Schon gewusst? Grillgenuss dank Maillard

13. März 2021 | Bildung und Wissenschaft | 2 Kommentare

Unsere Vorfahren waren über lange Zeiträume Sammler und Jäger. Sie perfektionierten ihr Wissen über Essbares und Jagdbares. Aber immer nur Rohkost förderte ihre Weiterentwicklung vermutlich nicht sonderlich. Das änderte sich mit der Entdeckung des Feuers. Mit der Wärme eines Lagerfeuers überstand man kalte Winter besser und war vor wilden Tieren geschützt. Irgendwann muss einem ungeschickten Homo (erectus?) die rohe Keule eines erbeuteten Wildschweins ins wärmende Lagerfeuer gefallen sein. Die angebrannte Keule erwies sich nicht nur als durchaus noch essbar, sondern sogar als sehr schmackhaft. Die Bratendüfte versprachen eine leckere Mahlzeit. Diese elementare Erfahrung ist seitdem in uns tief, scheinbar vorzugsweise in männlichen Genen verankert und wird beim Grillen gern ausgelebt. 

Ob der Wechsel zu gegrilltem Fleisch den evolutiven Erfolg der Hominiden förderte, ist nicht bewiesen. Wahrscheinlich ist es schon. Denn gegartes Fleisch ist leichter zerlegbar und besser verdaulich. Gesünder ist es auch, weil beim Erhitzen schädliche Keime vernichtet werden. Neandertaler ernährten sich noch vorwiegend von Fleisch, wie man aus der Isotopenanalyse von Knochensubstanz weiß. Ihr Beute waren meist Huftiere. Mit der einseitigen Fleischkost überstanden die Neandertaler immerhin 200.000 Jahre das kühle Klima. Fleisch ist wegen seiner hochwertigen Proteine, Fette, Mineralstoffe und Vitamine ein besonders wertvolles Lebensmittel. Als Homo sapiens sesshaft wurde und den Wildtierherden nicht mehr hinterherrannte, wurde Fleischkost etwas Besonderes. Der kulturbegabte Mensch entdeckte und verfeinerte feinsinnig den raren Fleischgenuss. An eine vegan Ernährungsweise ist sein Verdauungssystem nicht  angepasst. Sein Darm ist viel zu kurz, um pflanzliche Nährstoffe weitestgehend aufzuschließen. Fleischersatzstoffe sind keine bedenkenlose Alternative zu vernünftigem Fleischverzehr.

Man lernte Fleisch durch gezielte Verwesung, verschämt als Abhängen bezeichnet (Dry Aged Beef ist ja gerade in Mode), oder Marinieren zarter und durch Braten, Grillen oder Schmoren schmackhafter zu machen. 

Erst vor wenigen Jahrzehnten begannen Chemiker zu analysieren, was da mit dem Fleisch beim Abhängen, Kochen und Braten geschieht und was das für Stoffe sind, die dabei unsere Sinne so reizvoll ansprechen. Was bewirkt, dass beim Garen Speisen braun-kross, aromatisch und besonders gut schmeckend werden? Verantwortlich hierfür ist die Maillard-Reaktion. 1913 beschrieb der französische Chemiker Louis Camille Maillard, dass unter Hitzeeinwirkung Aminosäuren, die Bausteine der Proteine, mit Zuckermolekülen reagieren. Aus den Reaktionsprodukten entstehen in mehreren nachfolgenden Schritten ringförmige aromatische Stoffe, die geruchs- und geschmacksverbessernd wirken und oft die intensiv-braune Färbung beim Bruzzeln erzeugen. Die Zahl der Reaktionswege und der Reaktionsprodukte ist hierbei astronomisch groß. Sie laufen nur bei sehr hohen Temperaturen ab (über 140 °C). Beim bloßen Garen entstehen sie nicht, da Wasser die Siedetemperatur von nur 100 °C nicht überschreitet. Bei einer Vielzahl von Kochrezepten nutzen wir die Maillard-Reaktion. Wichtig ist, dass Zucker und Eiweiße bei großer Hitze kurze Zeit zusammenkommen. Danach reduziert man die Hitze, damit die entstandenen Aromen sich nicht verflüchtigen. 

Manche Produkte der Maillardreaktion wirken antioxidativ und verbessern dadurch die Haltbarkeit. Es können aber auch krebserregende Verbindungen entstehen, z.B. Acrylamid. Andere Reaktionsprodukte fördern Diabetes, Nierenversagen, Arterienverkalkung. Die Dosis macht’s. Und damit einen coronagerechten, aber dennoch genussreichen Start in die Grillsaison 2021!

(H.J. Ferenz)

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