Studie zu Auswirkungen von Straßen und Verkehr auf den Wildtierbestand

7. Oktober 2021 | Bildung und Wissenschaft, Natur & Gesundheit, Umwelt + Verkehr | 2 Kommentare
Das weltweit stark anwachsende Straßennetz stellt vermutlich eines der größten Risiken für Tierpopulationen dar. Wie stark sich dieses auf den lokalen Bestand der Tiere auswirkt, lässt sich mangels Daten allerdings noch nicht darstellen. Bisherige Studien sind zu sehr auf wenige Regionen und Arten beschränkt, wie ein Team der Complutense-Universität Madrid (UCM), des deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in der Zeitschrift „Perspectives in Ecology and Conservation“ schreibt. Die Wissenschaftler sehen in der systematischen Erfassung von tierischen Verkehrsopfern ein großes Potenzial zu Bewertung des Aussterberisikos von Tierarten.

In ihrer Metastudie überprüften die Forschender über 1.000 Studien zu den Auswirkungen des Straßennetzes auf Wildtiere. Sie stellten fest, dass die vorhandenen Daten sich auf wenige wohlhabende Länder und nur wenige Artengruppen beschränken, während besonders artenreiche Regionen, wie Südostasien, Südamerika oder Zentralafrika, kaum abgedeckt sind. Auch das Artenspektrum ist hier nur lückenhaft abgebildet. 90 Prozent der Daten decken große Säugetiere ab, vor allem Bären, Hirsche und Antilopen. Nur zwei Prozent der erfassten Arten waren solche, die in der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN als durch den Verkehr bedroht gelten.

Um Schutzmaßnahmen einleiten zu können ist es wichtig, das bislang lückenhafte Bild zu vervollständigen. Unerforschte Arten wie Primaten, Fledermäuse und wirbellose Tiere, die ebenfalls vom Straßennetz betroffen sein könnten, müssten bei den Erfassungen stärker berücksichtigt werden. Um den Effekt des Straßennetzes auf bedrohte Arten zu verstehen, ist der Anteil an untersuchten Rote-Liste-Arten noch zu gering. Hinzu kommt, dass in wirtschaftlich unterschiedlich starken Ländern das Straßennetz unterschiedlich weit ausgebaut ist. Dies erschwert eine internationale Vergleichbarkeit der Studien.

„Um die Wissenslücken zu schließen, sollte die Forschung sich künftig, statt sich nur auf die Erfassung der Wildunfälle zu beschränken, untersuchen, wie sich diese Verkehrstoten auf die Populationsdynamik auswirken.“, schlägt Erstautor Dr. Rafael Barrientos vion der UCM vor. „Außerdem müsste besser untersucht werden, ob fehlende Verbindungen und Maßnahmen zur Verbesserung wie etwa Grünbrücken, das Überleben von Populationen an Straßen beeinflussen.“

Starken Nachholbedarf sieht auch Letztautor Prof. Dr. Henrique Pereira, Leiter der Forschungsgruppe „Biodiversität und Naturschutz“ am iDiv und an der MLU: „Bislang überwiegen in der Literatur empirische Studien, die Straßen als Hotspots der Tiersterblichkeit identifizieren. Aber es wurde kaum systematisch untersucht, welche Rolle Straßen als Aussterberisiko für Arten spielen. Es ist nun an der Zeit, über diese empirischen Studien hinauszugehen und mit Hilfe von Populationsmodellen den Risikofaktor Straßen zu bewerten. Erst so können wir sicherstellen, dass Schutzmaßnahmen auch den am stärksten betroffenen Arten zugutekommen.“

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