Anmaßung, Satire oder Ahnenkult? Ex-OB Wiegand in Diskussion mit Ex-OB Rive
8. Juni 2023 | Glosse | Keine Kommentare
Bernd Buch Bürger
Zu einem „Rive-Abend“ lädt der suspendierte Ex-Oberbürgermeister Bernd Wiegand seine Gäste in das Literaturhaus Halle. Die Veranstaltung findet im Rahmen seiner Reihe „Bernd, Buch und Bürger“ statt. In der Ankündigung wird nicht weniger als das versprochen: „Bernd Wiegand im Gespräch mit Oberbürgermeister Richard Robert Rive“. Da der echte Robert Rive (*1864 † 1947 , 1908 bis 1933 Oberbürgermeister der Stadt Halle) schon tot ist und sich nicht wehren kann, muss ein Schauspieler herhalten: „Die Schauspieler Peer-Uwe Teska und Joachim Unger, der Musiker Klaus Adolphi und Oberbürgermeister Bernd Wiegand haben aus Rives seiner Autobiografie eine Lesung entwickelt “ heißt es in der Ankündigung. „Anschließend können sich die Zuschauer einbringen, wenn es mit Rive zurück in Halles Zukunft geht“. Für die Veranstaltung wirbt auf dem Flyer mit weißer Schrift und rotem Häkchen-Hintergrund der Wiegand-Unterstützerverein Wahlverein „Hauptsache-Halle“, der auch für den partparteilosen Ex-Ob eine Fraktion im Stadtrat bildet.
Die Beziehungen zwischen Wiegand und dem Stadtrat von Halle (Saale) waren während seiner aktiven Amtszeit sehr angespannt. Auf Betreiben von CDU, SPD und FDP strebte der Rat seit Dezember 2015 ein Disziplinarverfahren gegen Wiegand an; dabei ging es um eigenmächtige Entscheidungen, Personalfragen und den Umgang mit Mitarbeitern. Auch wegen seiner vorzeitigen Corona-Impfung stand Wiegand in der Kritik; mehrere Stadträte hatten ihn zum Rücktritt aufgefordert. Außerdem strengten einige Stadträte ein Verfahren zur Suspendierung gegen Wiegand an, das am 7. April 2021 erfolgreich war. Mitte Juni 2021 wurde er von der Landesverwaltung von Sachsen-Anhalt vorläufig von seinem Amt enthoben und seine Bezüge auf 50 % gekürzt. Das wurde im Januar 2022 vom Oberverwaltungsgericht Magdeburg bestätigt.
Die Amtszeit Rives gilt hingegen als Erfolgsgeschichte: er ließ die Stadtverwaltung modernisieren, so entstand etwa der heutige Ratshof als modernes Verwaltungsgebäude hinter dem damaligen Rathaus. Darüber hinaus tätigte man zahlreiche Ankäufe für die Stadt, darunter die Burg Giebichenstein (1921, Einrichtung einer Kunstgewerbeschule), den Reilsberg mit dem Zoologischen Garten der Stadt, die Brandberge und 1929 die Dölauer Heide. Die Kultureinrichtungen der Stadt wurden gefördert; daneben entstanden das Museum der Moritzburg (1904) und das Landesmuseum für Vorgeschichte (1913). Der Flughafen Leipzig/Halle wurde 1927 eröffnet, der städtische Hafen in Trotha 1931.
Rive-Abend mit Gästen am 15.06.2023 aus der Reihe: Bernd, Buch und Bürger Kartenvorbestellungen nimmt das Literaturhaus zwischen 9 und 16 Uhr unter der Telefonnummer +49 (0) 345 13252513 oder +49 (0) 345 13252512 gern entgegen. Reservierungen sind auch unter tickets@literaturhaus-halle.de möglich.
(Achtung: Eintrittspereis 12 Euro)
Flyer: BBB_flyer_2023_06_druck_NEU
Die Veranstaltung ist bereits die Dritte dieser Reihe. Zuvor hatte er schon Reiner Callmunds mit dessen Buch „Fußballbekloppt“ und die Publizistin Barbara Siechtermann zum Thema Hausbesetzerszene im Literaturhaus zu Gast. An letzterer Veranstaltung hatte es massive Kritik seitens der CDU gegeben. Andreas Scholtyssek (CDU/FDP-Fraktionsvorsitzender) regte sich nicht nur darüber auf, dass Wiegand auf diese Weise die Hausbesetzerszene hoffähig mache, sondern fragte sich auch, warum die Sparkasse als Eigentümerin des Literaturhauses ihre politische Neutralität verletze, indem sie derm Wiegand-Fraktion ein politisches Forum biete.