Schon gewusst? Wanderheuschrecken – Vom Winde verweht

27. März 2021 | Bildung und Wissenschaft | 4 Kommentare

Heuschreckenschwarm

„They come, they eat, they go“. Wanderheuschrecken sind überaus erfolgreiche Opportunisten. Ihnen bereitet es große Freude ins Gras zu beißen. Noch mehr gefallen ihnen sprießende Mais- und Hirsefelder, Gemüsegärten und grüne Plantagen. Wie alle Vegetarier müssen sie große Mengen Pflanzenmaterial fressen, um zu wachsen und sich fortzupflanzen. Jede Heuschrecke verputzt so locker 2g pro Tag. Scheint unbedenklich. Ein gefräßiger Heuschreckenschwarm besteht aber aus Millionen von hungrigen Tieren. Der frisst in Nullkommanichts den Bauern überfallartig die Ernte weg. Das ist fatal für die Menschen in den von Heuschrecken bedrohten Regionen. Denn die Bauern leben von ihren zumeist kargen Erträgen. Fallen die aus, drohen häufig Hungersnöte. Genau dieses geschieht in Ostafrika. Mal wieder, muss man resignierend konstatieren. Und das sich ändernde Klima, dürfte die Situation zukünftig noch verschärfen.

Massenvermehrung

Rastender Heuschreckenschwarm

Wanderheuschrecken gibt es seit vielen Millionen Jahren. Sie sind hervorragend an ein karges Leben in Regionen angepasst, in denen es zumeist selten regnet und nur eine schüttere Vegetation wächst. Wanderheuschrecken trotzen solch harschen Lebensbedingungen. Solitär weiträumig zerstreut überleben sie in geringer Populationsdichte die extremen Lebensbedingungen. Ihre Lebensräume schrumpfen. Sie sind wenig mobil, fliegen lieber nachts und sind durch unauffällige Färbung vor Fressfeinden passabel geschützt. In unregelmäßigen Zeitabständen (Jahre, Jahrzehnte) gelangen Regenwolken auch in die wüstenhaften Regionen und bringen ausgiebige Niederschläge. Plötzlich grünt und blüht es in den unwirtlichen Gebieten. Die günstigen Umweltbedingungen nutzen die Wanderheuschrecken für eine rasche erfolgreiche Vermehrung. Jedes Weibchen deponiert bis zu 80 Eier in ihrem Gelege. Geschlechtsreife, synchronisierte Eiablage und gleichzeitiger Schlupf resultieren in individuenreiche Populationen. Sind die lokalen Nahrungsressourcen erschöpft, aggregieren die gefräßigen Insekten zu großen Gruppen und machen sich gemeinsam auf den Weg zu neuen Futterquellen. Sie unterscheiden sich erheblich im Aussehen und Verhalten von der solitären Form. Sie werden als gregäre Form bezeichnet. Die Vermutung, dass die Aggregation durch ein Pheromon verursacht wird, hat sich nicht bestätigt. Im Schwarm sind die einzelnen Individuen besser geschützt. Um Kollisionen zu vermeiden, muß jedes Tier im Schwarm lediglich auf seinen Nachbarn achten und Abstand halten. Optische und mechanische Sinne sind dafür optimiert. Die Wanderrichtung bestimmt der Wind.  

Partnerwahl

Solitäre Wüstenheuschrecke

Interessante Unterschiede gibt es bei der Partnerwahl zwischen gregärer und solitärer Form der Wüstenheuschrecken. Männliche gregäre Heuschrecken haben zwar im Schwarm kein Problem ein Weibchen zu finden, müssen ihre eroberte Kopulationspartnerin aber gegen neidische aufdringliche Konkurrenten verteidigen. Sie bilden einen Duftstoff (Phenylacetonitril), mit dem sie ihr Weibchen beim Kopulieren einnebeln, so dass es von männlichen Nachbarn nicht belästigt wird. Das spart „Balzenergie“. In der solitäre Phase sind wegen der geringen Zahl von Heuschrecken solche Tarnkappen nicht erforderlich. Dieses chemische Signal optimiert den Reproduktionserfolg.

