Schon gewusst? Von Weicheiern & Eierlikör

4. April 2021 | Bildung und Wissenschaft | 4 Kommentare

„Das weiß ein jeder, wer´s auch sei, gesund und stärkend ist das Ei.“ Wilhelm Busch (1832 – 1908)

Seit Jahrmillionen wird das Leben mit Hilfe von Eiern von Generation zu Generation weitergegeben. Schon unseren frühen Vorfahren galt das Ei als ein Wunder der Natur. Es wurde als mystisches Symbol für die Wiedergeburt verehrt. Eier werden von Weibchen zur Reproduktion erzeugt. Sie bestehen jeweils nur aus einer Zelle, die aber beachtliche Abmessungen haben kann. Eizellen enthalten Dotter. Der wird für die Entwicklung des Embryos gebraucht. Denn das Ei ist wie ein Raumschiff ein nahezu geschlossenes System, das alles an Bord hat, was für das Heranwachsen des Nachwuchses gebraucht wird. Woher kommen die Nährstoffe und wie werden sie an Bord geschafft?

Dotterbildung

Mit der Bildung der gewaltigen Dottermengen, die für die Embryonalentwicklung gebraucht werden, wäre eine Eizelle völlig überfordert. Diese Aufgabe übernimmt die Leber oder ein ähnliches Organ. Hier werden die Dottervorstufen aus der Nahrung synthetisiert. Sie gelangen dann mit dem Blut zu den Oozyten. Die fischen mit hochspezifischen Rezeptoren aus der Vielzahl der Blutproteine nur die Dotterproteine heraus und reichern sie an. Man bezeichnet diesen Prozess als „rezeptor-vermittelte Endozytose“. Dieses Prinzip wendeten tierische Organismen schon früh an. Es bewährte sich im Verlaufe der Evolution und wurde weitestgehend beibehalten. Die Dotterproteine sind Lipo-Glykoproteine. Durch sie enthält der Eidotter Aminosäuren sowie reichlich Fette und Kohlenhydrate für den Energie- und Baustoffwechsel. Die Aminosäurenstruktur der Dotterproteine ist unseren körpereigenen Eiweißen recht ähnlich. Ihre „biologische Wertigkeit“ ist sehr hoch. Die Eizelle mit dem Eidotter schwimmt aufgehängt an 2 Hagelschnüren im Eiklar. Sie sind in entgegengesetzter Richtung spiralig aufgewickelt. Wenn das Ei gedreht wird, wickelt sich die eine Hagelschnur auf, die andere ab. Der Dotter wird durch sie etwa mittig in der richtigen Position gehalten.

Eiklar 

Das Eiklar oder Eiweiß gehört nicht zur eigentlichen Eizelle. Es besteht i.w. aus Wasser mit einem Proteingehalt von 11%. Es wird von Drüsenzellen im Eileiter abgeschieden. Eiklar schützt vor mechanischen Verletzungen sowie vor Infektionen, denn es enthält Antibiotika. Eingepackt ist das Ganze in die Schalenhaut. Der Übergang zum Landleben in der Evolution der Tiere erforderte gut schützende Hartschaleneier. Bei Vogeleiern wird die äußere Schalenhaut durch Calciumcarbonat verstärkt. Die Kalkschale verhindert auch Verlust von Wasser aus dem Ei. Dadurch wird allerdings auch die Aufnahme von lebenswichtigem Sauerstoff und die Abgabe von CO2 verhindert. Hühnereier haben ca. 10.000 winzige Poren, durch die die Atmung erfolgt. Die Limitierung ist zur Vermeidung von Wasserverlusten notwendig. Denn durch diese Poren entweicht auch Wasserdampf. Das Hühnerei verliert dadurch tatsächlich im Verlaufe der Embryonalentwicklung ein Siebtel seines Ausgangsgewichtes.

Tumorforschung

Eipräparat

Angebrütete Hühnereier können die Tumorforschung wissenschaftlich ohne ethische Bedenken voranbringen und eine wichtige Alternative zu üblichen Tierversuchen bieten. Ein Fenster in die Eischale geschnitten, ermöglicht die Einschleusung und Beobachtung von menschlichen Tumorzellen in das gut durchblutete Embryonalgewebe, nicht  in den Embryo selbst. Es gibt keine störende Immunabwehr und das Verfahren ist schnell und kostengünstig.

