„Gewalt gegen Frauen ist kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem.“

4. September 2016 | Nachrichten, Soziales | 28 Kommentare

frauengewalt7In der vergangenen Woche haben die Koalitionsfraktionen in der Landtagssitzung am 2. Sept. den gemeinsamen Antrag „Frauenhausarbeit langfristig sichern – Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder ausbauen“ beschlossen. Dazu gibt es verschiedene Stellungnahmen der Parteien:

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Recht, Verfassung und Gleichstellung der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, Jens Kolze, erklärt:

„Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, das Hilfesystem für die von Gewalt betroffenen Frauen abzusichern. Frauenhäuser sind in unserem Land immanent wichtige Hilfseinrichtungen für Frauen und Kinder. Frauenhäuser erfüllen für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kindern eine nicht wegzudenkende Schutz- und Hilfsfunktion. Darüber hinaus muss es auch Frauen mit Handicap möglich sein professionelle Hilfe in Anspruch nehmen zu können. Die Barrierefreiheit in den Frauenhäusern werden wir weiter auszubauen. Schließlich findet in unserem Antrag die besondere Situation der Kinder in den Schutzeinrichtungen ausdrücklich Berücksichtigung. Viele Kinder sind traumatisiert und haben daher einen individuellen Unterstützungs- und Hilfebedarf.“

„Frauenhäuser sind mehr als Schutzorte“

Cornelia Lüddemann, Vorsitzende und frauenpolitischen Sprecherin der Fraktion GRÜNE, weiß im Rahmen der Debatte über den auf Anregung ihrer Fraktion eingebrachten Antrag „Frauenhausarbeit langfristig sichern – Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder ausbauen“ zu erklären:

„Körperliche, sexuelle und psychische Gewalt gegen Frauen ist eine gravierende Menschenrechtsverletzung. Dieser Verantwortung stellt sich die schwarz-rot-grüne Koalition.“

„Ich selbst habe in den 90iger Jahren im Dessauer Frauenhaus gearbeitet. Wenn ich heute vor Ort bin, begegnet mir oft schon die Enkelgeneration, das ist zutiefst traurig, das ist ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft. Wenn psychosoziale Arbeit mit den Kindern möglich gewesen wäre, hätten wir vermutlich diese Gewaltspirale durchbrochen.“

Clüddemann

Conny Lüddemann, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt

„Frauenhäuser sind mehr als Schutzorte. Sie sind Orte der Aufarbeitung, der Erkenntnis, des Helfens und des Findens neuer Handlungsmuster. Um das zu erreichen, brauchen Frauen und Kinder das entsprechende Fachpersonal an ihrer Seite – vor Ort in den Frauenhäusern. Und mobil, da wir realistischer Weise in den nächsten Jahren nicht in jedem Haus eine Psychologin werden installieren können.“

„Kinder mit Gewalterfahrung: Kindertagesstätten, Jugendämter, Erziehungsberatungsstellen oder andere ambulante Beratungsangebote sind nicht die richtigen Anlaufstellen. Daher müssen wir spezifische Hilfsangebote für in Frauenhäusern untergebrachte Kinder sicherstellen.“

„Es ist uns wichtig, alle Frauenhäuser Sachsen-Anhalts barrierefrei zu machen. Das bloße Weiterleiten an eines der barrierefreien Frauenhäuser ist inakzeptabel.“

„Wir müssen den Weg mutiger Frauen, aus bestehenden Machtverhältnissen in ein gewaltfreies Leben aufzubrechen, unterstützen. Für die Haushaltsberatungen gibt der Antrag der schwarz-rot-grünen Koalition die entsprechende Richtschnur.“

„Es reicht nicht aus, die Schwierigkeiten bei der Frauenhausfinanzierung zur Kenntnis zu nehmen. Wir brauchen eine Reform der Frauenhausfinanzierung, die hohe qualitative Standards und eine ausreichende finanzielle Ausstattung garantiert – bundeseinheitlich, einzelfall- und tagessatzunabhängig sowie bedarfsgerecht. Daher bitten wir die Landesregierung darum, sich auf Bundesebene für eine einheitlich gesetzlich verankerte Frauenhausfinanzierung einzusetzen.“

„Auch betroffene Kinder im Blick haben“

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte schon in der vergangenen Legislaturperiode in vielfältiger Weise an dem Thema ,Frauenhäuser‘ gearbeitet. „Wir haben das Thema immer wieder nach vorne gebracht“, sagt die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion, Cornelia Lüddemann. „Auch bei den Koalitionsverhandlungen war natürlich die Situation in den Frauenhäusern einer unserer Schwerpunkte. Hier gelang es uns, sehr konkrete Forderungen für die Frauenhäuser zu verankern. Jetzt sind wir an dem nächsten Schritt angekommen. Nun trägt die Koalition ihre Pläne nach außen: Wir haben verstanden, dass Handlungsbedarf besteht. Hier müssen wir ran!“

„Frauenhäuser stellen von Gewalt betroffene Frauen Schutz und Hilfe zur Verfügung. Um auch die Betreuung der betroffenen Kinder zu gewährleisten, muss es in Frauenhäusern dafür extra geschultes pädagogisches Personal geben“, erklärt Lüddemann. „Um die Stellen in den Frauenhäusern mit entsprechend qualifiziertem Personal zu besetzen, brauchen wir dringend eine tarifgerechte Bezahlung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Grundsätzlich sei eine bundesweit einheitliche Regelung geboten.

Kindertagesstätten, Jugendämter, Erziehungsberatungsstellen und ambulante Beratungsangebote können den akuten Bedarf bei Kindern mit Gewalterfahrung nicht decken. Lüddemann: „Wir müssen im Lebensumfeld von betroffenen Kindern noch stärker entlastend und präventiv wirksam werden.“

Eine Stellungnahme der SPD-Fraktion zum Thema lag dem Hallespektrum leider nicht vor.

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