Spanferkel – Eine zeitgemäße Delikatesse?

12. Februar 2022 | Bildung und Wissenschaft, Natur & Gesundheit | 5 Kommentare

Zu niedlich zum Essen?

Die anhaltende Diskussion um unseren Fleischkonsum und die zunehmende Besorgnis um das Tierwohl hat den Genuss von Spanferkeln offensichtlich merklich reduziert. Als Spanferkel bezeichnet man nicht etwa über glühende Holzspäne gegarte kleine Schweinchen. Die Bezeichnung „span“ leitet sich vom mittelhochdeutschen Wort „spen“ ab, das Säugen meint. Ein Spanferkel ist also ein wenige Wochen altes Milchferkel, das meist noch gesäugt wird. Es wird wegen seines besonders zartem, hellen Fleisch und milden Geschmack geschätzt. Man füllt das ausgenommene Ferkel mit Maronen oder einer interessanten Farce und brutzelt es. Ungefüllt grillt man sie am Spieß bis die Schwarte kroß und knusprig ist – für manchen eine unvergeßliche Knusperdelikatesse. Aber da gibt es auch Spanferkelimitationen, sogenannte Partyferkel. Dabei handelt es sich um ein Formfleischprodukt, das mit Schwarte ummantelt ist und das Aussehen eines Spanferkels  erhält. Es enthält natürlich kein Spanferkelfleisch.

Aber wie könnte der Mensch auf den Genuss von niedlichen Ferkeln gekommen sein? Der englische Dichter Charles Lamb (1775-1834) schrieb in seiner „Abhandlung über das gebratene Spanferkel“ die Erfindung einem pyromanisch-veranlagten chinesischen Schweinehirten zu, der zunächst in zufällig, dann absichtlich, abgefackelten Schweinekoben das zarte gegarte  Ferkelfleisch entdeckte. Unsere Altvorderen schätzten Spanferkel als eine Delikatesse. Der römische Koch Apicius beschreibt in seinem zu Beginn unserer Zeitrechnung verfasstem Kochbuch „In re quoquinaria“ (Über die Kochkunst) 14 Zubereitungen von ganzen Ferkeln mit vielfältigen Füllungen.

Im Mittelalter diente das Hausschwein verbreitet als praktische Proteinquelle. Verschiedene Kochbücher aus dieser Zeit beschreiben die Zubereitung auch von Ferkeln. In „Ein new Kochbuch in Druck gegeben durch Marxen Rumpolt Churf. Meintzischen Mundtkoch“ von 1581 kann man z.B. eine Anleitung für „Ein Spensaw (Spanferkel) gebraten un warm auff ein Tisch geben“ nachlesen. Eine fachgerechte Zerlegeanweisung publizierte 1657 Georg Phillip Harsdörffer in seinem „Trincir“ (Tranchier)—Buch. Präziser gibt Henriette Davidis in ihrem „Kochbuch für die bürgerliche und feine Küche“ (1851) eine detaillierte Anleitung für einen Spanferkel-Braten: „Nachdem das Spanferkel geschlachtet, fein gemacht und gewaschen, werden demselben die Pfoten abgeschnitten und die Augen ausgestochen; innen wird es mit Salz ausgerieben, von außen abgetrocknet, mit einem hölzernen Spieß der Länge nach durchstochen, in die Bratpfanne, wohinein etwas Wasser kommt, gelegt, … nachdem es 1 Stunde gebraten, mit einer Zitrone im Maul , recht heiß ohne Sauce angerichtet.“

Ein Partygag dürfte so ein hin- und angerichtetes Saugferkel heutzutage nicht mehr sein. Viele halten es da vermutlich lieber wie seinerzeit der Barde Ingo Insterburg:

… Ihr lieben süßen Schweine

Der Mensch ist unterschiedlich –

Ich esse lieber keine.

Ich finde euch so niedlich!

 

(H.J. Ferenz)

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