Wüstenheuschrecke frisch aus dem Ei gepellt

Bekämpfung

Zu den Wanderheuschrecken werden weltweit eine Reihe von Heuschreckenarten gezählt. In Afrika und im Nahen Osten dominieren die Wüstenheuschrecke (Schistocerca gregaria) und die Afrikanische Wanderheuschrecke (Locusta migratoria). In Mittelamerika schwärmt immer wieder die Mexikanische Heuschrecke (Schistocerca piceifrons). Schwärmende Heuschreckenarten in Südamerika, in Indien und China sorgen trotz Bekämpfungsmaßnahmen wiederholt für Schlagzeilen. Man bekämpft sie mit Insektiziden, die aus Flugzeugen, von LKWs oder tragbaren Geräten sehr fein versprüht werden.  Die Bekämpfung von Wanderheuschrecken ist kostspielig und erfordert anspruchsvolle Strategien. Die dafür notwendigen Geräte, Fahrzeuge und Chemikalien müssen gelagert und bei Bedarf schnell mobilisiert werden können. Das funktioniert aber selten in den heimgesuchten, wenig entwickelten Ländern. Die Bekämpfung von fliegenden Heuschreckenschwärmen ist meist nicht von Erfolg gekrönt. Nur wenn es gelingt, einen rastenden Schwarm zu lokalisieren, kann man ihn in den frühen Morgenstunden, wenn es noch kühl ist, bekämpfen. 

Schwärme bilden auch die noch nicht flugfähigen Hüpfer.  Synchrone Geschlechtsreife, gefolgt von gleichzeitiger Eiablage und synchronem Schlüpfen begünstigt die Entstehung individuenreicher Gruppen, die zu Schwärmen verschmelzen. Die Entdeckung dieser Fußgängergruppen ermöglicht zwar eine lokal begrenzte Bekämpfung, ist aber oft nicht schnell genug in schwierigem Gelände und bei mangelhafter Infrastruktur zu realisieren. Heuschreckenschwärme sollten möglichst bereits in ihrer Entstehung verhindert werden. Da die Massenvermehrung und anfängliche Schwarmbildung häufig in abgelegenen Regionen geschieht, beobachtet man das Wettergeschehen und die Vegetationsentwicklung mit Satelliten. Darum kümmern sich supranationale Organisationen. Man kann dann die Heuschreckengefahr schon früh erkennen und Bekämpfungsmaßnahmen mit geringen Insektizidmengen einleiten bevor die Heuschrecken schwer lokalisierbare Wanderschwärme bilden. Ein effizientes Eingreifen scheitert allerdings nicht selten daran, dass in diesen Regionen politisch instabile, kriegerische Verhältnisse herrschen (z.B. Somalia, Äthiopien, Jemen, Mali, Tschad).  Nutznießer sind die Heuschrecken.

Biblische Plage

Bericht über Heuschreckenplage von 1693

Heuschreckenschwärme plagen den Menschen seit er sesshaft wurde und Landwirtschaft betreibt. Die Bibel berichtet anschaulich darüber an verschiedenen Stellen. In seltenen Fällen gelangten Heuschreckenschwärme bis nach Mitteleuropa. Da sie als Ausdruck des Zorns Gottes verstanden wurden, dokumentierte man sie ehrfürchtig in Kirchenbüchern, Stadtchroniken, Kirchenfresken. Oft entstanden die marodierenden Schwärme in den osteuropäischen Steppengebieten. Ihre Wanderwege ließen sich z.T. gut dokumentieren. Ursache waren wohl ungewöhnliche Klimabedingungen. Die könnten uns auch wieder „Vom Winde verwehte“ Heuschreckenplagen in Europa bescheren.

Empfehlenswerte YouTube – video links:

Return of the Plagues – Locusts (FULL DOCUMENTARY)

Locust invasion – The Secrets of Nature 

(H.J. Ferenz)

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