden) beweist:
Der alte Magier Nestor Institoris wird kurz vor seiner Entdeckung des Steins der Weisen von seinem Widersacher grausam ermordet. Seine Tochter überlebt das Grauen und gerät in einen Konflikt, dessen Ursachen bis in die Zeit der Tempelritter zurückreichen.
Der persische Arzt und Alchemist Al-Razi (865 – 925) soll als erster hochprozentigen Alkohol destilliert haben. Das wichtigste Produkt, das damals durch Destillation gewonnen werden sollte, war aber wohl Rosenöl.
Meines leider unvollständigen Wissens, gab es ein Verbot von Goldschmuck im Islam, weswegen in der arabischen Welt das Gold damals aufgelöst und dem Glas zugesetzt wurde. Das so veredelte rotgefärbte Glas war durch den Goldzusatz farblich verwandelt. Vielleicht kam ja gerade aus dieser Anschauung heraus, die vorstellung des rotfarbenen Stein des Weisen.