Sensationelle Neuigkeiten vom Neuwerk

29. Mai 2020 | Bildung und Wissenschaft, Nachrichten | 2 Kommentare

Siegel mit Klosterkirche Neuwerk (mit Genehmigung Verein für Stadtgeschichte e.V.)

Spärlich sind die baulichen Spuren einer ehemals beachtlichen Klosteranlage im Bereich des Botanischen Gartens der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Doch für die professionellen Spurenleser des Landesamtes für Archäologie ist das, was man bei vorbereitenden Baumaßnahmen für das Millionenprojekt „Neubau Herbarium“ fand, sensationell. Man fand die spärlichen Reste des Klosters Neuwerk. Dieses Augustinerchorherrenstift „De nove opere“ (Neues Werk) entstand 1116 an prominenter Stelle außerhalb der halleschen Stadtmauern. Um seine Lage ranken sich verschiedene Legenden. Tatsächlich wurde das Kloster aber an einer wichtigen Heer- und Handelsstraße nach Magdeburg über einer Jahrtausende alte, auf einem Bergsporn gelegene Siedlungsstelle errichtet, wie bei den aktuellen Grabungsarbeiten gefundene Besiedlungsspuren belegen. Sie reichen bis in die Späte Bronze- und Frühe Eisenzeit (ca. 9. bis 8. Jhdt. v. Chr.) zurück. Einzelne Pfosten- und Siedlungsgruben sowie die dazugehörigen Keramikfunde lassen auf eine dörfliche Ansiedlung von Salzwirkern schließen.
Der Bau des Klosters begann 1116. Die einzige überlieferte mutmaßliche Abbildung des Klosters ist  auf einem alten Siegel an einer Urkunde von 1517 im Stadtarchiv Halle zu sehen. Es zeigt eine Heiligenfigur über einer Kirche schwebend, die vier Türme, ein Portal und rundbogige, romanische Fenster besitzt. Bereits 1121 war das Augustiner-Chorherrenstift zum Neuen Werk mit privilegierten Markt- und Zollrechten ausgestattet und besaß umfangreichen Besitz an Land, Mühlen (Steinmühle) und Pfarrrechten. Das Kloster wurde zum geistigen Zentrum Halles. Ihm oblag die geistliche Gerichtsbarkeit. Als erster Einrichtung wurde dem Kloster in Halle das Schulrecht verliehen. In die Geschichte eingegangen ist der Hallesche Machtspruch, mit dem 1445 im Kloster Neuwerk bei Halle an der Saale die Streitigkeiten um die Aufteilung der wettinischen Ländereien u.a. in Thüringen entschieden wurde.
Im Verlaufe der Reformation geriet das Kloster Neuwerk in Schwierigkeiten. Seine Befugnisse und sämtliche Besitztümer gingen auf das von Kardinal Albrecht von Brandenburg (1490-1545) gegründete „Neue Stift“ mit der Domkirche in Halle als Zentrum über.

Kloster-Mauerreste und Siedlungsspuren aus Bronzezeit

Am 24. August 1531 wurde im Kloster die letzte Messe gesungen und danach zunächst die Kirchen- sowie Klausurgebäude abgetragen. Das Abbruchmaterial der Klosterbauten wurde für den Bau der Neuen Residenz verwendet. Der Abbruch erfolgte ziemlich gründlich. Aber unter den Abbruchschichten des 16. Jhs. tauchten jetzt einzelne Steine eines Fundamentes auf, das im weiteren Verlauf die südliche Seitenapsis und die Hauptapsis eines großen Kirchenbaus erkennen ließ. Sie können zweifelsfrei als die letzten verbliebenen Spuren der Kirche des Klosters Neuwerk identifiziert werden, deren Lage bislang näher an der Saale vermutet worden war.

„Passgenaues Grab aus dem Mittelalter

Östlich der Hauptapsis der Klosterkirche wurden 117 Bestattungen von Männern, Frauen und Kindern aus dem Hoch- und Spätmittelalter mit einigen kleinen Grabbeigaben freigelegt. Teile des Klostergeländes am Abhang zur Saale diente nach dem Abriss mit verbliebenen Wirtschaftsgebäuden des Klosters als fürstlicher Küchengarten und ging dann in den Botanischen Garten der 1694 gegründeten Universität über. Mit dem Neubau der Straße Neuwerk zu Beginn des 20. Jhdt. wurde das Areal städtebaulich erschlossen. Etliche aufwändige Villen entstanden.
Angesichts der historischen Bedeutung des Klosters Neuwerk, das bis zu seinem Niedergang in der Reformationszeit das mächtigste Kloster im Süden des Erzbistums Magdeburg war, ist die Wiederentdeckung des Kirchenstandortes nicht nur eine bauarchäologische Sensation, sondern auch ein wichtiges Dokument für die Stadtgeschichtlicher von Halle/Saale.

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