Schon gewusst? Löwen, die listig Ameisen auflauern

23. Februar 2019 | Bildung und Wissenschaft | Keine Kommentare

Von Ameisenbären, jenen langmäuligen Pelztieren mit klebriger Zunge hat man schon mal gehört. Aber Löwen, die Ameisen jagen und fressen? In der Tat, Ameisenlöwen sind keine Löwenverwandte, die sich von Ameisen ernähren. Ameisenlöwen sind Insekten, die ihren furchterregenden Namen von ihrer räuberischen Lebensweise haben. Sie sind die Larven der Ameisenjungfer, einem libellenähnlichen Insekt, das zur Familie der Netzflügler gehört. Ameisenjungfern fliegen und jagen in der Dämmerung und nachts. Das unterscheidet sie deutlich von den tagaktiven Libellen. Die bis zu 15mm langen Larven der Ameisenjungfern leben räuberisch. Sie werden als Ameisenlöwen bezeichnet. Einige Arten jagen nicht ihrer Beute hinterher, sondern lauern ihr auf und wenden dabei bemerkenswert trickreiche Methoden an.

Ameisenlöwe (Litho 1755 von Rösel von Rosenhof)

Die Ameisenlöwen bauen in lockerem, trockenem Sand an geschützten Stellen z.B. an überhängenden Wegböschungen oder Felsen Trichter, die einige Zentimeter tief sind. Dazu schiebt sich das Tier rückwärts kreisförmig durch den Sand, bildet einen Graben und schleudert mit dem flachen Kopf den Sand von innen nach außen. Nach max. 30 Minuten ist der Trichter fertig. Der Böschungswinkel beträgt ca. 30°, ist aber abhängig von der Art des rollenden Sandmaterials. Der Ameisenlöwe sitzt verborgen im Trichtergrund. Der Kopf mit den großen gespreizten Saugzangen ragt zugriffsbereit hervor. Der Trichter bietet dem Ameisenlöwen auch eine Art des Sonnenschutzes. Da die Trichterwand von der Sonne in einem flacheren Winkel angestrahlt wird als die Sandfläche, heizt sich der Trichter nicht so stark auf. Die Larve reagiert sehr empfindlich auf Erschütterungen. Die werden über eine Reihe von über den Körper verteilten Borsten, die als Mechanorezeptoren fungieren, wahrgenommen. Nähert sich eine Ameise dem Trichter, rutscht sie auf dem lockeren Sand aus und kullert hinunter in die Fänge des Ameisenlöwen. Ihre Flucht wird verhindert durch Hochschleudern von Sandkörnern, wodurch die Beute erneut herunterpurzelt. Sie wird schließlich von den spitzen kräftigen Zangen gepackt und ausgesaugt. Durch einen Kanal in den Zangen werden Gift und Verdauungssekrete zuvor injiziert. Die Ameisenlöwen sind reinlich: nach dem Aussaugen wird die leere Insektenhülle aus dem Trichter geschleudert und der Fangtrichter ausgebessert. Nach 2 Wintern umhüllt sich die herangewachsene Larve mit einem Kokon und verpuppt sich im Frühjahr darin zur Ameisenjungfer.

Ameisenjungfer

Wilhelm Georg Alexander von Kügelgen (1802-1867) schreibt in den frühromantischen ´Jugenderinnerungen eines alten Mannes – Kindheitserinnerungen aus der Umgebung Dresdens` über seine genauen Beobachtungen zum Ameisenlöwen:
„… Bei Gelegenheit solcher Pilzjagd, die den Blick zur Erde zog, entdeckte ich ein eigentümliches Insekt, das ich anderwärts nie wieder angetroffen habe, den sogenannten Ameisenlöwen. Das sandgraue Tierchen ist von der Größe einer Buschwanze und bildet, indem es sich in den lockeren Sand wühlt, einen kleinen, sehr regelmäßigen, etwa zolltiefen Trichter, in dessen Tiefe es, unter Sand verborgen, unsichtbar lauert. Sobald sich nun eine Ameise am Rande des Trichters zeigt, so spritzt das Untier Sand auf, der den kleinen Wanderer ziemlich sicher hinab in die Tiefe reißt. Vergebens sucht er sich wieder herauszuarbeiten, neue Kartätschen erreichen ihn unausbleiblich, und immer rollt er wieder hinab in den Schlund, bis es dem Räuber gelingt, ihn mit seinen gespenstischen Fangarmen zu fassen und zu sich in die Unterwelt zu ziehen.“
In der Phantasie der Menschen wurden Monstervorstellungen gelegentlich von Ameisenlöwen inspiriert. In der Star Wars – Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter, lebt ein uraltes menschenfressendes Monster eingegraben in einem Trichter im Wüstensand. Luis Buñuel hat in seiner Defoe-Verfilmung Las Aventuras de Robinson Crusoe (1954) dem Ameisenlöwen einen Auftritt verschafft. Man sieht Robinson, wie er nach Verlust jeglicher Gesprächspartner mit Ameisenlöwen spricht, sie mit großem Vergnügen und außerordentlicher Befriedigung mit einer Ameise füttert. In der Folge „Biene Maja bei den Ameisen“ der Fernsehserie Biene Maja aus den 1970er Jahren wird eine Ameise von Biene Maja in letzter Minute aus dem Fangtrichter eines Ameisenlöwen befreit.
2010 war der Ameisenlöwe das Insekt des Jahres.
(H.J. Ferenz)

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