Ist Katalonien ein typischer Fall von Kleinstaaterei?

6. Januar 2019 | Nachrichten | 6 Kommentare

„Kleinstaaterei und Nationalismus lehne ich ab, deswegen habe ich für die Belange der Katalanen kein Verständnis“, das hören wir öfters im Zusammenhang mit  Catalunya / Katalonien hierzulande. Das wird heute Thema sein:

Zahlreiche Politiker/innen der autonomen spanischen Region Catalunya / Katalonien sitzen seit über einen Jahr in Haft. Die Anklagen sind nach deutschen und europäischen Verhältnissen dubios. So ist Carme Forcadell, die ehemalige katalanische Parlamentspräsidentin angeklagt, weil sie eine parlamentarische Sitzung geleitet hat.  Zwei Aktivisten der regionalen Bewegung sollen vor Gericht kommen, weil sie eine friedliche Demonstration zu verantworten haben und beide Seiten zur Deeskalation aufgefordert haben. Andere Politiker/innen wie der ehemalige Präsident Carles Puigdemont (in Belgien), die linke Politikerin Anna Gabriel (in der Schweiz) und Clara Ponsatí i Obiols (in Schottland, wo sie eine Professur inne hat) flohen ins Exil.

Ist eine Catalanische Republik die Lösung?

Ist der Fall der katalanischen Unabhängigkeit nicht nationalistisch und ein typischer Fall von Kleinstaaterei? Das fragte HalleSpektrum Gemma Durany, die für „Heidelberger Comité zur Durchsetzung der Republik“ spricht. Frau Durany antwortete uns: Echter, gefährlicher Nationalismus kommt Ihrer Meinung aus Spanien, das eroberungssüchtig sei. „Katalonien kämpft eher ums Überleben der eigenen Kultur und Sprache.“ Sie hat uns auf ihren Blog verwiesen, in der sie sich mit der Frage ausführlich auseinandersetzt:

Sie fragt sich dort, was an den großen Staaten eigentlich so empfehlenswert sein? „Was ist so empfehlenswert an Großmächte und Großstaaterei?“ Und wäre Katalonien wirklich ein Kleinstaat? Sie stellt dar: „Katalonien hat 7,6 Millionen Einwohner. Sind 7+ Millionen Einwohner so klein für ein gut funktionierendes, zufriedenes und selbstbestimmtes Land innerhalb eines vereinten Europas als Bund? Statistisch geht es den kleineren Europäischen Ländern besser als den Großen.“ Viele europäische Staaten sind viel kleiner als Katalonien. Müßten die nach dieser Logik dann nicht zusammengeführt werden, stellt Frau Durany die ketzerische Frage. „Österreich könnten wir an Deutschland wieder anschließen. Fällt ja mit knapp 9 Mio Einwohnern nur etwas größer als Katalonien aus. Dänemark kriegt wer? Und die Balten führen wir wieder zusammen als Was?“ Warum haben andere europäische Kleinstaaten ein Recht zu existieren und Katalonien nicht?, stellt Frau Durany in den Raum. Kriegerische Lösungen werden oft akzeptiert, friedliche Versuche blockt man ab? Warum wird bei Demokratiedefiziten in Osteuropa wie jetzt im Fall Rumänien so genau hingeschaut, aber „aber schauen wir schnell weg, wenn es um Spanien geht und Katalonien trifft?“ Sie meint, dass der Zentralstaat nicht mehr die Lösung ist, denn „Katalonien hat seit Jahrzehnten immer wieder versucht, eine gute Lösung innerhalb des zentralistischen Spaniens zu finden, sich kompromissbereit gezeigt und meistens vernünftige Forderungen ausgesprochen, die anderen Regionen Spaniens genehmigt worden sind, z.B. Andalusien. Spanien hat immer wieder ablehnend und arrogant gegenüber Kataloniens Wünsche reagiert, das letzte berühmte Mal im 2010.“ Sie meint nicht ganz zu Unrecht, dass selbstsüchtige Großstaaten nicht die Lösung für Europa sein können. Der Brexit des Vereinigten Königreiches zeigt dies nur zu deutlich wieder auf. Frau Durany stellt in den Raum „Wie wäre es z.B. mit der Vision einer Europa Republik als Bund der Regionen unterschiedlicher Größen?“ Im Original und in voller Länge nachzulesen.

Die Frage nach Nationalismus und Kleinstaaterei haben wir auch der spanischen Botschaft gestellt und warten auf die Antwort.

Der ganze Konflikt kann von „Eva und Adam an“ in einem (katalanisch gefärbten) Gastbeitrag in der Zeit nachgelesen werden.

Hintergrund:

CDR Heidelberg steht nach eigenen Bekunden für Heidelberger Comité zur Durchsetzung der Republik. Es sind internationale Rhein-Neckar AktivistInnen mit der Vision eines regional aufgestellten, ökologischen und solidarischen Europas. Ihr erstes Projekt ist eine offene, diverse Katalanische Republik ohne Grenzen.

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