Mutter, Mikrowelle und Mundschutzmasken: Kommunikation in Zeiten von Corona
25. April 2020 | Glosse | 3 KommentareAuf dem Essenstisch vibriert und brummt das Handy. „Wieder ein WhatsApp-Corona-Meme“. Gelangweilt schiele ich auf das Gerät, das plötzlich hell erleuchtet ist, wie von Geisterhand erscheint das Gesicht meiner 86-jährigen Mutter im Vollformat. Wie ein „Vera Icon,“ aber es spricht mich auch noch an.
„Hallo, ist da wer?“
„Mama, wie kommst du auf meinen Bildschirm?“
„Huhu, mein Sohn, ich sehe dich, wie kommt das?“, fragt das Gesicht meiner Mutter.
„Keine Ahnung, du hast wohl eine Videokonferenz gestartet, ich kenne mich da aber überhaupt nicht mit aus!“, sage ich.
Das ist nicht geschwindelt. Es ist die erste Videokonferenz meines Lebens. Meine Mutter entschuldigt sich, sie habe da auf eine falsche Taste auf dem Handy gedrückt. „Ich wollte wirklich nicht stören“.
„Mama lass, mal, ist doch witzig“, stammel ich, während ich vorsichtig das Weinglas aus dem Blickfeld der Frontkamera rücke und versuche, das Bild auf eine aufgeräumte Ecke der Wohnung zu richten.
„Erzähl doch mal, wie es dir so geht, im Laschet-Locker-Land“, versuche ich abzulenken. Mutter wohnt in NRW, 500 km weit weg vom nahezu Corona-freien Sachsen-Anhalt.
„Och, wir sind da nicht so hysterisch wie ihr, und ich habe sogar Masken“ entgegnet sie entschlossen. „Aus China. Direktimport“.
„Wie das?“ Minh, Mutters Nachbarin, stammt aus China, macht für sie Einkäufe, bekocht sie mit wunderbaren Gerichten, deren Exotik meine Mutter so begeistert, dass wir sie gelegentlich per WhatsApp als „Foodporn“ bewundern dürfen. Minh hat Mutter per Direktimport aus ihrer Heimat mit einem Stapel OP-Masken versorgt. Mutter, in ihrem Berufsleben Ärztin im Gesundheitsamt, verriet mir begeistert, dass sie herausgefunden habe, dass man die recyclen kann, sprich nach Gebrauch desinfizieren.
“ Du meinst, auskochen? “ frage ich.
„Nein, meint die erfahrene Medizinerin: „Trockensterilisation in der Mikrowelle. Hab ich gerade gemacht!“
„Äh.. Mama? sind da Metalldrähte in den Masken?“
„Ja, wieso?“
„Die können heiß werden, und die Maske fängt an zu brennen, wegen der Induktionsströme“
„Ooch echt?“
Mutter verschwindet aus der Szene. Geklapper im Hintergrund, aber statt einer Rauchwolke erscheint sie wieder im Bild, offenbar sichtlich unverletzt.
„Stimmt, sagte sie. Hattest recht. Total verschmort, die Teile. Eigentlich witzig. Da sollen die mich vor Corona schützen, und beinahe hätte ich einen Küchenbrand gehabt“.
Mutter schickte mir dann noch ein Handyfoto von den gegrillten Masken. Siehe Beitragsbild.
Jetzt muss ich noch herausfinden, welche Taste meine Mutter gedrückt hat, um Videokonferenzen zu starten.
(H.W.)
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Da hast du natürlich recht, @Agricola. Mich wundern die hohen Fallzahlen in Halle ohnehin, wenn wir die beispielsweise mit Magdeburg vergleichen. Böse Zungen würden behaupten, dass es daran liegt, dass Wiegand die HAVAG nicht in Griff hatte , und die Ansteckungen vorwiegend in den „Corona-Schunkeln“ erfolgten. Liebe Zungen sagen, dass Katastrophen-Bernd uns vor Schlimmeren bewahrt hat. Schon dadurch, dass wir seit Wochen zwischen 13:00 und 14:00 h vor der Glotze sitzen, um seiner Corona-Show zu folgen.
Schöne Geschichte, aber sollte man Fallzahlen nicht mit der Einwohnerzahl (pro 100 000) wichten – dann hätten wir in NRW 176, in LSA 67 und in Halle 134 – nahezu seuchenfrei stellen ich mir anders vor.
In meinem Haus rätselt man mal wieder, WARUM ich so laut lache allein in meinem Neubau-Appartement aus Zeiten eines untergegangenen Staats. Danke für die Glosse, das brauchte ich gerade für mein Gemüt!!