Weltlehrertag: „Der Lehrberuf muss endlich attraktiv gestaltet werden“

5. Oktober 2022 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Anlässlich des heutigen Weltlehrertages weisen die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und der Verband Bildung und Erziehung (VBE) die Politik auf die zentrale Rolle hin, die Lehrkräfte in unserer Gesellschaft spielen, und fordern zu massiven Investitionen in den Bildungsbereich auf. Als zentrale Herausforderung machen beide Gewerkschaften den massiven Lehrkräftemangel aus. So startete das laufende Schuljahr mit schätzungsweise 20.000 bis 30.000 fehlenden Lehrkräften. Perspektivisch wird diese Lücke bis 2035, laut Berechnungen des VBE, auf bis zu 160.000 anwachsen, wenn die Bedarfe für die bereits beschlossenen pädagogischen Reformmaßnahmen Ganztag, Inklusion und die Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen in die Kalkulation einbezogen werden.

Auch die GEW Sachsen-Anhalt würdigt heute das Engagement der Lehrkräfte und fordert die Politik zugleich auf, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Arbeitsbelastungen zu senken und den Lehrberuf attraktiv zu gestalten.

„Unsere Lehrkräfte sind es, die viel zusätzliche Zeit für administrative Aufgaben opfern und die aus vielen Mangelsituationen das Beste machen müssen. Die GEW weiß um die Schwierigkeiten an den Schulen und zollt ihre große Anerkennung und ihren Respekt dafür, dass die Lehrkräfte den Fokus nicht verlieren: nämlich für alle Kinder und Jugendlichen eine gute Bildung zu gestalten.“, so etwa Eva Gerth, die Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt.

Dramatischer Lehrkräftemangel muss beseitigt werden!

Seit nunmehr 25 Jahren warnen Gewerkschaften und Wissenschaft vor einem dramatischen Lehrkräftemangel, der durch eine Verrentungs- bzw. Pensionierungswelle und die demografische Entwicklung angefeuert wird. Dieser Mangel hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verschärft, weil bisherige Landesregierungen das Gegensteuern versäumt haben: „Bei einer Unterrichtsversorgung von nunmehr 92 Prozent sind die Arbeitsbelastungen der Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt so hoch wie noch nie. Rein rechnerisch sind im Land nicht genügend Lehrkräfte vorhanden, um den notwendigen Unterricht an den Schulen abzudecken. Weder krankheits- noch Corona-bedingte Ausfälle sind einkalkuliert. Die dringend notwendige Solidarität mit den aus der Ukraine Geflüchteten funktioniert ebenfalls nur über zusätzliches Engagement“, so Gerth weiter.

Sehenden Auges ist die Politik in diesen Mangel gerannt: Bisher ist eine gelungene Koordination der Kultusministerkonferenz hinsichtlich der Lehrerbildung verschlafen worden. Die Kooperation zwischen Bund und Ländern hat in diesem Punkt schlichtweg versagt. Und nicht nur die Lehrkräfteausbildung wurde vernachlässigt, auch die Herausforderungen der Digitalisierung, die Bedrohungen durch die Klimakrise, der Ausbau der Ganztagsbetreuung sind zögerlich angegangen worden. Um diese Aufgaben zu stemmen, ist – über die demografische Entwicklung hinaus – deutlich mehr pädagogisches Personal notwendig. Die Politik muss nun endlich die Bedingungen dafür schaffen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Lehrkräfteausbildung muss aufgestockt und strategisch besser geplant werden!

Die aktuellen Arbeitsbedingungen an Schulen sind für viele junge Menschen nicht attraktiv genug, um sich für diesen eigentlich wunderbaren Beruf zu entscheiden. Deshalb müssen die Bildungs- und Kultusministerien ihren Kurs grundlegend ändern und sichere und gut ausgestattete Arbeitsplätze anbieten. Sie müssen kontinuierlich eine ausreichend große Anzahl Lehrkräfte ausbilden, um aus den Zyklen von Lehrkräftemangel und -überhang auszubrechen. Auch die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte müssen dringend verbessert werden.

Wir brauchen dringend:
– mehr Studienplätze für das Lehramt an unseren Hochschulen,
– eine Absenkung der Pflichtstundenzahl um eine Stunde,
– kleinere Klassen, um den Unterricht gerecht und effizient zu gestalten,
– attraktive Angebote für ältere Lehrkräfte (z. B. Zeit für Konzeptentwicklungen, um u. a. ein nachhaltiges Lernen zu gestalten),
– Entlastung von Seiteneinsteigern durch eine Absenkung der Unterrichtsverpflichtung im ersten halben Jahr und mehr Zeit für Weiterbildungen,
– eine Aufstockung der Altersermäßigung von einer Unterrichtsstunde ab dem 55. Lebensjahr und von bis zu fünf Stunden ab dem 63. Lebensjahr,
– Schulverwaltungsassistenten an den Schulen, um die Lehrkräfte von administrativen Aufgaben zu entlasten,
– mehr Entlastung aller Schulen durch Arbeit in multiprofessionellen Teams aus Lehrkräften, Schulsozialarbeiter, Pädagogische Mitarbeiter, Förderlehrkräften und Schulpsychologen sowie
– eine gerechte Bezahlung von Grundschullehrkräften im Land nach A 13/E 13, um einer anhaltenden Abwanderung von Grundschullehrer in benachbarte Bundesländer entgegenzuwirken.

„Personalpolitik darf nicht aus Kostengründen allein auf Kante genäht werden. Das System Schule braucht dringend personelle und materielle Reserven, um in ihm Bildung gestalten zu können!“, mahnt die Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt eindrücklich.

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