Schon gewusst? Über den Geist im Glas

27. April 2019 | Bildung und Wissenschaft, Natur & Gesundheit | 2 Kommentare

Dass reife, vergärende Früchte berauschend wirken können, weiß der Mensch schon lange. Sogar manche Tiere wissen das zu schätzen. Affen im Südosten Neu-Guineas finden z.B. gärenden Palmensaft „umwerfend“. Sie stehlen hemmungslos den Saft, der fast 7% Alkohol enthält, aus den Plantagen. Bei uns nutzt der Staat unsere Lust auf berauschende Getränke, um daraus hohe Steuereinnahmen zu erzielen. Er hat das Branntweinmonopol. Schnaps selbst brennen ist prinzipiell streng verboten, nur in engen Grenzen vom Zoll penibel kontrolliert möglich. Das Monopol und eine Branntweinsteuer sollten dazu dienen, gesundheitliche Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden.
Wie macht man aber Alkohol, Schnäpse und Liköre? Aus süßen oder stärkehaltigen Früchten stellt man einen Brei, die Maische, her, in der spontan oder unterstützt durch Hefezusatz Gärprozesse einsetzen. Dabei verdauen Hefepilze das zuckerhaltige Gärgut und es entstehen Äthanol und Kohlensäure. Aber auch andere, unerwünschte Stoffe werden bei diesen Stoffwechselvorgängen erzeugt, z.B. Methanol und Fuselöle. Um an den begehrten Äthylalkohol in reiner Form zu kommen, muss man ihn abdestillieren. Wie man das machen kann, fand man erst im Mittelalter heraus. Bei der Suche nach dem „Stein der Weisen“ entwickelten nämlich Alchemisten Destillationstechniken, die in Klöstern zur Herstellung medizinischer Tinkturen und Kräuterlikören verfeinert wurden. Sie beruhen auf einem einfachen Prinzip: Wasser verdampft beim Erhitzen bei 100°C, der Alkohol aber schon bei 78°C. Kühlt man den wasserfreien Alkoholdampf, so kondensiert er und man erhält fast reinen Alkohol. Durch optimierte Destillationstechniken entfernt man schädliche Substanzen, die zu Beginn und gegen Ende der Destillation erscheinen, versucht aber typische Aromastoffe zu erhalten. Wichtig ist es, den im Vorlauf enthaltenen Methylalkohol zu entfernen. Er ist giftig. Bei seinem Abbau entsteht nämlich in der Leber Formaldehyd und in einem weiteren Schritt Ameisensäure. Diese Substanzen schädigen z.B. die Sehnerven, was zur Erblindung führen kann. Nieren und Leber werden angegriffen. Unbehandelt endet die Vergiftung daher meist tödlich. Vorsicht ist also geboten bei illegal selbst destillierten Alkohol.
Interessant, aber offenbar kaum genutzt, ist die Kältedestillation. Kühlt man eine alkoholhaltige Mischung ab, gefriert das Wasser rasch zu Eis während der Alkohol wegen seines wesentlich niedrigeren Gefrierpunkts flüssig bleibt und abgezogen werden kann.
Was macht Äthanol zur gefährlichen Droge? Äthanol verteilt sich nach seiner Aufnahme rasch durch seine chemischen Eigenschaften über den Kreislauf im gesamten Körper. Die Promillewerte im Blut sind alsbald auch im Gehirn nachweisbar und entfalten dort ihre Wirkung. Äthanol dringt in die Nervenzellen ein und stört deren korrekte Funktion und unsere Psyche. Bei bis zu 1,0 Promille stellt sich eine Beschwingtheit und Enthemmung ein. 1-2 Promille bewirken bereits Bewegungs- und Sprachstörungen. Bei 2-3 Promille kommt eventuell Aggressivität auf; man spürt den Schmerz nicht mehr. Noch höhere Promillewerte verursachen Koma und sind lebensbedrohlich. Äthanol verdrängt einen im Nervensystem wichtigen Überträgerstoff, der hemmend auf die Nervensignalleitung wirkt (gamma-Aminobuttersäure). Die Konsequenz ist, dass nachgeschaltete Neurone nicht mehr gehemmt werden.

„Die fromme Helene“ (W. Busch)

Die berauschende Wirkung des Alkohols kann als Seelentrost missbraucht werden. „Wer Sorgen hat, hat auch Likör“ heißt es bei Wilhelm Busch (Die fromme Helene). Saint-Exupery lässt den Kleinen Prinz fragen „Warum trinkst du?“ „Um zu vergessen“ sagt der Säufer …..“ .Die Begleiterscheinungen des Alkoholgenusses verführen zu erneutem Konsum, der gesteigert wird, um die betäubende Wirkung zu erzeugen. Der Körper passt seinen Stoffwechsel der erhöhten Zufuhr von Äthanol an. Das Absetzen der Droge gelingt nicht mehr; der Körper ist abhängig geworden.
Alkohol ist energiereich: 1g Äthanol ersetzt 0,75g Fett oder 2g Traubenzucker. In mäßigen Mengen aufgenommen, wird er vollständig verdaut und macht dick. Das bewerkstelligt zum größten Teil unsere Leber. Anhaltender Alkoholkonsum bringt insbesondere den Fettstoffwechsel durcheinander. Fette können nicht mehr von der Leber exportiert werden, sondern werden angereichert. Die Fettleber entsteht. Weiterhin kommt es zu Vitamin B1 Mangel, wodurch u.a. die Herzmuskeltätigkeit beeinträchtigt wird. Üppiger Alkoholgenuss verursacht sogenannte Katersymptome. Ständiger Harndrang, Kopfschmerzen u.a. gehören dazu. Äthanol bremst nämlich die Ausschüttung eines Neurohormons (Vasopressin), das die Ausscheidung von Flüssigkeit durch die Nieren hemmt. Die Niere gibt mehr Flüssigkeit ab, wodurch auch der Salzhaushalt in unserem Körper gestört wird. Die Kopfschmerzen sind die Folge der Störung des Zuckerstoffwechsels (Unterzuckerung) in der Leber. Die Sensibilität für Alkohol unterliegt individuellen Unterschieden und ist sogar zwischen verschiedenen Volksgruppen anders. Ostasiaten haben andere Modifikationen eines am Alkoholabbau beteiligten Enzyms, wodurch eine Alkoholunverträglichkeit verursacht wird. Der Alkohol ist ein Genussmittel, mit dem – trotz Bemühungen über viele Generationen – unser Körper nicht gelernt hat umzugehen. Wie heißt es doch in einem chinesischen Sprichwort:
Zuerst trinkt der Mann einen Schluck,
dann trinkt der Schluck einen Schluck
und dann trinkt der Schluck den Mann.

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