Schon gewusst? Warum es keine Rieseninsekten gibt

29. September 2019 | Bildung und Wissenschaft | Ein Kommentar

In etlichen Horror-Science-Fiction-Filmen tyrannisieren riesige Insekten die Menschen. Solche Szenarien scheinen nicht unwahrscheinlich. Schließlich bevölkerten mal riesige Saurier viele Millionen Jahre unseren Planeten. Fossile Knochenfunde belegen das eindrücklich. Auch ziemlich große Insekten gab es mal vorübergehend; die erreichten aber nie derartige gigantische Abmessungen. Heute haben die größten Insekten bestenfalls einen maximalen Durchmesser von 16 Zentimetern. Die allermeisten kommen nicht über einige Millimeter oder wenige Zentimeter hinaus.

Larve des Tabakschwärmers. Gut sichtbar sind die segmental angeordneten Atemöffnungen (Stigmen)

Was beschränkt die Körpergröße von Insekten? Für Wachstum und Metamorphose müssen Insekten ihr Außenskelett durch Häutung erneuern. Deshalb vermutete man, dass dieser riskante komplexe Vorgang die Insektengröße beschränkt. Aber tatsächlich ist es aber ihr Atmungssystem. Das funktioniert völlig anders als bei uns. Insekten haben keinen den Luftsauerstoff transportierenden Blutkreislauf, sondern Tracheen. Das sind kleine, vielfach verzweigte, blind endende Röhren im Insektenkörper. Über sie gelangt die Atemluft von Außen direkt zu den Zellen. Tracheen sind für die Sauerstoffversorgung der Zellen auf kleine Distanzen viel leistungsfähiger als unsere Blutgefäße, doch mit zunehmender Länge geht ihnen buchstäblich die Luft aus. Größere Insekten müssten erheblich größere Tracheen haben, doch im Insektenkörper mit seinem starren Außenskelett ist nicht unbeschränkt Platz vorhanden. Unsere Luft enthält ja seit Jahrmillionen ziemlich konstant 21% Sauerstoff. Der Sauerstoff diffundiert seinem Konzentrationsgefälle folgend durch das Tracheensystem zu den Verbrauchsorten. Das begrenzt das Größenwachstum der Insekten. In größeren Insekten würde nicht genug Sauerstoff die Organe erreichen.

Wieso gab es aber im Karbon, also vor ca. 350-280 Mio Jahren z.B. Libellen, die fast 10x größer waren als die heute lebenden? Des Rätsels Lösung: Der Sauerstoffgehalt der Luft schwankte im Verlaufe der Erdgeschichte erheblich mit markanten Folgen für das Leben. Das Vorkommen von Sauerstoff verdanken wir den Pflanzen, die ihn bei der Photosynthese erzeugen. Anfänglich gab es aber kaum Sauerstoff in der Atmosphäre unseres Planeten. Von Algen produzierten Sauerstoff fixierten umgehend Eisenlösungen (Fe3+) zu unlöslichen Rostverbindungen (Fe2+) , die sich als rotgefärbte Sedimente ablagerten. Als das Eisen aufgebraucht war, nahm der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre allmählich zu und erreichte zeitweise Werte, die deutlich über den heutigen Konzentrationen lagen. Dazu trug wohl die sich üppig entwickelnde Landflora bei. Besonders auffällig ist ein Sauerstoffmaximum vor rund 300 Millionen Jahren, also während des Karbons. Es erreichte Werte von 30-35%. In dieser Zeit entstanden tatsächlich riesenhafte Insekten, wie z.B. Libellen mit über 70 cm Flügelspannweite. Rund 35% Sauerstoff ermöglichten eine gute Sauerstoffversorgung auch über längere Diffusionswege in den Tracheen. Durch die verbesserte und erleichterte Atmung wurde auch die Entwicklung energieintensiver Tätigkeiten wie z.B. das Fliegen ermöglicht.

Flugsaurier jagen Rieseninsekten

Derartig große Insekten waren allerdings leichte Beute für Flugsaurier. Der Riesenwuchs der Insekten erwies sich alsbald als Nachteil. Später – ab der Jurazeit vor 150 Mio Jahren – waren es dann insektenfressende Vögel, die das Wachstum der Insekten trotz wiederholt hoher Sauerstoffkonzentrationen begrenzten. Wiederholte Klimakatastrophen verursachten zusätzlich Massensterben und begünstigten das erfolgreiche Überleben kleiner Insekten. Die würden mit Annett Louisan summen: … Ich bin vielleicht klein / doch lass ich mich nicht darauf reduzieren / Ich bin nicht so stattlich wie du / Doch darin bin ich unerreicht … „

(H.J. Ferenz)

Zwergzikade (Länge ca. 2mm)

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