Aktivisten-Zwist um den grünen Klee

12. Juli 2021 | Glosse | Keine Kommentare

Food-Forest Hinweisschild auf der Peißnitz

Da, wo sich letztes Jahr noch zwischen einigen Pappeln nahe des Peißnitzhauses noch eine schlichte Wiese ausbreitete, ist nun ein Areal mit Flatterband abgesteckt. Auf einem Teil des Geländes hat jemand Rindenmulch ausgebreitet, in anderen Bereichen ist eine spärliche „Blühwiese“ angelegt, zwischen Korn- und Ringelblumen und verblühtem Klatschmohn recken sich verschüchtert ein paar Sonnenblumen empor. Was wie eine spontane und stecken gebliebene Nachbarschaftsaktion aussieht, ist Teil eines großen Projektes, eines Gemeinschaftswerks der Stadt Halle und des „Foodforest Halle e.V.“.

Da ist nicht etwa ein weiteres Streetfoodfestival geplant, sondern es soll hier eines Tages ein Stück „essbare Natur“ wachsen, die allen interessierten Bürgern „zum riechen, sehen und auch Schmecken“ zur Verfügung stehen soll. Darüber klärt jedenfalls das Hinweisschild auf, mit Reißzwecken in Klarsichfolie an einen Holzaufsteller gepinnt, der, liebevoll mit Rindenstücken beklebt, Waldoptik vermitteln soll. Eines Tages, so verspricht das Schild, sollen hier nicht nur Klee und Blümchen wachsen, sondern auch Obstbäume und Beerensträucher, zum Beispiel die „Jostabeere“, eine sehr moderne, künstliche Kreuzung von Johannis-und Stachelbeere, die an keinem Ort der Welt je natürlich vorkam.

„Das Umweltprojekt hat das Ziel, dass die „Bewohner*innen“ der Stadt die Prozesse und Rhytmen der Natur hautnah erleben können“, informiert das Schild noch, und auch, dass das Gelände die erste Station mehrerer solcher geplanten Anlagen sei, die noch über die Stadt verteilt werden. Sie alle sollen dann den so genannten „Ernteweg“ bilden.

Auenwald-aber normal : der AHA mischt sich ein.

Leider stößt der nette Versuch der Beerenfreunde nicht bei Allen auf Gegenliebe. Auch nicht bei der Umweltorganisation „Arbeitskreis Hallescher Auenwälder“ (AHA), deren „satzungsgemäß“ angestammtes Kernrevier nun ausgerechnet die Peißnitz ist, und der sich seit Jahrzehnten für einen möglichst naturnahen Erhalt und am liebsten auch für die Rekonstruktion der Halleschen Auenwälder engagiert.

„Hätte man uns doch mal gefragt“ ist noch der höflichste Klang im Konzert jener (gewohnt ellenlangen) Pressemitteilung des AHA, der sich über die Unprofessionalität der gärtnernden konkurrierenden Umweltgruppe aufregt. Dessen Aktivitäten haben die Auenwald-Aktivisten nämlich im April entdeckt (nachdem das Flatterband mit Schild schon im Herbst da war – Red.).

Der AHA schreibt los und wird erst einmal förmlich: „Am 16.04.2021 erstmalig die Aktivitäten entdeckt, wendete sich der nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vom Umweltbundesamt anerkannte, gemeinnützige und ehrenamtliche Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) mit Mail vom 22.04.2021 an den Vorstand des Trägervereins Food Forest Halle e.V. mit folgendem Inhalt“

Dann wird man deutlich: Josta-Beeren und vieles mehr gehöre nun mal nicht in den Auenwald: „Die Peißnitzinsel gehört zur Saaleaue und hat eine spezielle Fauna und Flora der Hartholz- und Weichholzaue sowie der Hochstauden- und Wiesengesellschaften. Alle anderen Arten und Gemeinschaften sind die nicht autochthon, also nicht standortgerecht und haben dort auch nichts zu suchen. Dazu zählen eben auch die Pflanzenarten, welche Sie dort anpflanzen möchten. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob sie im Norden vorkommen bzw. winterhart sind“.

Schlimmer noch: es wird befürchtet, dass sich die neuen Kulturbürger, vom Hochwasser getragen, im gesamten Auenwald breitmachen könnten.

Es folgt das höfliche Angebot, den Umwelt-Gärtnerverein beraten zu wollen: „Bitte nehmen Sie unser Angebot an und profitieren Sie von unseren in nunmehr 41 Jahren gesammelten Erfahrungen und unserer vielfältigen Fachlichkeit“, zitiert der AHA aus seiner Korrespondenz mit dem Beeren-Verein und – natürlich- auch der Stadt Halle, die umfassend in den Zwist eingebunden ist.

Wer will, kann das alles hier nachlesen:Presseerkla rungErnteweg&WiesenHalle08.07.2021

Über den Ausgang des Beeren-Streits wird möglichgerweise eine dritte Gruppe entscheiden, die sich seit letztem Jahr intensiv um die Gestaltung des Naturraums kümmert. Eine ständig größer werdende Rotte von Wildschweinen gestaltet die Insel bereits unabgesprochen nach ihrem Gusto um: auch deren engagierte Mitglieder legen „Erntewege“ an, die in Schneisen grobschollig aufgeworfenen Auenlehms Wiesen und Grünanlagen durchziehen. Flatterbänder sind für die Schwarzkittel kein Hindernis, ebensowenig für Freund Waschi, der nicht nur auf Josta stehen dürfte, sondern auf „Wasch-Beeren“ aller Art.

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