Industrieei

Der jährliche Verbrauch von Hühnereiern liegt in Deutschland inzwischen bei 239 Stück pro Kopf. 48 Millionen Hennen sorgen für ständigen Nachschub. Industrielle Verarbeitung erfolgt zu Vollei, Eiweißpulver, oder Trockeneigelb. Vollei ist Eiklar mit Eigelb gebrauchsfertig verquirlt und pasteurisiert. Sprühgetrocknet wird es zu Eipulver, das jahrelange Lagerung ermöglicht. Die Herkunft der Eier ist allerdings nicht mehr nachvollziehbar. Vorsicht beim Hotelfrühstück: Oft genug wird das Frühstücksrührei aus Eipulver angerührt. Praktisch ist das Stangenei: Es wird aus Eiklar und Eigelb geformt und ergibt aufgeschnitten gleichförmige Eierscheiben.

Weicheier: Abgeschreckt & ohne Tafelsilber

Zum leichteren gewaltfreien Abpellen von Eiern wird oft das Abschrecken nach dem Kochen empfohlen. Das ist aber nur mit weichgekochten Eiern zutreffend, die zudem auch nicht ganz frisch sind. Bei ihnen löst sich die das Eiklar umgebende Schalenhaut leichter ab. Je älter das Ei ist, desto höher steigt der pH-Wert im Eiweiß. Dadurch wird die Schalenhaut elastischer und löst sich beim Schälen leichter ab. Durch das Abschrecken werden die Eier kürzer haltbar. Dabei entstehen nämlich Mikrorisse in der Schale, durch die Mikroorganismen leichter eindringen können. Abpellen statt Köpfen mit dem Messer war früher vorzugsweise die beste Zugangsmethode zum Eiinhalt. Die Silbermesser reagierten nämlich mit dem Schwefelwasserstoff, der beim Eierkochen aus schwefelhaltigen Aminosäuren freigesetzt wird. Es entsteht Silbersulfid, das Tafelsilber schwarz färbt und metallischen Geschmack verursacht. 

 Noch roh oder schon gekocht?

Übrigens, wie unterscheidet man bereits gekochte Hühnereier von rohen? Äußerlich gleichen sie sich. Versucht man die Eier in kreiselnde Bewegung zu versetzen so wird man feststellen, dass nur das gekochte Ei anhaltend rotiert. Im rohen Ei sind Dotter und Eiklar flüssig. Der flüssige Eiinhalt kann nur schwer in Bewegung versetzt werden. Träge reibt er sich an der Eischale und bremst die Rotation. Das gekochte Ei kreiselt dagegen samt Inhalt schnell und  gleichförmig. Hartgekocht ist ein Hühnerei nach ca. 7 min. Bei einem Straußenei braucht man viel Geduld; 40 min dauert es bis es ganz gekocht ist.

Eierlikör

Die Erfindung des Eierlikörs geht auf ein von brasilianischen Indianern aus Avocado hergestelltes cremiges Getränk zurück. Geniale Genuss-Holländer in Europa ersetzten die Avocado durch Eigelb, fügten Zucker und Alkohol dazu und fertig war die köstliche Emulsion. Rekonvaleszenz ist eine beliebte Ausrede für den Genuss von nahrhaftem Eierlikör. Für den umgehenden Genuss spricht seine kurze Haltbarkeit. Man kann den Likör leicht Selbermachen. Bei meinem Lieblingsrezept wird ganz vorsichtig der Alkohol untergerührt, damit die Dotterproteine nicht gerinnen. Verfeinert wird mit Vanillinzucker, Mandelaroma und Kirschwasser. 

 Eierorakel

Mancherorts traut man dem Ei wahrsagerische Fähigkeiten zu. So lässt man in Slowenien den Eiinhalt in frisches Wasser gleiten und liest aus den Schlieren die Zukunft. Eierorakel wurden bemüht, um verstorbene Ahnen, Geister oder Götter zu befragen. Zwei Dotter in einem Ei sollen eine bevorstehende Hochzeit  oder die Geburt von Zwillingen ankündigen.

Langohr

Merkwürdiges

Auf der Osterinsel im Pazifik gibt es keine Hasen. Aber zwei verschiedene Bevölkerungsgruppen lebten dort: Langohren und Kurzohren. Überliefert wurde, dass die Kurzohren die Langohren für den Niedergang der Insel verantwortlich machten. Das einfache Volk der Kurzohren brachte die geistige Elite der Langohren bei einem Aufstand um 1680 komplett um. 

Na denn. FROHE OSTERN!

(Hans J. Ferenz)

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